Eine Leistung, die immer wieder unterschätzt wird: Der Garten- und Landschaftsbau im Allgemeinen und der Dachbegrünungsbereich im Speziellen kennen eine Leistung, deren Relevanz immer wieder in besonderem Maße unterschätzt wird: Die Fertigstellungspflege. Die hierbei bestehenden rechtlichen Probleme und Stolperfallen werden sowohl von den ausführenden Betrieben, als auch von Auftraggebern in einer Vielzahl von Fällen übersehen oder nicht ausreichend gewichtet. Die Rechtsanwälte André Bußmann und Klaus Feckler nehmen sich im folgenden Beitrag diesem Thema an:
Zahlreiche Dachbegrüner meinen, dass dann, wenn die Fertigstellungspflege nicht beauftragt ist, die damit verbundenen Leistungen nicht geschuldet würden und die Dachbegrünungsarbeiten nach durchgeführter Ansaat – also vor Erreichen eines wie auch immer gearteten Deckungsgrades – vom Auftraggeber abzunehmen und zu bezahlen seien. Schön, wenn es so wäre. Leider jedoch steht der Werkunternehmer, also auch der Dachbegrüner, nicht nur für die Durchführung einzelner Arbeitsschritte, sondern in erster Linie für das Erlangen eines Erfolges ein. Es reicht also grundsätzlich nicht aus, Samen auszubringen, vielmehr ist ein begrüntes Dach herzustellen. Die Ansaat kann hierzu lediglich eine Vorbedingung sein. Niesel weist deshalb in seinem Standardwerk „Praxiskommentar Galabau“ völlig zu Recht in Bezug auf Rasenflächen darauf hin, dass ausgesätes Saatgut eher ein Versprechen auf einen Rasen als eine normgerechte-, prüfungs- und abnahmefähige Rasendecke sei. Dem ist auch aus der Sicht eines Dachbegrüners nichts hinzuzufügen.
Hieraus folgt also, dass eine Dachbegrünung grundsätzlich erst dann fertig gestellt ist, wenn das Dach „grün“ ist, d.h. der nach den einschlägigen technischen Vorschriften erforderliche Deckungsgrad erreicht wird. Erst dann muss der Auftraggeber die Dachbegrünung abnehmen und die Schlussrechnung bezahlen. Erst dann beginnen auch die Fristen der Mängelhaftung zu laufen.
Entgegen einer mancherorts vertretenen Auffassung ergibt sich auch aus der FLL-Richtlinie zur Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen (Dachbegrünungsrichtlinie) nichts anderes. Die Fehleinschätzung, wonach bei fehlender Vereinbarung der Fertigstellungspflege ein abnahmefähiger Zustand direkt nach Pflanzung bzw. Aussaat erreicht werde, folgt daraus, dass die entsprechende Vorschrift der genannten FLL-Richtlinie zumeist nur recht oberflächlich gelesen, zumindest aber nicht ausreichend interpretiert wird. Unter dem dortigen Abschnitt 11.6 ist nämlich ausdrücklich erklärt, dass erst dann, wenn der Auftraggeber auf die Fertigstellungspflege verzichtet, eine Abnahme direkt nach der Pflanzung, der Aussaat oder dem Ausbringen der Sprossen erfolgen kann.
Verzicht auf die Fertigstellungspflege
Allein in der fehlenden Erwähnung der Fertigstellungspflege innerhalb eines Leistungsverzeichnisses ist aber noch kein derartiger Verzicht zu sehen. Verzichten kann man nur auf etwas, von dessen Existenz und Notwendigkeit man positive Kenntnis hat. Es kann aber nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Auftraggeber – selbst wenn es sich um einen durch einen Architekten unterstützten Bauunternehmer handelt – weiß, dass die Fertigstellungspflege zur Herstellung eines grünen Dachs erforderlich ist.
Grundsätzlich sind zwei Situationen zu unterscheiden:
- Plant der Dachbegrüner seine Leistung selber und präsentiert er dem Auftraggeber ein von ihm gefertigtes Leistungsverzeichnis, muss er die Fertigstellungspflege hierin aufnehmen. Tut er dies nicht, so bietet er im Ergebnis eine unvollständige Leistung an, denn er kann den vertraglichen geschuldeten Erfolg („grünes Dach“) ohne diese Leistung nicht herbeiführen. Allein die Durchführung der Fertigstellungspflege würde ihn in die Lage versetzen, den nach den anerkannten Regeln der Technik notwendigen Deckungsgrad der Begrünung (z.B. bei Vegetationsmatten von 80 %) herstellen zu können. Ohne die Fertigstellungspflege leistet der Dachbegrüner also im Ergebnis mangelhaft und muss nachbessern.
