Bauzeit – die Vertragsstrafe


Einen besonderen Aspekt der Bauzeit haben wir in unseren bisherigen Darstellungen unberücksichtigt gelassen. Es handelt sich um Vertragsstrafenansprüche,

welche sich zwar für die unterschiedlichsten Fehlverhaltensweisen vereinbaren lassen, in der Praxis aber zumeist im Zusammenhang mit der Überschreitung von vereinbarten Fertigstellungsterminen zu finden sind.

Dabei hat die Vertragsstrafe für den Auftraggeber von Bauleistungen den großen Vorteil, dass er keinen konkreten, durch die Bauzeitverzögerung eingetretenen Schaden darlegen und nachweisen muss, sondern allein aufgrund der Vertragsstrafe den Werklohn des Auftraggebers spürbar kürzen kann.

Voraussetzung: wirksame Vereinbarung

Erste Voraussetzung für das Entstehen eines Vertragsstrafenanspruchs des Auftraggebers (die juristische Praxis spricht davon, dass der Auftragnehmer die Vertragsstrafe „verwirkt“) ist das Vorliegen einer entsprechenden, rechtswirksamen vertraglichen Vereinbarung.

Bereits an dieser Stelle scheitern viele auftraggeberseitige Forderungen, denn zumeist müssen sich entsprechende Vertragsklauseln an den gesetzlichen Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) messen lassen und können die hierbei zu beachtenden Hürden nicht nehmen.

Verschulden / Verzug

Häufig vergessen Auftraggeber bei der Formulierung entsprechender Klauseln, dass der Auftragnehmer nur dann mit einer Vertragsstrafe belangt werden kann, wenn er die entstandene Bauzeitverzögerung verschuldet hat. Dies muss sich nach langjähriger, gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus der Vertragsstrafenregelung selbst ergeben.

Allerdings wird es insoweit für zulässig erachtet, wenn die Klausel auf § 11 VOB/B Bezug nimmt. Dort ist geregelt, dass die Vertragsstrafe nur dann fällig wird, wenn der Auftragnehmer „in Verzug“ gerät. Nach § 286 Abs. 4 BGB kann man aber nur dann in Verzug geraten, wenn man schuldhaft gehandelt hat.

Über die Verwendung des Begriffs „Verzug“ und/oder die Bezugnahme auf § 11 VOB/B wird das Verschuldenserfordernis also in die Vertragsklausel implementiert. Fehlt es hieran und wird auch sonst nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers abgestellt, ist die Vertragsklausel unwirksam.

Umgekehrt ist dann auch klar, dass der Auftragnehmer dann, wenn er die Bauzeitverzögerung nicht schuldhaft zu verantworten hat, beispielsweise weil es eine bauseitige Behinderung gab, die Vertragsstrafe auch nicht verwirkt.

Der Verzug des Auftragnehmers, ohne den es keine Vertragsstrafe geben kann, kann bei kalendermäßig bestimmtem oder bestimmbaren Fertigstellungstermin ohne weitere Mahnung des Auftraggebers eintreten. Gibt es keine entsprechenden Terminvereinbarungen oder haben sich die Termine durch nicht vom Auftragnehmer zu beantwortende Gründe nach hinten verschoben, ist Voraussetzung für den Verzug und somit die Geltendmachung einer Vertragsstrafe immer eine Mahnung des Auftraggebers.

Klarer Anknüpfungspunkt

Auch wenn man es vielleicht nicht glauben mag: Die Frage, ob ein klarer Anknüpfungspunkt für die Vertragsstrafe besteht, kann durchaus von Interesse sein. Es kommt nämlich immer noch vor, dass Auftraggeber Klauseln verwenden, aus denen sich dies nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt. Eventuelle Unklarheiten gehen dabei zulasten des Auftraggebers und führen zu einer Unwirksamkeit der betreffenden Vertragsklausel.

Üblicherweise knüpft die Vertragsstrafe an die (schuldhafte, s.o.) Überschreitung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins an. Dies macht natürlich nur dann Sinn, wenn ein solcher Termin auch klar vereinbart worden ist. Dass es in diesem Zusammenhang durchaus Unklarheiten geben kann, hatten wir in den Ausgaben 3 und 4/2011 ausführlich erörtert. Wie üblich gehen diese Unklarheiten zulasten des Verwenders der jeweiligen Vertragsklauseln, regelmäßig also des Auftraggebers.

