Abnahmeverweigerung bei geringen Mängeln unzulässig


Gerade bei Verträgen mit Verbrauchern beobachten wir immer wieder, dass Abnahmen verweigert werden, obwohl nur absolut geringfügige Mängel vorhanden sind. Nun kann man sicherlich nachvollziehen, dass ein Kunde durchaus eine ordnungsgemäße, also mangelfreie Leistung erwarten kann. Um diese durchzusetzen stehen ihm allerdings auch nach der Abnahme die Regelungen der Mängelhaftung zur Verfügung. § 640 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt demgegenüber ausdrücklich, dass wegen unwesentlicher Mängel die Abnahme nicht verweigert werden kann. Die Regelungen der VOB/B sind dem durchaus ähnlich: Nach § 12 Abs. 3 VOB/B kann die dortige Abnahme (allein) wegen wesentlicher Mängel verweigert werden. Ein wirklich relevanter Unterschied ergibt sich zwischen diesen Vorschriften nicht.

Nun hatte das Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 11.12.2014 – 8 U 140/09) einen Fall zu entscheiden, in welchem die Abnahme tatsächlich wegen eines nur geringfügigen Mangels verweigert wurde. Nicht nur entschied das OLG Oldenburg, dass diese Abnahmeverweigerung unrechtmäßig erfolgte, es stellte zudem die daraus resultierenden Konsequenzen dar. Das Gericht hatte darauf verwiesen, dass eine Verweigerung der Abnahme wegen weniger, nicht wesentlicher Mängel einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle und somit die Abnahme quasi fingiert werde. Sie gilt dann als mit dem Zeitpunkt der ungerechtfertigten Abnahmeverweigerung als erfolgt, so dass sämtliche Abnahmewirkungen, unter anderem also die Fälligkeit der Schlusszahlung, ab diesem Zeitpunkt eintreten. Allerdings wird man wohl annehmen müssen, dass diejenigen Mängel, die zur (unzulässigen) Abnahmeverweigerung geführt haben, als vorbehalten anzusehen sind, so dass der Unternehmer in Ansehung dieser behaupteten Mängel in der Beweislast bleibt, dass es sich bei den fraglichen Erscheinungen tatsächlich nicht um Mängel handelt.

DEGA-Tipp:
Die Abnahme ist, was gar nicht oft genug betont werden kann, für den Unternehmer von erheblicher Wichtigkeit. So wird nicht nur seine Schlussrechnung fällig, es erfolgt auch eine Umkehr der Beweislast für bei der Abnahme nicht vorbehaltene Mängel auf den Auftraggeber. Auch die Gefahr für den zufälligen Untergang der gefertigten Leistung geht auf diesen über und die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt zu laufen. Daher sollte jeder Unternehmer von seinem Auftraggeber nach Fertigstellung des Projektes unbedingt die Abnahme verlangen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Läuft die Frist ab, ohne dass der Auftraggeber sich rührt, tritt eine sogenannte fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 1 S. 3 BGB ein, wenn die Leistung tatsächlich abnahmefähig ist. Verweigert der Auftraggeber die Abnahme allerdings unrechtmäßig, würde diese Wirkung nach § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB gerade nicht eintreten. Genau hier hilft die oben genannte Rechtsprechung, indem sie die zu Unrecht verweigerte Abnahme der Abnahme selbst gleichstellt. Bleibt man als Auftragnehmer passiv, verlangt also keine Abnahme, wird man stets die Sorge haben müssen, dass eine Abnahme faktisch als nicht erfolgt angesehen wird.

Verweigerung der Mängelbeseitigung bei Unverhältnismäßigkeit

Das soeben vorgestellte Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11.12.2014 – 8 U 140/09 beinhaltet neben den Hinweisen zur Abnahme noch weitere interessante Aspekte. Zunächst einmal gilt der Grundsatz im Werkvertragsrecht, dass der Unternehmer zur Herstellung eines schlussendlich mangelfreien Werkes verpflichtet ist. Ist seine Leistung jedoch mangelbehaftet, ist er vom Grundsatz her verpflichtet, den Mangel zu beseitigen. Mitunter wird vergessen, dass diese sogenannte Nacherfüllungspflicht aus Sicht des Unternehmers eine gesetzliche Grenze kennt. Nach § 635 Abs. 3 darf der Unternehmer die Nacherfüllung nämlich verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. In der VOB/B ist deckungsgleiches unter § 13 Abs. 6 geregelt.

Allein die Tatsache, dass eine Mängelbeseitigung hohe Kosten verursacht, führt allerdings nach einhelliger Ansicht nicht dazu, dass die Mängelbeseitigung per se als unverhältnismäßig verweigert werden darf. Es entspricht langjähriger Rechtsprechungstradition, dass eine Gesamtabwägung aller Umstände angestellt werden muss. Man wird sich also die Frage stellen müssen, wie ausgeprägt das Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung ist und ob der zu erwartende Kostenaufwand der Mängelbeseitigung unter Abwägung mit diesem Interesse sich als unangemessen herausstellt. Vielfach stößt man dabei auf wenig differenzierte Aussagen dahingehend, dass eine Unverhältnismäßigkeit nur bei optischen, keineswegs aber bei funktionsbeeinträchtigenden Mängeln angenommen werden könne. Dies ist in dieser Ausschließlichkeit jedoch nicht korrekt. Tatsächlich sind auch Funktionsbeeinträchtigungen denkbar, die derart geringfügig sind, dass eine kostenintensive Mängelbeseitigung unangemessen erscheinen würde. In dem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg lag es so, dass eine Dämmung einer Warmwasserleitung nicht fachgerecht erstellt wurde und zu einem höheren Energieverbrauch führte. Der Nachbesserungsaufwand hätte nun mindestens 44.000,00 € betragen, während der höhere Energieverbrauch aufgrund der nicht fachgerechten Dämmung bei lediglich ca. 50 € je Jahr lag. Mit anderen Worten: Nach 880 Jahren wären die Kosten der Mängelbeseitigung erreicht worden. Hier hat das Gericht zu Recht eine Grenze gezogen und dargelegt, dass der jährliche Mehraufwand in keinem Verhältnis zu den Mängelbeseitigungskosten stünde.