- Stammen die Planung und das Leistungsverzeichnis vom Auftraggeber bzw. dessen Architekten und wird dort die Fertigstellungspflege nicht erwähnt, so ändert dies zunächst einmal nichts daran, dass der Dachbegrüner weiterhin den Erfolg des grünen Dachs schuldet. Auch hier ist er ohne die Fertigstellungspflege jedoch nicht in der Lage, dieses Ziel zu erreichen. Wie wir bereits angedeutet haben, darf er sich auf dieser Erkenntnis aber keinesfalls ausruhen. Würde er dies tun, liefe dies auf eine bewusst mangelhafte Leistungserbringung hinaus.
Die Situation ist eigentlich recht einfach: Der Dachbegrüner, der selbst plant, ist gehalten, die Fertigstellungspflege mit in seine Leistungen aufzunehmen und anzubieten. Stammt die Planung aus dem Bereich des Auftraggebers, muss der mit der Ausführung betraute Unternehmer die Planung überprüfen. Erkennt er, dass der geschuldeten Erfolg mit den dort im Einzelnen aufgeführten Leistungsschritten nicht erreicht werden kann – etwa weil eine Ausschreibung der Fertigstellungspflege fehlt -, muss er Bedenken gegen die geplante Ausführung anmelden. Dies sollte er zwingend schriftlich tun, da § 4 Nr. 3 VOB/B die ordnungsgemäße Bedenkenanmeldung von der Einhaltung der Schriftform abhängig macht.
Hierin ist der Auftraggeber umfassend über den Grund der Bedenken zu informieren. Dadurch, dass er sodann positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der bislang in Frage stehenden Art der Ausführung hat, kann er nunmehr frei entscheiden, ob er eventuell auf die Durchführung der Fertigstellungspflege verzichten möchte. Tut er dies im Folgenden, wandelt sich der geschuldete Werkerfolg quasi um. Der Dachbegrüner schuldet dann tatsächlich nicht mehr die Herstellung eines grünen Daches, sondern nur noch die Aussaat geeigneten Saatgutes. Nur dann kann er bereits nach der Aussaat ausnahmsweise eine Abnahme verlangen.
Mythos Teilabnahme
Damit dürfte eigentlich ein weit verbreiteter Irrglaube ebenfalls ausgemerzt sein: So mancher Dachbegrüner vertritt die Ansicht, er könne nach der Aussaat zumindest eine Teilabnahme seiner bis dahin erbrachten Leistungen verlangen. Das ist so nicht richtig, zumindest aber sollte man sich aus Sicherheitsgründen hierauf nicht verlassen.
Die Teilabnahme setzt nämlich ebenso wie die Abnahme eine ganz zentrale Sache voraus: Die Abnahmefähigkeit des abzunehmenden Teilbereiches. Diese ist erst dann gegeben, wenn ein funktional abgrenzbarer Teil einer Werkleistung für sich genommen fertig gestellt und nutzbar ist. Wie oben festgestellt, bedeutet Fertigstellung in der Dachbegrünung Herstellung eines grünen Dachs mit einem hinreichenden Deckungsgrad.
Also: Nur dann, wenn in einem für sich nutzbaren Teilbereich des Dachs der entsprechende Deckungsgrad erreicht ist, kann hierfür eine Teilabnahme verlangt und durchgesetzt werden. Dies ist regelmäßig unmittelbar nach der Aussaat nirgends der Fall.
Nichts anderes geben übrigens die FLL-Richtlinien vor: Nur dann, wenn die Pflanz- und Ansaatarbeiten nicht im Anschluss an den Aufbau der Vegetationsfläche ausgeführt werden können, soll eine Teilabnahme ausnahmsweise möglich sein. An keiner Stelle wird davon gesprochen, nach der Aussaat könne man generell die Abnahme verlangen.
Dementsprechend ist jedoch nach unserer Auffassung auch die häufig anzutreffende Praxis, nach der Aussaat eine Teilschlussrechnung zu stellen, rechtlich zum Scheitern verdammt. Auch die Teilschlussrechnung stellt nämlich eine Schlussrechnung dar und unterliegt deshalb einer wichtigen Fälligkeitsvoraussetzung: Ohne Abnahme muss die Schlussrechnung nicht bezahlt werden. Ohne abnahmefähigen Zustand aber gibt es keine Abnahme, was bedeutet, dass ohne Fertigstellungspflege in der Regel keine Schluss- oder Teilschlussrechnungsforderung fällig wird. Selbstverständlich wird man aber statt der Teilschlussrechnung eine Abschlagsrechnung schreiben können.