Wie allgemein bekannt sein dürfte, kommt es bei dem weitaus überwiegenden Teil aller größeren und komplexen Baustellen zu Bauzeitverzögerungen, welche nicht in der (alleinigen) Verantwortung eines einzelnen Auftragnehmers liegen, so dass der ursprünglich vertraglich vereinbarte, kalendermäßig bestimmte oder bestimmbare Fertigstellungstermin als Anknüpfungspunkt für die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht mehr in Betracht kommt. Es stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die Vertragsstrafe dann überhaupt noch geltend machen kann.

Liegt nur eine überschaubare und abgrenzbare Verzögerung vor, so gilt die Vertragsstrafenklausel grundsätzlich weiter. Hat es aber gegenüber den ursprünglichen Planungen gravierende Änderungen gegeben, die zu einer durchgreifenden Neuordnung der gesamten zeitlichen Abwicklung der Baustelle geführt haben, so ist die Vertragsstrafenzusage hinfällig. Sie ist dann gegebenenfalls zusammen mit der Absprache neuer Termine neu zu vereinbaren.

Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Auftraggebern, wonach die Vertragsstrafe ohne jegliche Eingrenzung stets auch für geänderte Fertigstellungstermine gelten soll, sind nach wohl überwiegender Auffassung unwirksam, weil sie den vorhergehend dargestellten Fall der vollständigen Neuordnung der zeitlichen Abwicklung der Baustelle nicht ausschließen.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der „Fertigstellung“ ohne Konkretisierungen wohl auf die Abnahmereife der Leistungen des Auftragnehmers abstellt. Natürlich kann aber auch etwas anderes vereinbart werden, beispielsweise die Funktionsfähigkeit oder Benutzbarkeit eines bestimmten Gewerks oder eines Teils hiervon. Eine Klausel, welche auf eine vollständige und mangelfreie Leistungserbringung abstellt, dürfte unwirksam sein, da sich bei ausreichender Suche immer kleine Mängel finden lassen.

Höhe der Vertragsstrafe

Der weitaus größte Teil der einschlägigen Rechtsprechung zu Vertragsstrafenansprüchen beschäftigte sich mit der maximal zulässigen Höhe einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Vertragsstrafe. Dabei ist eine kontinuierliche Tendenz der Rechtsprechung zu beobachten, diese Höhe immer weiter zu reduzieren.

Auftraggebern kann insoweit nur geraten werden, in ihren Vertragsklauseln möglichst vorsichtig zu sein, da sie anderenfalls die spätere Feststellung einer Unwirksamkeit befürchten müssen. Für Auftragnehmer lohnt es sich immer wieder, gerade bei älteren Verträgen die dort geregelten Sätze einer kritischen juristischen Überprüfung unterziehen zu lassen.

Dabei wird in den vertraglichen Vereinbarungen und in der Rechtsprechung üblicherweise nach Tagessätze und einer maximalen Obergrenze der Vertragsstrafe unterschieden, wobei an einen prozentualen Anteil der Vergütung des Auftragnehmers angeknüpft wird. Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, muss hierbei streng auf die tatsächlich verwendeten Begriffe geachtet werden. Zum eine kann auf die ursprüngliche, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgesehene Vergütung (Auftragssumme, Auftragswert, etc.), zum anderen auf die nach Abschluss der Arbeiten geschuldete Vergütung (z.B. Abrechnungssumme, Schlussrechnungsumme), welche sich durch Nachträge, Massenänderungen, etc., erheblich von dem ursprünglichen Auftrag unterscheiden kann, abgestellt werden. Manchmal ist von Nettobeträgen die Rede, manchmal wird die Umsatzsteuer berücksichtigt.

Soweit es den Zeitraum der Bauzeitverzögerung angeht, wird üblicherweise an die Zahl der Tage, um welche der vorgesehene Fertigstellungstermin überschritten wurde, angeknüpft. Erneut ist eine genaue Betrachtung der Begrifflichkeiten erforderlich, denn hier wird nach Tagen, Kalendertagen, Werktagen oder Arbeitstagen unterschieden.

Dies alles ist deshalb von großer Relevanz, weil bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung teilweise nach Unterschieden der Prozentsätze im Bereich der zweiten Nachkommastelle differenziert wird.

