Behinderung der Bauausführung Teil 3


In den letzten beiden Ausgaben hatten wir die sich aus Störungen des Bauablaufes ergebenden möglichen Ansprüche von Auftraggeber und Auftragnehmer betrachtet. Im letzten Teil wollen wir klären, was der Dachbegrüner im Einzelnen tun muss, um sich seine entsprechenden Rechte zu sichern.

I. Behinderungsanzeige

Nach § 6 Nr. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Behinderung unverzüglich und schriftlich anzuzeigen. Dabei bedeutet „unverzüglich“ ohne schuldhaftes Zögern. Je nach Art der Behinderung kann dies ein sofortiges Handeln erforderlich machen. Regelmäßig wird jedenfalls eine schriftliche Anzeige noch am selben Tag erforderlich sein.

Schon aus Beweisgründen sollte die Behinderungsanzeige in jedem Fall, also selbst dann, wenn die Geltung der VOB/B nicht vereinbart wurde, schriftlich verfasst werden. Hinsichtlich des Inhaltes ist Folgendes zu beachten:

Dem Auftraggeber soll aufgrund der Anzeige ermöglicht werden, die Situation auf der Baustelle detailliert nachzuvollziehen. Ziel der Behinderungsanzeige ist es, den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, die hindernden Umstände und deren Auswirkung auf die Erbringung der Leistungen des Auftragnehmers einzuschätzen und die Störungen – wenn möglich – zu beseitigen. Hierzu muss er erkennen können, von wem oder was die Störung ausgeht, an welcher Stelle und mit welchem Umfang diese Störung den Bauablauf beeinträchtigt und welche Teile der aktuell geplanten Arbeiten seines Auftragnehmers hierdurch in welchem Umfang (z.B. ganz oder nur teilweise) verzögert oder sogar völlig gestoppt werden.

Aufgrund des Erfordernisses, den Auftraggeber umfassend zu informierend, ist dringend zu empfehlen, eine Behinderungsanzeige mit äußerster Sorgfalt und eher zu ausführlich, als zu kurz zu formulieren. Eine Behinderungsanzeige, der der Auftraggeber die Behinderung und deren Auswirkungen nicht zweifelsfrei entnehmen kann, wird regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit ist es sinnvoll und notwendig, den Auftraggeber in Kenntnis zu setzen, wie die Erbringung der Leistungen seines Auftragnehmers zeitlich von der Störung beeinflusst wird.

Grundsätzlich ist dabei jede (neue) Behinderung gesondert und zusätzlich anzuzeigen. Auf die in § 6 in Nr. 1 VOB/IB dargestellte Möglichkeit, dass eine Behinderung „offenkundig“ ist, sollte man sich als Auftragnehmer niemals verlassen, da die Anforderungen an diese Offenkundigkeit äußerst streng sind und nur selten erfüllt werden.

II. Dokumentation der Behinderungsfolgen

Eine gut und ausführlich formulierte Behinderungsanzeige ist schon der erste Schritt zur ordentlichen Dokumentation der Behinderungsfolgen. Diese Dokumentation ist erforderlich, um einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B oder einen Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB (zur Unterscheidung und den Voraussetzungen siehe Teil 2 im vorhergehenden Heft) konkret darzulegen und beziffern zu können.

Da eine spätere Rekonstruktion äußerst schwierig, bei komplexen Bauvorhaben sogar nahezu unmöglich ist, sollte die Dokumentation der Behinderungsfolgen unverzüglich und möglichst zeitnah zum Eintreten der Behinderung, idealerweise bereits bei Fertigung der schriftlichen Behinderungsanzeige, erstellt werden.

Für den Schadensersatzanspruch muss später dargestellt und vorgerechnet werden können, in welcher finanziellen Situation der Auftragnehmer ohne die Behinderung gewesen wäre und wie sich die finanzielle Situation mit der Behinderung nunmehr darstellt. Die Differenz kann als Schadensersatz geltend gemacht werden, soweit die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.

