Behinderung – Teil 1


Behinderung – Was ist das?

Eigentlich eine einfache Frage, oder? Trotzdem fällt die Antwort häufig anders aus, je nachdem, in welchem Lager man steht. Der Auftraggeber weist Behinderungen gerne zurück, wenn er meint, damit nichts zu tun zu haben, während der Auftragnehmer jede Unpässlichkeit als Behinderung ansehen möchte. Verfehlungen des Auftragnehmers, die zu einer Verzögerung der Leistung führen, werden von beiden Seiten nicht als Behinderung im Sinne der Begrifflichkeit angesehen.

Begriff der Behinderung

Der reine Begriff der Behinderung ist jedoch erst einmal neutral. Er bezeichnet also alle Umstände, die dazu führen, dass die Auftragnehmer auf der Baustelle nicht so arbeiten können, wie sie es gerne würden oder eigentlich sollen. Wichtig für den Auftragnehmer sind aber zunächst einmal die Behinderungen, die in § 6 Nr. 2 VOB/B gemeint sind. Diese speziellen Tatbestände gewähren ihm nämlich eine Verlängerung der vertraglich vereinbarten Ausführungsfrist. Man kann die dortige Aufzählung grob so einordnen, dass der Auftragnehmer immer dann eine solche Verlängerung verlangen kann, wenn die Behinderung entweder aus dem Risikobereich des Auftraggebers stammt oder aber von keiner Partei zu verantworten ist. Eine wichtige Ausnahme macht jedoch § 6 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B: Witterungseinflüsse, mit denen bei Angebotsabgabe gerechnet werden musste, führen nicht zu einer Verlängerung der Ausführungszeit. Bei Terminvereinbarungen mit dem Auftraggeber muss jeder Auftragnehmer also beispielsweise berücksichtigen, dass es im Winter schneit und kalt ist, im Herbst stürmt und der Frühjahr eine große Zahl an Regentagen bieten kann.

Behinderungsanzeige

Um den Honig der Bauzeitverlängerung (und vielleicht sogar noch einiger anderer Ansprüche) saugen zu können, muss der Unternehmer selbst aktiv werden. § 6 Nr. 1 VOB/B, dessen Grundlagen auch im Rahmen eines BGB-Vertrages gelten, verlangt nämlich für jeden Fall einer Behinderung eine schriftliche (!) Behinderungsanzeige. Bei diesem Begriff hört man schon des Stöhnen der Auftraggeber, die eine große Masse Papier fürchten. Die Auftragnehmer ziehen sich daraufhin regelmäßig zurück in ihr Schneckenhaus und sagen oder schreiben lieber gar nichts mehr. Aus juristischer Sicht ist beides unverständlich.

Bevor Sie weiterlesen, beantworten Sie für sich einmal die Frage, wem eine Behinderungsanzeige eigentlich dient. Schreiben Sie hierzu ruhig die Gründe auf, warum Sie dieser Meinung sind. Lesen Sie dann die überraschende Antwort: Behinderungsanzeige dient dem Auftraggeberin, hier liegt kein Druckfehler vor. Entgegen einer landläufig geäußerten Ansicht soll die Behinderungsanzeige nicht etwa die Bauzeiten für den Auftragnehmer verlängern oder diesem anschließend zu einer wie auch immer gearteten Entschädigung verhelfen. Vielmehr soll der Auftraggeber in die Situation versetzt werden, schnell zu reagieren und so einen möglichst störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Bei Behinderungen aus seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt dies auf der Hand. Hier kann der Auftraggeber selbst Abhilfe schaffen. Hierzu muss er jedoch hinreichend informiert sein.

