Auswahl, Bedenken, Kritik – Die Sache mit den Sachverständigen


Bauprozesse werden nicht selten durch die Gerichte, sondern durch Sachverständige entschieden, was nicht selten mit Problemen verbunden ist. Ein Merksatz sagt, dass verlorene Gutachten verlorene Prozesse ergeben.

Unserer Erfahrung nach sind Sachverständige, welche unzutreffende Feststellungen und Bewertungen vornehmen, in der Regel nicht „bösartig“, sondern verfügen nicht über die Fachkenntnisse oder arbeiten nicht mit der notwendigen Sorgfalt. Mehrfach mussten wir feststellen, dass zunächst genau und sorgfältig arbeitende Gutachter infolge der Arbeitsüberlastung in der Sorgfalt spürbar nachgelassen haben.

Keiner hat Ahnung von allem
Dass man in den hochspezialisierten Bereichen des Bauens nicht überall in gleicher Art und Weise fachkundig sein kann, sollte auf der Hand liegen. Gute und hinreichend ausgelastete Sachverständige räumen deshalb häufig ein, dass die an sie gerichteten Beweisfragen nicht in ihr Spezialgebiet fallen und lehnen deshalb Gutachteraufträge ab oder empfehlen geeignetere Spezialisten. Gerade weniger gute und sorgfältige (und somit häufig auch weniger ausgelastete) Sachverständige neigen dagegen dazu, auch Aufträge anzunehmen, die sie bei realistischer Selbsteinschätzung nicht bearbeiten sollten.
Was kann man nun tun, damit ein geeigneter Sachverständiger in einem Gerichtsverfahren die richtigen Feststellungen und Bewertungen trifft? Wie sollte man sich verhalten, wenn ein offenbar weniger geeigneter Gutachter beauftragt wurde oder schon ein wenig brauchbares Gutachten vorgelegt hat?

Auswahl des Richtigen
Die Auswahl des Sachverständigen durch das Gericht ist prozessual grundsätzlich nicht angreifbar. Da es aber entscheidend auf die Person des Sachverständigen ankommt, sollte vor einer endgültigen Bestimmung durch das Gericht alles dafür getan werden, damit ein fachlich geeigneter Gutachter ausgewählt wird.
Die namentliche Vorabbenennung eines (oder mehrerer) Sachverständiger ist meistens deshalb nicht sinnvoll, weil der Verfahrensgegner dann häufig eine irgendwie geartete Nähebeziehung zu diesen Personen vermutet und allein aufgrund dessen die betreffenden Sachverständigen ablehnt. Dem folgen dann auch viele Gerichte.
Besser ist es, frühzeitig im Detail herauszuarbeiten und zu betonen, welche technischen Spezialkenntnisse für eine sachgerechte Beantwortung der (voraussichtlichen) Beweisfragen benötigt werden und welche Qualifizierung ein Sachverständiger dementsprechend haben muss.

Nicht persönlich werden
Hierauf sollte spätestens dann, wenn das Gericht bereits einen oder mehrere (beispielsweise durch die IHK oder die Handwerkskammer bestellte) Gutachter vorgeschlagen hat, hingewiesen werden. Dabei sollte die Kritik an der Auswahl stets nicht unmittelbar gegen die Person des Gutachters, sondern nur gegen die in der Bestellung des Gutachters zum Ausdruck kommende (fehlende) Spezialisierung gerichtet werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Sachverständige dann, wenn er doch beauftragt wird, aufgrund des vermeintlichen Angriffs gegen seine Person von Anfang an negativ eingestellt ist.
Beispielsweise sollte dann, wenn das Gericht einen Sachverständigen für Gebäudeschäden für eine Beurteilung landschaftsgärtnerischer Arbeiten bestellen möchte, darauf hingewiesen werden, dass entsprechende Sachverständige regelmäßig über Fachkenntnisse im Hoch- und gegebenenfalls Tiefbau verfügen, nicht aber für den Spezialbereich der Außenanlagen und der Vegetationstechnik. Hierfür gibt es spezialisierte Sachverständige, welche häufig nicht von der IHK oder der Handwerkskammer, sondern von der Landwirtschaftskammer bestellt werden. Eine entsprechende Liste der Landwirtschaftskammer könnte dann beigefügt werden.
Ebenfalls beispielsweise ist bei der Begutachtung eines Schwimmteichs unbedingt darauf zu achten, dass nicht ein Sachverständiger für den Schwimmbadbau bestellt wird, sondern einer, welcher über Spezialkenntnisse der biologischen Vorgänge in einem Schwimmteich verfügt. Die Sachverständigenliste der Deutschen Gesellschaft für naturnahe Badegewässer kann helfen.