Derartige Beispiele lassen sich sicherlich auch im Garten- und Landschaftsbau finden, etwa wenn ein Mangel zu minimal höheren Pflegekosten führt, während die Alternative die komplette Neuherstellung des Gartenbereichs oder des fraglichen Objekts wäre. Nun wird man den Fall an dieser Stelle nicht beenden können, ist der Mangel doch tatsächlich vorhanden und muss in irgendeiner Form bewertet werden. Tatsächlich ist es so, dass bei bestehender Unverhältnismäßigkeit lediglich die Nacherfüllung verweigert werden kann. Der Auftraggeber kann aber regelmäßig eine Minderung in Form eines angemessenen Ausgleichsbetrags verlangen, der in vorliegendem Fall anhand des Wertverlusts des Bauwerks ermittelt wurde. Hierbei hat das OLG Oldenburg zwischen einem technischen Minderwert und einem merkantilen Minderwert, also einem Minderwert, der sich durch einen geringeren Veräußerungserlös zeigt, differenziert. Der technische Minderwert orientiert sich an den Jahresmehrkosten, der merkantile Minderwert an der Beurteilung durch eventuelle Kaufinteressenten. In dem genannten Urteil wurde Letzterer schlichtweg durch das Gericht geschätzt, wozu dieses nach § 287 ZPO befugt ist.

DEGA-Tipp:
In Fällen, in denen die Mängelbeseitigungskosten aus Ihrer Sicht einen exorbitanten Betrag erreichen, prüfen Sie bitte, welche Beeinträchtigungen verbleiben, wenn der Mangel schlussendlich nicht beseitigt wird. Hierbei sind alle denkbaren Umstände einzubeziehen und ins Verhältnis zu setzen. Führt diese Bewertung dazu, dass ein erhebliches Ungleichgewicht vorliegt, kann (nicht muss) die Mängelbeseitigung wegen Unverhältnismäßigkeit unter Akzeptanz einer Erstattung des Minderwertes erfolgen. Beachten Sie jedoch bitte, dass die schlussendliche Bewertung stets durch das Gericht erfolgen wird. Da es sich hier um eine abstrakt nicht zu beantwortende Einschätzungsfrage handelt, ist es durchaus möglich, dass jeder Mensch die von Ihnen vermeintlich eindeutig beantwortete Frage anders sieht. Insofern sollte klar sein, dass die eigene Ansicht, es läge eine Unverhältnismäßigkeit vor, nicht zwingend die Ansicht des die Angelegenheit einschätzenden Gerichts sein muss. Ein Risiko spielt in diesen Bereichen immer mit.

Verstehe deinen Anwalt: Der juristische Konjunktiv

So hart wir Anwälte auch immer nach außen hin auftreten, so weich ist unser Kern. Eigentlich sind wir echte Schisser: Fragen Sie einen Anwalt spaßeshalber einmal nach einem einfachen Rat, oder besser: Fragen Sie ihn, wo Sie in einer beliebigen Stadt das Rathaus finden. Die Antwort wird stets wie folgt lauten: Wenn Sie rechts abbiegen würden, könnten Sie an der zweiten Straße links einen Wegweiser auf das Rathaus finden. Wenn Sie diesem folgen, dürften Sie nachfolgend auf das Rathaus treffen. Wir handeln nach dem einfachen Leitsatz: Man kann ja nie wissen. Vielleicht haben Außerirdische das Rathaus zwischenzeitlich an einen anderen Platz versetzt. Da der Anwalt immer mit dem Schlimmsten rechnen muss (in der Regel also mit dem Richter), werden Sie von uns eindeutige Auskünfte kaum erwarten dürfen. Bereits im Studium werden uns für jeden noch so banalen Begriff fünf Meinungen präsentiert, wie dieser auszulegen ist (der gesunde Menschenverstand freilich noch nicht einmal mitgezählt). Hieraus ergibt sich eine derart hohe Komplexität des Rechts und der Auslegung von Paragraphen, dass tatsächlich vielfach der Ausgang eines Gerichtsverfahrens nicht mit letztgültiger Sicherheit vorausgesagt werden kann. Hinzu tritt, dass der Richter in seiner Rechtsfindung vergleichsweise frei ist, so dass auch dessen Einschätzung eine gewisse Rolle spielt, die nicht vorausgesagt werden kann. Bei Gericht und auf hoher See ist man also tatsächlich in Gottes Hand – oder besser: man könnte es sein.

Erschienen im Mai 2015 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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