Behinderungen nach VOB/B 2006 Teil 1


Der Unternehmer des Garten- und Landschaftsbaues, der die Kosten eines konkretes Bauvorhabens regelmäßig nach der prognostizierten Bauzeit kalkuliert, steht bei Behinderungen vor einem Problem: Jeder Tag, der die Bauzeit außerplanmäßig verlängert, schmälert den Gewinn oder maximiert im schlechtesten Fall den Verlust. Nach der Neufassung der VOB/B kann sich der Auftragnehmer nun auf § 642 BGB berufen, um eine Entschädigung zu fordern. Welche Voraussetzungen dazu erfüllt sein müssen, erläutern die Rechtsanwälte André Bußmann und Klaus Feckler.

Verzögerungen, die in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers fallen, können verständlicherweise nicht auf den Auftraggeber abgewälzt werden. Auch Verzögerungen, die keiner Partei zuzuordnen sind, können einen Mehrkostenanspruch des Auftragnehmers nicht begründen. Nur für die Fälle, in denen der Auftraggeber eine Behinderung „zu vertreten“ hat, gibt § 6 Nr. 6 VOB/B dem Auftragnehmer einen Anspruch auf Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens.

Rechtliche Voraussetzung ist zunächst, dass der betroffene Auftragnehmer die Behinderung ordnungsgemäß nach § 6 Nr. 1 VOB/B angezeigt hat oder diese für den Auftraggeber offenkundig war. Auf letztere Situation sollte man sich allerdings nie verlassen. Sodann muss der Auftraggeber die Behinderung „zu vertreten“ haben. Was das bedeutet, regelt § 276 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Dem Auftraggeber muss ein Verschulden, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden können. Vorsatz beschreibt dabei ein bewusstes Handeln, während Fahrlässigkeit bereits vorliegt, wenn lediglich die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird.

Nun gibt es Fälle, in denen das Vertretenmüssen des Auftraggebers auf der Hand liegt. Legt der Auftraggeber ihm bereits vorliegende Pläne, die der Auftragnehmer zur Ausführung seiner Leistungen zwingend benötigt, nicht rechtzeitig vor, handelt er zumindest fahrlässig, wenn er erkennen kann, dass der Auftragnehmer ohne diese Pläne nicht weiterarbeiten kann. Entstünde eine Bauzeitverzögerung auf diese Weise, wäre sie vom Auftraggeber zu vertreten.

Disput um Vor- und Nachfolgeunternehmer

Leider ist die Sachlage in der Realität selten derartig eindeutig. Die häufigsten Fälle einer Bauzeitverzögerung entstehen dadurch, dass ein ebenfalls vom Auftraggeber beauftragter anderer Unternehmer, der so genannte „Vorunternehmer“, seine Leistungen verspätet fertig stellt und der Galabauunternehmer deshalb warten muss. Im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus tritt dieses Problem beispielsweise dann auf, wenn der Dachdecker nicht rechtzeitig fertig wird und der Dachbegrüner deshalb mit seinem Auftrag nicht beginnen kann. In diesen Fällen wird man dem Auftraggeber nur selten eigenen Vorsatz oder eigene Fahrlässigkeit nachweisen können.

Die Rechtsprechung hat sich in zahlreichen Urteilen damit auseinandergesetzt, ob sich der Auftraggeber in dieser Konstellation ein etwaiges Verschulden des Vorunternehmers zurechnen lassen muss. Dies käme dann in Betracht, wenn der Vorunternehmer ein so genannter „Erfüllungsgehilfe“ des Auftraggebers wäre. § 278 BGB bestimmt nämlich, dass der potentielle Schuldner, hier also der Auftraggeber, ein Verschulden der Personen, derer er sich zur Erfüllung einer Verbindlichkeit bedient, ebenso zu vertreten hat, wie ein eigenes Verschulden.

Die Justiz streitet nun seit geraumer Zeit darüber, ob sich der Auftraggeber, indem er sich eines Vorunternehmers bedient, eine Verbindlichkeit gegenüber dem auf diesen Leistungen aufbauenden Nachfolgeunternehmer erfüllt.

Dafür spräche, dass der Auftraggeber jedem Auftragnehmer, also auch dem Nachfolgeunternehmer, eine zur Ausführung bereite Baustelle überlassen muss. Wenn er sich zur Vorbereitung dieses Baufeldes eines Vorunternehmers bedient, müsste dieser doch eigentlich im Verhältnis zum Nachfolgeunternehmer Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers sein.

