Behinderung – was ist das?


Was sich genau hinter dem Begriff „Behinderung“ verbirgt, ist im Gesetz bzw. der VOB/B nicht direkt geregelt. Eine Definition, wonach eine Behinderung dann gegeben ist, wenn bestimmte Umstände vorliegen, findet sich nirgendwo.

Aus dem Aufbau und der Gliederung der VOB/B und insbesondere dem Text des § 6 lässt sich aber ableiten, dass es sich um Umstände handelt, welche den Auftragnehmer in zeitlicher Hinsicht in der ordnungsgemäßen Ausführung seiner Leistungen stören. Eine Behinderung auf Auftraggeberseite wird es also niemals geben.

Die VOB/B definiert die Behinderung über deren Folgen für die am Bau Beteiligten, insbesondere den Auftragnehmer.

Berücksichtigungsfähiger Umstand – Risikozuweisung

Nach § 6 Abs. 2 VOB/B werden Ausführungsfristen (nur) dann verlängert, wenn die Behinderung durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers, durch Streik (oder Ähnliches), durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände verursacht wird.

Eine Behinderung kann also durchaus auch aus dem Risikobereich des Auftragnehmers kommen. Auch wenn in diesem Fall per Definition eine Behinderung vorliegt, kann der Auftragnehmer sich für die Einhaltung seiner Bauzeiten hierauf nicht berufen. Als klassisches Beispiel hierfür kann § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B gelten, wonach Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebotes normalerweise gerechnet werden musste, schon nicht als Behinderung gelten.

Diese Vorschrift gibt schon eine erste Hilfe dafür, was im Zusammenhang mit Behinderungen in den Risikobereich des Auftragnehmers fällt. Dass sind regelmäßig die Umstände, mit denen der Auftragnehmer bei Abgabe des Angebotes normalerweise rechnen muss. Neben dem gerade für den Landschaftsgärtner wesentlichen Wetter und den Jahreszeiten können dies beispielsweise auch die saisonbedingt begrenzte Verfügbarkeit von Materialien oder die in bestimmten Gebieten üblicherweise zu erwartenden Bodenverhältnisse sein.

Es ist auch möglich, eine entsprechende Risikozuweisung im Vertrag vorzunehmen. Wird dort in hinreichend klarer und eindeutiger Weise auf bestimmte Umstände und Probleme, beispielsweise stark eingeschränkte Zufahrtsmöglichkeiten, hingewiesen, so kann und muss der Auftragnehmer dies im Rahmen der Absprache seines Fertigstellungstermins einplanen und berücksichtigen. Derartige Umstände können dann später nicht zur Begründung einer Behinderung herangezogen werden.

Kontrolle vertraglicher Regelungen
Allerdings unterliegen derartige vertragliche Regelungen einer Kontrolle nach den gesetzlichen Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die bei Auftraggebern beliebten, allgemeinen Hinweise darauf, dass aufgrund einer Vielzahl von auf der Baustelle tätigen Unternehmen mit Störungen der Leistungen zu rechnen sei, werden für eine rechtswirksame Risikozuweisung an den Auftragnehmer regelmäßig nicht ausreichend sein. Wir werden das Thema der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Behinderungstatbeständen aber noch ausführlicher in einer anderen Ausgabe behandeln.

Rein vorsorglich sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Einordnung eines Umstandes in den Risikobereich des Auftraggebers nicht bedeutet, dass dieser schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben muss. Es kommt sehr häufig vor, dass auch der Auftraggeber keine Verantwortung für die Behinderung hat. Wird beispielsweise ein Vorunternehmer mit seinen Arbeiten nicht rechtzeitig fertig, so kann man in den seltensten Fällen den Bauherrn hierfür verantwortlich machen. Dennoch fällt dieses Problem in den Risikobereich des Auftraggebers, so dass in solchen Situationen eine Behinderung vorliegt, welche zu einer Verlängerung der Fertigstellungsfristen führen kann.

Gerne wird von Auftraggeberseite übersehen, dass auch Leistungsänderungen und zusätzliche Leistungen, klassischerweise zusammengefasst unter dem Begriff „Nachträge“, regelmäßig in der Risikosphäre des Auftraggebers liegende Umstände sind, welche den Auftragnehmer in der (zeitlich) ordnungsgemäßen Ausführung seiner Leistungen stören. Es sollte eigentlich auf der Hand liegen, dass erhebliche Mehrmengen oder die Ausführung erheblicher zusätzlicher Arbeiten oder eine nachträglich geforderte, qualitativ höherwertige Ausführung (z.B. die Verarbeitung oktagonaler Natursteine anstelle von genormtem Betonsteinpflaster) nahezu zwingend zu einer zeitlichen Verzögerung gegenüber der ursprünglich geplanten Bauzeit führen.