Und damit befinden wir uns mitten in der Beantwortung der Frage, welche Funktionen eine ordentlich gestaltete Behinderungsanzeige erfüllen soll:

  • Informationsfunktion: Der Auftraggeber muss überhaupt erst einmal detailliert über das der Behinderung zu Grunde liegende Problem informiert werden. Diese Information bildet die Grundlage für seine Reaktion, die zu einer schnellen Beendigung der Behinderung führen soll.
  • Warnfunktion: Dem Auftraggeber soll vor Augen geführt werden, dass mit der Behinderung ein Risiko im Hinblick auf die Bauzeit besteht. Ihm soll begreiflich werden, dass hiermit Schäden verbunden sein können, sei es in Bezug auf die eigenen Absichten mit dem Objekt (Vermietung, etc.), sei es in Bezug auf die mit der Behinderung einhergehenden Ansprüche der Auftragnehmer.
  • Schutzfunktion: Dem Auftraggeber soll die Möglichkeit gegeben werden, sich durch geeignete Maßnahmen vor den negativen Folgen einer Baubehinderung zu schützen.

Ziel ist es also, die Behinderung durch die entsprechende Information schnellstmöglich abstellen zu können und einen reibungslosen Bauablauf zu gewährleisten.

Damit sind aber auch die häufig knappen und wenig informativen Behinderungsanzeigen ad acta zu legen. Kein Auftraggeber kann mit dem Hinweis „Wir sind behindert, weil die Vorleistungen fehlen“ etwas anfangen. Stellen wir uns hierzu folgenden Fall vor:

Als unsere altbekannte Beispielsfirma Grünes Glück mit den Arbeiten zur Begrünung eines Innenhofes beginnen und den darin befindlichen Weg pflastern will, muss sie feststellen, dass die einzige Zufahrt von einem dort aufgestellten Container versperrt wird. Dieser macht es unmöglich, die Baustelle zur Materialbelieferung zu befahren. Stattdessen müssen alle Materialen per Hand auf die Baustelle verbracht werden, wodurch ein erheblicher Mehraufwand entsteht.

Weder der lapidare Hinweis „Wir kommen nicht rein“ noch der Zusatz „weil ein Container die Zufahrt versperrt“ helfen hier wirklich weiter. Die Anforderungen an eine ordentlichen Behinderungsanzeige orientieren sich eng an den zuvor beschriebenen Funktionen. Der Bundesgerichtshof (Zitatstelle) packt dies in erstaunlich wenige Worte:

Auftragnehmer hat in der Behinderungsanzeige anzugeben, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Die Behinderungsanzeige dient der Information des Auftraggebers über die Störung. Er soll gewarnt und es soll ihm die Möglichkeit gegeben werden, die Störung abzustellen.“

Übertragen auf ein konkretes Schriftstück bedeutet dies, dass regelmäßig sechs Fragen mit der Behinderungsanzeige beantwortet werden sollten:

1. Seit wann sind die Arbeiten behindert?

Hier sollte nicht nur das Datum stehen; auch die konkrete Uhrzeit ist schon aus Dokumentationszwecken wichtig.

2. Welche Arbeiten sind behindert?

Hier wird es interessant. Teilen Sie Ihrem Auftraggeber – beispielsweise anhand von Positionen des Leistungsverzeichnisses – möglichst konkret mit, welche Arbeitsschritte nicht oder nur eingeschränkt ausgeführt werden können. Erst dann kann er die Behinderung einordnen. Wenn er nämlich weiß, dass die Firma Grünes Glück gerade anliefern wollte, kann er den Schluss ziehen, dass der Container hierbei stört. Wäre das Material bereits vor Ort, käme es auf den Container in der Zufahrt nicht an.

Außerdem ist es dem Auftraggeber so möglich, eventuelle Ersatzarbeiten zu benennen, die bereits störungsfrei ausgeführt werden können. So mag es in unserem Beispiel vielleicht möglich sein, dass die im Innenhof zu verlegenden Pflastersteine auch in der bereits vorbereiteten Außenanlage Verwendung finden sollen. Nur wenn der Auftraggeber weiß, dass die Zulieferung behindert ist, kann er das Unternehmen Grünes Glück umleiten.