Sachverständigen „anleiten“
Falls ein Sachverständiger bestellt wurde, von dem Sie wissen oder (aufgrund seiner Herangehensweise) vermuten müssen, dass er nicht mit den notwendigen Fachkenntnisse und/oder der notwendigen Sorgfalt arbeitet, empfiehlt es sich, den Sachverständigen in möglichst neutraler und nicht belehrender Art und Weise auf die von ihm zu berücksichtigenden einschlägigen technischen Normen hinzuweisen und ihm diese gegebenenfalls auch (auszugsweise) zur Verfügung zu stellen. Wir sind immer wieder erstaunt darüber, wie schlecht viele Sachverständige diesbezüglich ausgestattet sind und wie beschränkt die Kenntnis der aktuellen Fachnormen dort manchmal ausfällt. Gerade im Wegebau kann es häufig sehr sinnvoll sein, auf die einschlägigen Veröffentlichungen der FGSV und der FLL hinzuweisen und diese (auszugsweise) in Fotokopie beizufügen.
Wichtig ist, dass solche Informationen und Normen dem Sachverständigen frühzeitig und von Anfang an „vorgegeben“ werden. Dann wird es einem unsicheren Sachverständigen möglicherweise noch leicht fallen, seine Feststellungen und Bewertungen hieran auszurichten. Hat er einmal ein insoweit falsches schriftliches Gutachten erstattet, wird er sich häufig auch durch entsprechend konkrete Nachweise mangelnder Normenkenntnis nicht mehr hiervon abbringen lassen.
Auch dann, wenn wie so häufig die vom Gericht gestellten Beweisfragen an dem technischen Kern der Problematik vorbeigehen, kann es sinnvoll sein, dies möglichst frühzeitig detailliert herauszuarbeiten, um auch an dieser Stelle dem Sachverständigen die Möglichkeit zu geben, von Anfang an den richtigen Bearbeitungsansatz zu wählen oder sich diesbezüglich nötigenfalls noch einmal mit dem Gericht abzustimmen.
Soweit einmal ein schlechtes oder falsches Gutachten in der Welt ist, muss dieses natürlich angegriffen werden. Auch hierbei ist stets darauf zu achten, nicht die Person des Sachverständigen zu attackieren oder (im Hinblick auf seine unzureichende Tätigkeit oder seine mangelhaften Fachkenntnisse) schlecht zu machen. Vielmehr sollte möglichst neutral dargestellt werden, dass und weshalb in dem Gutachten etwas nicht hinreichend beachtet oder nicht ordnungsgemäß bewertet wurde und wie beziehungsweise basierend auf welchen technischen Vorgaben eine korrekte Prüfung und Einschätzung hätte erfolgen müssen.
Soweit möglich sollte dem gerichtlichen Gutachter hierbei eine Möglichkeit eröffnet werden, sein Gutachten in gesichtswahrender Art und Weise in der gewünschten oder geforderten Form zu ergänzen oder anzupassen. Anderenfalls kommt es häufig dazu, dass sich ein wenig kompetenter oder unsicherer Gutachter erst recht auf seine Fehleinschätzungen versteift.

Einschaltung eines eigenen Privatgutachters
Abhängig vom Wert der strittigen Tatsachenfragen, die ein Sachverständiger entscheiden muss beziehungsweise abhängig vom Verfahrensverlauf sollte darüber nachgedacht werden, einen eigenen Privatgutachter zu beauftragen. Wichtig ist, dass dieser Sachverständige nicht einfach nur Ihre Sicht der Dinge übernimmt und wiedergibt und insoweit mehr oder weniger pauschal Kritik an dem vom Gericht bestellten Sachverständigen übt. Sondern er soll auf hohem fachlichen Niveau in objektiv belastbarer Art und Weise Feststellungen treffen oder Bewertungen abgeben. Ob dies in Form ausführlicher gutachterlicher Stellungnahmen oder vielleicht zunächst unterstützend bei der Herausarbeitung der wesentlichen Argumente und der Formulierung entsprechender Schriftsätze an das Gericht/den Sachverständigen erfolgt, muss im Einzelfall entschieden werden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage einer Hinzuziehung eines derartigen Privatgutachters zu einem Ortstermin und/oder zu einer gerichtlichen Anhörung.

Möglichst frühzeitig aktiv werden
Da nach unseren Erfahrungen eher mehr als weniger der üblicherweise von Gerichten bestellten Sachverständigen nicht von sich aus mit der notwendigen Sorgfalt und ausreichenden Fachkenntnissen arbeiten, sollten Sie selbst oder die von Ihnen beauftragten Rechtsanwälte auf Ihre Initiative hin möglichst früh die vorgenannten Aktivitäten entfalten. Hierdurch lassen sich die Risiken ungeeigneter Gutachten und somit des Aufwandes der Einholung (diverser) Ergänzungsgutachten mit entsprechenden Verfahrensverzögerungen und ausufernden Kosten zumindest etwas verringern.

Erschienen im April 2020 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

Bußmann & Feckler PartmbB · Rechtsanwälte und Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht
Pierstraße 1 · 50997 Köln · Tel.: 02236-92987-0 · Fax: 02236-92987-20 · rechtsanwaelte@bussmann-feckler.de