Die Dokumentationspflichten für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruches gehen sogar noch wesentlich weiter: Da dieser Anspruch ausgehend von der (zeitlichen) Kalkulation des Auftragnehmers bei Vertragsschluss entwickelt wird, muss die Auswirkung der Behinderung auf diese Kalkulation bzw. auf die zeitlichen Kalkulationsfaktoren dokumentiert und nachvollzogen werden. Es ist darzustellen, welche einzelnen, zeitabhängigen Faktoren des betroffenen Leistungsteils sich durch die Verzögerung verändern, das heißt die eigene Kostenkalkulation – und damit den kalkulierten Preis – nachträglich erhöhen. Sind in einer Leistungsposition beispielsweise Materialkosten enthalten und erhöhen sich die Kosten für den Ankauf dieses Materials aufgrund der Bauzeitverzögerung, so erhöht sich kalkulatorisch auch der Einheitspreis dieser Position. Die Mehrkosten können als Entschädigungsforderung geltend gemacht werden. Sind – wie dies regelmäßig der Fall ist – in Einheitspreisen Allgemeine Geschäftskosten oder Baustellengemeinkosten einkalkuliert, verändern sich diese Faktoren dann, wenn sich die Gesamtbauzeit verlängert, zum Nachteil des Auftragnehmers und sind im Wege der Entschädigung auszugleichen.

Vor dem Hintergrund dieser hohen Anforderungen ist es sinnvoll und empfehlenswert, zu notieren und zu dokumentieren, welche Leistungen mit welchem Zeitansatz und welche Kapazitäten (Personal, Maschinen, Materialien etc.) hierfür eingeplant waren. Bei einer Behinderung ist sodann detailliert festzuhalten, für welchen Zeitraum die geplanten Leistungen nicht oder verlangsamt ausgeführt werden konnten und inwiefern die eingeplanten Kapazitäten deshalb ebenfalls nicht oder nur verlangsamt eingesetzt werden konnten. Angesichts dieser Anforderungen an die Dokumentation sollte sich der Auftragnehmer von vornherein fragen, ob der erforderliche Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zur Höhe der möglichen Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen steht. Fällt hierzu eine positive Entscheidung, ist jede einzelne Behinderung mit der gleichen Sorgfalt zu dokumentieren. Bei größeren Bauaufträgen, die in längeren Zeiträumen abgewickelt werden, ist die Einschaltung eines auf baubetrieblichen Fragen spezialisierten Ingenieurbüros kaum zu vermeiden.

III. Beschleunigungspflicht

Nach § 6 Nr. 3 Satz 1 VOB/B hat der Auftragnehmer alles zu tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Diese Vorschrift verlangt, was der gesunde Menschenverstand ohnehin gebietet: Ist es möglich, anstelle der eigentlich geplanten Arbeiten in einem anderen Bereich der Baustelle weiterzuarbeiten, ohne dass sich Nachteile ergeben, muss dieses selbstverständlich geschehen. Soweit möglich sind Personal, Material, Maschinen etc. umzudisponieren, um trotz der hindernden Umstände eine zeitgerechte Abwicklung des Auftrags zu gewährleisten.

Zu Maßnahmen, die zusätzliche Kosten auslösen, beispielsweise Wochenend- oder Nachtarbeit, ist der Auftragnehmer allerdings nicht verpflichtet, es sei denn ihm wird vom Auftraggeber hierzu eine eindeutige Anweisung erteilt. Ob allein die allgemeine Anweisung, Arbeiten beschleunigt auszuführen schon eine Anordnung im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B darstellt und einen zusätzlichen Vergütungsanspruch auslöst, ist von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

Aus diesem Grund muss dringend empfohlen werden, auf eindeutige und verbindliche Anweisungen des Auftraggebers zu gesondert vergütungspflichtigen Beschleunigungsmaßnahmen zu drängen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber sich nachträglich darauf zurückzieht, es habe sich lediglich um eine Anweisung zur Beschleunigung im Sinne von § 6 Nr. 3 Satz 1 VOB/B gehandelt und hierfür werde keine zusätzliche Vergütung gezahlt.