Etwas anderes gilt freilich dann, wenn der Auftraggeber – wie oben beschrieben – nach ausreichender Bedenkenanmeldung durch den Dachbegrüner wirksam auf die Fertigstellungspflege verzichtet hat. Dann hat man nach der Aussaat alle beauftragten Leistungen erfüllt und kann schlussabrechnen. Nicht selten wird sich der Auftraggeber bereit erklären, eine Teilabnahme nach der Aussaat vorzunehmen. Dem sollte man sich nicht verschließen.
Die Herstellung des mangelfreien Zustandes
Wird das Dach wegen nicht ausgeführter Fertigstellungspflege nicht ausreichend grün, war die Leistung des Dachbegrüners mangelhaft. Wohl dem, der zuvor in hinreichender Form Bedenken angemeldet hat. All diejenigen, die dies unterlassen haben, finden sich schlussendlich in der Mangelhaftung.
Das wiederum bedeutet, dass sie ihr Werk mangelfrei herstellen, also die eigentlich nicht beauftragte Fertigstellungspflege nachholen müssen. Das erscheint auf den ersten Blick ungerecht: Wäre die Fertigstellungspflege ursprünglich beauftragt worden, hätte der Dachbegrüner – da es sich um eine Besondere Leistung handelt – hierfür eine zusätzliche Vergütung verlangen können. Nun aber soll er die Fertigstellungspflege durchführen, ohne dafür Geld zu bekommen?
Dass dieses Ergebnis nicht richtig sein kann, dürfte jedem klar sein. Tatsächlich stellen die jetzt anfallenden Kosten der Fertigstellungspflege so genannte Sowieso-Kosten dar, also Kosten, die auch denn angefallen wären, wenn der Dachbegrüner von vornherein eine vollständige und mangelfreie Leistung erbracht hätte. Der Auftraggeber soll durch die nachträgliche Herstellung des mangelfreien Zustandes nicht besser gestellt werden, als wenn er von vornherein eine vollständige, mangelfreie Leistung beauftragt und erhalten hätte. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er die Kosten der Fertigstellungspflege von Anfang an geschuldet, weswegen diese auch im Rahmen der nachträglichen Mängelbeseitigung durch den Auftraggeber zu vergüten sind.
Eines darf man dabei aber nicht vergessen: Zwischen der Aussaat und dem ersten im Wege der Mängelbeseitigung nachgeholten Pflegegang vergeht nicht selten ein großer Zeitraum. Eventuell hat sich Unkraut breit gemacht, vielleicht ist das Saatgut mittlerweile unbrauchbar, unter Umständen sind andere „Erschwernisse“ aufgetreten. Solche Situationen, die dann nicht aufgetreten wären, wenn der Dachbegrüner die Fertigstellungspflege von vornherein durchgeführt hätte, kann er nicht auf den Auftraggeber abladen. Bei den damit verbundenen (Mehr-)Leistungen handelt es sich um „echte“ Mängelbeseitigungsarbeiten, die durch den Dachbegrüner allein zu tragen sind. Dies kann dazu führen, dass er Fehlstellen ausbessern, d.h. Nachsähen oder sogar das gesamte Gründach abtragen und neu aufbringen muss. Dann wird es nur ein geringer Trost sein, dass er die Kosten der Fertigstellungspflege ersetzt erhält.
Konsequenz
Der Dachbegrüner muss sich darüber bewusst werden, dass die Fertigstellungspflege integrativer Bestandteil einer qualifizierten und den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Leistung ist. Missachtet er diese unumstößliche Tatsache, läuft er Gefahr, für die daraus resultierenden Folgen in die Haftung genommen zu werden. Die Empfehlung kann daher nur lauten, dass der Dachbegrüner von vornherein offen und ehrlich mit seinem Kunden umgeht, ihm die Bedeutung der Fertigstellungspflege (schriftlich) erläutert und ihn auf die Konsequenz des Fehlens deutlich und nachdrücklich hinweist. Dies muss im Übrigen nicht zwingend juristisch spitz unter Nennung der einzelnen Paragrafen erfolgen. Die Bedenkenanmeldung kann – und dies wird häufig nicht beachtet – durchaus freundlich und informativ gestaltet sein. Allerdings sollte man sich vor Augen führen, dass sich der Dachbegrüner nur durch die Entfaltung entsprechender Tätigkeiten tauglich schützen kann.
Erschienen im Juni 2007 bei Dach+Grün – dem Fachmagazin für Bauwerksbegrünung.