3. Wodurch ist die Behinderung eingetreten?

So einfach sich diese Frage anhört, so schwierig ist sie manchmal zu beantworten. Abstrakt sollen alle Tatsachen mitgeteilt werden, die zu der Behinderung geführt haben. Gemeint sind aber wirklich alle, zumindest alle wichtigen Tatsachen. Sinnvoll ist es beispielsweise, in unserem Fall nicht nur den Umstand „Container in der Zufahrt“ zu benennen, sondern dessen konkreten Standort und seine Maße, ggf. sogar die Maße der Zufahrt anzugeben.

In diesem Zusammenhang ist es durchaus sinnvoll auch den zur Durchfahrt benötigten Raum anzugeben. Der Grund liegt auch hier in dem Zweck der Behinderungsanzeige, die schnelle Beseitigung der Behinderung zu ermöglichen. Eventuell genügt es nämlich bereits, den Container um wenige Zentimeter zu verschieben. Sind die Maße dem Auftraggeber aber nicht mitgeteilt worden, wird er diese Idee gar nicht in Betracht ziehen können. Er wird stets davon ausgehen, dass eine vollständige Entfernung des Containers erforderlich ist, die er u.U. mangels Ausweichmöglichkeiten gerade nicht bewerkstelligen kann.

4. Welche Folgen treten durch die Behinderung ein?

Diese Frage steht in direkter Verbindung zur vorangegangenen Frage. Nur wenn der Auftraggeber die Folgen der Behinderung kennt, kann er reagieren. Nur dann kann er seine Entscheidungen abwägen.

Insoweit sollte man beschreiben, in welchem Umfang die eigene Leistungserbringung gestört ist. Dazu kann man sich beispielsweise an der vertraglichen Leistungsbeschreibung und den dort genannten Arbeitsschritten sowie den hierzu eingesetzten Arbeitsmitteln (Personal, Material, Maschinen) orientieren. Dementsprechend ist auszuführen, welche Arbeiter mit welcher Qualifikation und welchen Geräten und Materialien wegen der Behinderung nicht oder nur beschränkt eingesetzt werden können.

Das versetzt den Auftraggeber in die Lage, finanzielle Risiken gegeneinander abzuwägen. So mag die Versetzung des Containers Zusatzkosten von 1.000,00 EUR verursachen, die Mehrarbeit im Rahmen der manuellen Zulieferung aber nur 500,00 EUR. Zudem schlägt der Auftragnehmer hiermit zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Auftraggeber ist umfassend informiert und zugleich wird die notwendige interne Dokumentation der Behinderung für etwaige Entschädigungsansprüche erstellt.

Nehmen Sie sich deshalb Zeit für die Formulierung der Zustandsbeschreibung. Da der Bundesgerichtshof für die Durchsetzung von Schadensersatz und Entschädigung eine detaillierte, baustellenbezogene Darstellung der jeweiligen Standes der Maßnahme verlangt, müssen die Behinderung und deren Auswirkung ohnehin niedergeschrieben werden. Warum dann nicht bereits mit der Anzeige?

5. Wann hätten die Arbeiten nach dem geplanten Bauablauf durchgeführt werden sollen?

Auch diese Frage ist für die Bewertung der Behinderung relevant. War die Zulieferung eigentlich erst für den nächsten Tag vorgesehen, liegt streng genommen gar keine Behinderung vor. Hatte der Auftragnehmer die Lieferung eigentlich bereits am Vortag vorzunehmen, kann dieser Fehler der Ablaufplanung gegebenenfalls ihm selbst in die Schuhe zu schieben sein. So wichtig diese Frage ist, so sorgsam muss sie beantwortet werden. Auch hier gilt: Spätestens, wenn man Ansprüche aus der Behinderung herleiten möchte, muss man sie ohnehin beantworten.