IV. Anzeige des Wegfalls der Behinderung

Häufig übersehen wird die Verpflichtung des Auftragnehmers, den Auftraggeber zu benachrichtigen, sobald die hindernden Umstände weggefallen sind (§ 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B). Gerade dieser Anzeige, welche ebenfalls unverzüglich zu erfolgen hat, ist jedoch für die Dokumentation der Behinderungsfolgen von großer Wichtigkeit. Selbstverständlich können nur für den Zeitraum, während dessen die Störung andauerte, auch Ersatzansprüche geltend gemacht werden.

V. Wiederaufnahme der Arbeiten

Gemäß § 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B hat der Auftragnehmer seine Arbeiten ohne weiteres, das heißt ohne gesonderte Aufforderung des Auftraggebers, unverzüglich, sobald die Behinderung weggefallen ist, wieder aufzunehmen. Dabei bedeutet unverzüglich, dass die Arbeitsaufnahme ohne schuldhafte Verzögerung zu erfolgen hat. Dies kann „sofort“ bedeuten, dem Auftragnehmer aber auch Tage oder Wochen Zeit lassen. Es kommt auf die Erfordernisse des Einzelfalles an. Ist eine Baustelle vollständig stillgelegt worden, ohne dass sich absehen lässt, wann eine Fortführung möglich sein wird, darf der Auftragnehmer selbstverständlich Personal, Maschinen und Material auf anderen Baustellen einsetzen und verplanen. Hierzu wird er regelmäßig aus Schadensminderungsgründen sogar verpflichtet sein. Kann die zuvor stillgelegte Baustelle dann fortgesetzt werden, muss der Auftragnehmer nicht auf seinen anderen Baustellen sofort „alles stehen und liegen lassen“. Er darf vielmehr eine ordnungsgemäße Abwicklung dieser Baustellen vornehmen, so dass ein Vorlauf von einigen Wochen zur entsprechenden Disposition von Personal, Material und Maschinen durchaus vorkommen und noch „unverzüglich“ sein kann. Der Auftragnehmer muss jedoch so schnell, wie es ihm nach den Gesamtumständen möglich ist, reagieren.

VI. Fristverlängerung

Derselbe Gedanke findet sich auch in § 6 Nr. 4 VOB/B, nach dem die Fristverlängerung, welche dem Auftragnehmer aufgrund der Behinderung eingeräumt wird, nach der Dauer der Behinderung mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten und die etwaige Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit berechnet wird. Gerade im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus und bei Dachbegrünungen kann eine Verzögerung dazu führen, dass die Arbeiten nicht mehr in derselben Vegetationsperiode, sondern beispielsweise erst im darauf folgenden Jahr erbracht werden können.

VII. Zusammenfassung

Zum Schutz vor Ansprüchen des Auftraggebers, zum Beispiel auf Vertragsstrafenzahlung oder Schadensersatz wegen verzögerter Fertigstellung, sowie um eine Bauzeitverlängerung durchsetzen zu können, genügt regelmäßig eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige und eine Beweissicherung der tatsächlich hindernden Umstände (Fotografien, schriftliche Zeugenaussagen etc.).

Sollen wegen einer Bauzeitverzögerung eigene Zahlungsansprüche verfolgt werden, empfiehlt es sich, aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten frühzeitig, das heißt schon bei bzw. kurz nach Eintritt der hindernden Umstände, einen auf das Baurecht spezialisierten Rechtsanwalt beratend hinzuzuziehen.

Erschienen im Januar 2007 bei Dach+Grün – dem Fachmagazin für Bauwerksbegrünung.

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