Entscheidung des BGH

Diese Argumentation lehnt jedoch vor allem der Bundesgerichtshof (BGH) rigoros ab. Er begründet dies damit, dass es Unternehmern in der Bauwirklichkeit bekannt sei, dass ein Auftraggeber viele verschiedene Auftragnehmer einsetzt. Der Auftraggeber wolle sich außerdem gegenüber dem Nachfolgeunternehmer regelmäßig nicht selbst zur pünktlichen Erfüllung der notwendigen Vorarbeiten verpflichten. Daher sei der Vorunternehmer auch nicht als Erfüllungsgehilfe in die Vertragsbeziehung zwischen Auftraggeber und Nachfolgeunternehmer einbezogen. Auch wenn diese Argumentation leicht konstruiert wirkt, wird man mit ihr zu leben haben, da der BGH in zivilrechtlichen Streitigkeiten „das letzte Wort hat“. Die Konsequenz ist, dass der Auftraggeber sich das Verschulden eines von ihm eingesetzten Vorunternehmers an einer Bauzeitverzögerung gegenüber dem Nachfolgeunternehmer nicht zurechnen lassen muss. Ein Anspruch des Auftragnehmers nach § 6 Nr. 6 VOB/B auf Ersatz des entstandenen Schadens scheidet damit aus.

Entschädigung durch VOB/B 2006 möglich

Der neu in die VOB/B 2006 eingefügte § 6 Nr. 6 Satz 2 VOB/B verweist jedoch darauf, dass der Nachfolgeunternehmer auch in den Vorunternehmerfällen nicht schutzlos ist. Die Neufassung sieht nämlich vor, dass sich der Auftragnehmer auf § 642 BGB berufen kann, der kein Verschulden voraussetzt. Ergänzend betont die Neuregelung Selbstverständliches: Auch ein Vorgehen nach § 642 BGB setzt voraus, dass die fragliche Behinderung in ausreichender Art und Weise angezeigt wurde oder offenkundig war.

Nach § 642 BGB kann der Auftragnehmer dann eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn für die Herstellung des Werkes eine Mitwirkungshandlung des Auftraggebers erforderlich ist, der Auftraggeber diese Handlung aber unterlässt und dadurch in einen so genannten Annahmeverzug gerät.

Die Handlung, die vom Auftraggeber verlangt wird und verlangt werden kann, ist das pünktliche zur Verfügung stellen eines bearbeitungsfähigen Baugrundes. Dadurch, dass der Auftraggeber das Baufeld wegen der Verzögerungen des Vorunternehmers nicht pünktlich übergeben kann, unterlässt er diese Handlung. Da es bei § 642 BGB auf ein Vertretenmüssen nicht ankommt, stellt sich die oben zu § 6 Nr. 6 VOB/B beantwortete Frage, ob sich der Auftraggeber ein Verschulden seines Vorunternehmers zurechnen lassen muss, innerhalb dieser Norm nicht.

Stattdessen muss sich der Auftraggeber in einem so genannten Annahmeverzug befinden. § 293 BGB regelt hierzu, dass der Gläubiger einer Leistung dann in Annahmeverzug kommt, wenn er eine ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Ganz wichtig ist also, dass der von der Behinderung betroffene Galabauunternehmer nicht nur die Behinderung anzeigt, sondern auch seine Arbeitsleistung ausdrücklich anbietet. Erst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Auftragnehmer eine „angemessene Entschädigung“ verlangen.

Anders als beim Schadensersatz nach § 6 Nr. 6 VOB/B, knüpft diese Entschädigung nicht an einen tatsächlich entstandenen Schaden an. Vielmehr bestimmt § 642 Abs. 2 BGB, dass sich die Höhe der Entschädigung nach folgenden zwei Punkten richtet: Zum einen nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, zum anderen nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen spart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Grundlage der Entschädigung ist folglich die eigene Urkalkulation des Auftragnehmers, die zeitabhängig zu bewerten ist. Vereinfacht bedeutet dies, die für die geplante Bauzeit kalkulierten, zeitabhängigen Kosten für die eingetretenen Behinderungszeiten werden fortgeschrieben.

Schwierigkeiten tauchen meist auf, weil der BGH eine detaillierte, vollständige und lückenlose Darstellung des kalkulierten Bauablaufs auf der einen und des tatsächlichen Bauablaufs auf der anderen Seite verlangt. Fehlt es an einer ausreichenden Dokumentation, ist eine nachträgliche Rekonstruktion kaum noch möglich. Zudem gestaltet sich die Berechnung der Entschädigung im Einzelfall als äußerst kompliziert. Im Zweifel ist zu empfehlen, ein spezialisiertes Ingenieurbüro hinzuzuziehen.

Übrigens: Der neu eingeführte § 6 Nr. 6 Satz 2 VOB/B entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, der bereits seit 1999 die Möglichkeit anerkennt, § 642 BGB neben § 6 Nr. 6 VOB/B anzuwenden. Da auch diese Rechtsprechung in der Rechtsliteratur teilweise angegriffen wurde, sah der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss die Notwendigkeit, § 6 Nr. 6 VOB/B um einen klarstellenden zweiten Satz zu ergänzen.

Erschienen im September 2006 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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