Umgekehrt wird in diesem Zusammenhang von Auftragnehmerseite gerne übersehen, dass auch derartige Umstände, wenn sie denn als Behinderung berücksichtigungsfähig sein sollen, grundsätzlich Gegenstand einer Behinderungsanzeige sein müssen.

Streik und höhere Gewalt

Der Tatbestand eines Streiks oder einer Aussperrung hat in der Baupraxis des Landschaftsgärtners nur eine völlig untergeordnete Bedeutung. Vor dem Hintergrund der arbeitsrechtlichen Implikationen wird in den seltensten Fällen Streit darüber bestehen, ob dieser Umstand gegeben ist oder nicht.

Dasselbe gilt für Behinderungen durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände. In der Praxis neigen Auftragnehmer dazu, derartige Umstände recht schnell anzunehmen, um hiermit die – eigentlich in ihrer Risikosphäre liegende – Bauzeitverzögerung als Behinderung zu etikettieren und eine verlängerte Bauzeit zu fordern.

Tatsächlich sind die Hürden für das Vorliegen von höherer Gewalt oder ähnlichen Umständen aber extrem hoch. Es muss sich um ein von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis handeln, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann. Hierzu gehören Krieg, Erdbeben oder unvorhersehbare Überschwemmungen. Dies bedeutet, dass das bei uns in Köln in Abständen von mehreren Jahren regelmäßig auftretende Rheinhochwasser schon nicht mehr als ein solcher Umstand gewertet werden könnte.

Verzögerter Baubeginn

Gerne wird übersehen, dass auch ein verzögerter Baubeginn dann, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VOB/B vorliegen, eine Behinderung darstellen kann.

Selbst wenn dies im Einzelfall überflüssig erscheinen sollte, spricht vieles dafür, auch in dieser Situation rein vorsorglich eine formell ordnungsgemäße Behinderungsanzeige zu machen. Der Sinn und Zweck einer solchen Anzeige, welchen wir in der kommenden Ausgabe näher erläutern werden, kann dies nämlich auch in dem eigentlichen offenkundigen Fall eines vollständig verzögerten Baubeginns erforderlich machen.

Unterbrechung

Die in § 6 Abs. 5 VOB/B geregelte Unterbrechung der Bauausführung stellt im Ergebnis nur eine besonders schwere Form der Behinderung dar, für die dann in einzelner Hinsicht besondere Regelungen gelten.

Auch insoweit sollte man sich jedoch immer vor Augen halten, dass regelmäßig auch die weiteren Voraussetzungen des oben dargestellten § 6 Abs. 2 VOB/B vorliegen müssen, nämlich dass die Unterbrechung aus einem der dort dargestellten Umstände herrühren muss. Ebenso empfiehlt es sich, bei einer Unterbrechung auch eine formell ordnungsgemäße Behinderungsanzeige zu machen.

Nicht mehr als Behinderung zu qualifizieren und dementsprechend auch nicht mehr unter die Vorschriften des § 6 VOB/B fallend ist eine endgültige Unmöglichkeit der Fertigstellung der vertraglichen Leistungen, egal aus welchen Umständen diese Situation letztlich herrührt.

BGB-Vertrag

Auch wenn das Bürgerliche Gesetzbuch keine den Vorschriften des § 6 VOB/B entsprechenden Regelungen kennt, sind diese nach gefestigter Rechtsprechung auch ohne Einbeziehung der VOB/B entsprechend anwendbar. Dies ergibt sich aus der bauvertraglichen Kooperationspflicht und letztlich aus Treu und Glauben. Die einzige Abweichung liegt darin, dass im BGB-Werkvertrag eine Behinderungsanzeige nicht unbedingt schriftlich erfolgen muss. Schon aus Beweiszwecken kann dem Landschaftsgärtner aber nur dringend empfohlen werden, auch ohne Einbeziehung der VOB/B sämtliche sich hieraus für ihn ergebenden Pflichten immer penibel zu beachten.

Behinderungsanzeige

Weitere Voraussetzung dafür, dass die berücksichtigungsfähige Behinderung auch tatsächlich zu einer Verlängerung der Ausführungsfristen führt, ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Behinderungsanzeige.

Hiermit werden wir uns in der nächsten Ausgabe näher beschäftigen.

Erschienen im August 2011 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

Bußmann & Feckler PartmbB · Rechtsanwälte und Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht
Pierstraße 1 · 50997 Köln · Tel.: 02236-92987-0 · Fax: 02236-92987-20 · rechtsanwaelte@bussmann-feckler.de