6. Wie lange wird die Behinderung voraussichtlich andauern?

Natürlich können Sie die Dauer der Behinderung im Vorfeld höchst selten abschätzen. Wichtig ist aber, dem Auftraggeber mitzuteilen, ob Sie nach Wegfall der Behinderung eine Reaktionsfrist zur Wiederaufnahme der Arbeiten benötigen und wie diese bemessen ist, denn nach § 6 Nr. 3 VOB/B müssen Sie Ihre Arbeiten nach Wegfall der Behinderung nicht sofort, sondern nur unverzüglich, also so schnell wie möglich und zumutbar, aufnehmen. Das heißt, Ihnen verbleibt insoweit ein angemessener Vorlauf.

Das Problem

Angesichts dieser umfassenden Vorgaben an eine Behinderungsanzeige werden Sie uns fragen, ob das alles wirklich unser Ernst ist. Die Antwort ist: Ja! Wenn Ihnen die Behinderungsanzeige wirklich etwas nutzen soll, muss sie nach der Rechtsprechung möglichst detailliert gestaltet sein. Das bedeutet nicht, dass nicht möglicherweise auch eine knappere Behinderungsanzeige Wirksamkeit entfalten kann. Dann wird man aber häufig zu einem späteren Zeitpunkt den Sachverhalt genauestens nachermitteln müssen. Das gelingt nicht, wenn man keine detaillierte Dokumentation erstellt hat. Deshalb gilt: Lieber von Anfang auf Nummer Sicher gehen!

Der Adressat

Hierbei werden immer wieder Fehler gemacht. Merken Sie sich bitte, dass Behinderungsanzeigen – wie auch Bedenkenanmeldungen – regelmäßig direkt an den Auftraggeber selbst versendet werden sollten. Der Architekt des Bauherrn ist grundsätzlich weder Adressat noch Empfangsbote für den Auftraggeber. In vielen Fällen ist der Architekt selbst für die Behinderung (mit-)verantwortlich, etwa weil er den Bau nicht ordentlich koordiniert hat. Seine Motivation, Behinderungsanzeigen an den Bauherrn weiterzuleiten wird daher denkbar gering sein.

Also noch mal: Die Behinderungsanzeige ist dem Auftraggeber persönlich zuzuleiten. Sinnvollerweise sollte der Architekt natürlich eine Kopie erhalten. Ausnahmefälle sollten im Unternehmen auf Grund der bestehenden Risiken selbst dann nicht zugelassen werden, wenn der Auftraggeber ausdrücklich um ausschließliche Übergabe an den Architekten bittet. Bitte beachten Sie, dass eine dem falschen Adressaten zugegangene Behinderungsanzeige keine Rechtswirkungen entfaltet.

Warnung vor der Offenkundigkeit

Immer wieder kommen Mandanten mit Behinderungsfällen und antworten auf die Frage, warum keine Behinderungsanzeige vorliegt: „Also, diese Behinderung war doch wirklich offenkundig.“ Was sich viele nicht vor Augen führen: Nur in seltenen Fällen liegt eine echte Offenkundigkeit vor. Der Auftraggeber muss nämlich so informiert sein, wie er es durch die Behinderungsanzeige gewesen wäre. Er muss also bereits umfänglich über sämtliche Tatsachengrundlagen unterrichtet sein, die zu der Behinderung geführt haben. Zudem muss er die Auswirkung der Behinderungstatsachen auf den Bauablauf erkannt haben. Zumindest müssen sie sich ihm so aufgedrängt haben, dass ein Rückschluss für ihn zwingend gewesen ist, er also nahezu darauf gestoßen wird. Dies alles muss der Auftragnehmer im Falle des Bestreitens auch noch beweisen. Ob ihm dies gelingen wird ist fraglich.

Der Rückschluss sollte klar sein: Dann lieber doch eine Behinderungsanzeige!

Noch ein Tipp

Die Behinderungsanzeige geben Sie bitte stets schriftlich ab. Niemand verbietet Ihnen aber, mit dem Auftraggeber oder dem Architekten parallel dazu in telefonischen Kontakt zu treten und ihm die Anzeige nochmals zu erläutern. Das kann helfen, Missverständnisse auszuräumen.

Erschienen im Juli 2008 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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