Nicht nur im Frühling treibt das Bauvertragsrecht bunte Blüten. Besonders schillernd ist hierbei der Begriff „Abzug neu für alt“. Aber auch die „Abrechnung auf Gutachtenbasis“ fließt manch einem Bauunternehmer und Rechtsanwalt offenbar so leicht aus der Feder, dass sich das OLG Celle (Urteil vom 01.02.2018, Az.; 16 U 73/17) in einer Entscheidung gleich beide Begriffe zurecht zu stutzen genötigt sah.
Hier war ein fehlerhaft eingedecktes und damit undichtes Dach Gegenstand eines jahrelangen Rechtsstreits. Im Verfahren hatte ein Gutachter das Dach untersucht. In seinem Gutachten wies er fiktive Mängelbeseitigungskosten, also die Kosten aus, die nötig werden würden, sanierte man das Dach. Ein Teil des Daches wurde allerdings aus naheliegenden Gründen in der Zwischenzeit tatsächlich saniert, und das um einiges günstiger als vom Gutachter errechnet.
Das Maximum herausholen?
Nun stellte sich der Auftraggeber auf den Standpunkt, er bekäme nicht nur das Geld, das er aufwenden musste, um das Dach in Schuss zu bringen, sondern forderte den höheren Betrag, nämlich die „Abrechnung auf Gutachtenbasis“, obwohl er das Dach günstiger saniert hatte. Und tatsächlich existiert unter Baujuristen ein Streit darüber, ob dies möglich sein soll. Dem hat das OLG Celle (in guter Gesellschaft mit dem OLG Köln, Az.: 11 U 91/14) nun eine klare Absage erteilt: Es verstehe sich von selbst, dass auf der Grundlage einer preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen sei. (…) Eine abweichende Betrachtung würde dazu führen, dass der Geschädigte an dem Schadensfall verdiene, was dem Verbot widerspräche, sich durch Schadensersatz zu bereichern.
Aber nicht nur der Auftraggeber hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Maximum aus dem undichten Dach heraus zu holen, auch der Unternehmer ließ es sich nicht nehmen, die Löcher in der Bilanz des Bauvorhabens mit allen Mitteln des Baurechts zumindest notdürftig zu stopfen. Er war der Auffassung, die Auftraggeberin müsse sich aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufes einen „Abzug neu für alt“ gefallen lassen und blendete dabei scheinbar völlig aus, dass der Zeitablauf daraus resultierte, dass die Parteien jahrelang vor Gericht um die Mängel an der Dachabdeckung gerungen hatten. Auch hier fand das OLG Celle (diesmal gemeinsam mit dem Bundesgerichtshof, Az.: VII ZR 169/82) deutliche Worte: „Ein Abzug „neu für alt“ (…) kommt nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn diese Vorteile (…) ausschließlich auf der Verzögerung der Mangelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste. Der Auftragnehmer darf dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren.“
Es sei noch erwähnt, dass die Grundsätze der fiktiven Schadensberechnung auf Gutachtenbasis und Abzug „neu für alt“ selbstverständlich ihre Berechtigung haben und zu nachvollziehbaren und gerechten Ergebnissen führen. Natürlich kann es Sinn machen, einen Schaden auf der Basis eines Gutachtens abzurechnen – wobei der BGH für die Mängelbeseitigung auch hier jüngst die Grenzen neu gezogen hat (BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 – eine Besprechung dieses Urteils lesen Sie dann in der nächsten DEGA). Und es ist auch richtig und gerecht, dass ein Besteller durch einen Schadensfall nicht eine neue für eine alte Sache erhalten und somit besser als ohne Schadenseintritt stehen soll. Der vom OLG Celle entschiedene Fall zeigt aber auch auf, wie die extensive und im Grunde auch ersichtlich falsche Verwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Institute zu unnötig aufgeblasenen Rechtsstreitigkeiten führen kann.
Erschienen im Mai 2018 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.