Auch wenn der Bundesgerichtshof immer wieder betont, dass stets eine Betrachtung des Einzelfalles, d.h. des jeweiligen Bauvorhabens und seiner besonderen Gegebenheiten erforderlich ist, kann als Leitfaden nach aktuellem Stand der Rechtsprechung derzeit von einer maximal zulässige Obergrenze der insgesamt zu verwirkenden Vertragsstrafe von 5% der Gesamtnettoabrechnungssumme ausgegangen werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass es sich um eine Gesamtobergrenze handelt. Es muss also stets darauf geachtet werden, dass eventuell für die Überschreitung einzelner Zwischentermine vereinbarte Vertragsstrafen nicht einfach addiert werden, sondern aufeinander anzurechnen sind. Hierbei ist außerdem darauf zu achten, dass dann, wenn allein durch den Verzug mit der Einhaltung von Zwischenfristen bereits eine erhebliche Vertragsstrafe erreicht würde, obwohl der Gesamtfertigstellungstermin gehalten wird, die maximale Obergrenze der Vertragsstrafe gegebenenfalls nochmals gesenkt werden muss, da anderenfalls die Unwirksamkeit droht.

Soweit es die Höhe der zulässigen Tagessätze angeht, ist die einschlägige Rechtsprechung kaum noch überschaubar, zumal stets betont wird, dass es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen gehandelt hat. Entschieden hat der Bundesgerichtshof, dass ein Satz von 0,5% der Nettoauftrags- oder Abrechnungssumme pro Arbeitstag (dies entspricht 0,42% pro Werktag und 0,36% pro Kalendertag) in jedem Falle überhöht und damit unzulässig ist.

Derzeit könnten eventuell maximale Sätze im Bereich von 0,3% der Abrechnungssumme pro Werktag gerade noch zulässig sein. Alles was darüber liegt, dürfte unwirksam seien. Will man als Auftraggeber auf der sicheren Seite sein, müsste man aufgrund der Tendenz in der Rechtsprechung wohl eher von noch niedrigeren Zahlen ausgehen.

Vorbehalt bei Abnahme

Nach § 11 Abs. 4 VOB/B, welcher inhaltlich dem § 641 Abs. 3 BGB entspricht, muss der Auftraggeber, wenn er die Vertragsstrafe geltend machen will, sich dies bei der Abnahme „vorbehalten“. Diese Verpflichtung kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht abbedungen werden. Es ist lediglich zulässig, den Zeitpunkt der Vorbehaltserklärung über die Abnahme hinaus bis maximal zur Schlusszahlung hinauszuschieben. Wird eine Schlusszahlung verweigert, so muss der Vorbehalt in diesen Fällen zum Zeitpunkt der Verweigerung erklärt werden. Der Auftraggeber kann sich seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe einer entsprechenden Erklärung also nicht dadurch entziehen, dass er einfach keine Schlusszahlung erbringt oder treuwidrig die Abnahme verweigert. In letztgenanntem Fall bestehen für den Auftragnehmer verschiedene Möglichkeiten, die Abnahme bzw. deren Wirkung auf anderem Wege herbeizuführen.

Die Verpflichtung zur Vorbehaltserklärung wird durchaus streng behandelt. Das große Risiko für Auftraggeber besteht dann, wenn keine förmliche Abnahme durchgeführt wird, sondern – wie relativ häufig – nur eine konkludente oder fingierte Abnahme stattfindet. Während bei einer formellen Abnahme an entsprechende Erklärungen regelmäßig gedacht wird und diese häufig sogar als Vorgabe/Bemerkung im vorgedruckten Abnahmeprotokoll enthalten sind, kann der Auftraggeber ohne einen solchen Termin das Erfordernis der betreffenden Erklärung schnell vergessen. Vielfach ist es im Nachhinein auch relativ schwierig, den konkreten Zeitpunkt zu bestimmen, an welchem die Bauleistung als abgenommen galt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Vorbehalt erklärt worden sein.

Schadensersatz neben der Vertragsstrafe

Neben der Vertragsstrafe darf der Auftraggeber weiterhin auch einen die Vertragsstrafe überschreitenden, echten Schadensersatz wegen einer auftragnehmerseitig verschuldeten Bauzeitverzögerung geltend machen. Dies ergibt sich aus den §§ 341 Abs. 2 und 340 Abs. 2 BGB.

Der Auftraggeber ist insoweit nicht an die oben dargestellten Obergrenzen der Vertragsstrafe gebunden. Allerdings ist in diesem Fall die Vertragsstrafe auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, denn die Vertragsstrafe soll den Auftraggeber von der genauen Darstellung und Berechnung eines Schadensersatzanspruches befreien. Stellt er diesen Schadensersatzanspruch aber konkret dar, besteht kein Anlass mehr dafür, ihm daneben und zusätzlich eine Vertragsstrafe zuzusprechen.

Erschienen im April 2012 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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