Wenn bei Überlassung der Mietsache nicht mit einem behördlichen Einschreiten zu rechnen war, handelt es sich um einen nachträglichen Mangel.
Der Mieter muss beweisen, dass ein derartiger Mangel vom Vermieter zu verschulden ist, sofern nicht feststeht, dass er aus dessen Herrschaftsbereich stammt.
OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2019 – 18 U 145/16 (nicht rechtskräftig)
BGB §§ 536 Abs. 1, 536a Abs. 1, 537, 581 Abs. 2
Problem/Sachverhalt
Am 16.07.2005 pachtet der Kläger eine zuvor von den Verpächtern errichtete Schweinemastanlage. Nach mehreren Jahren beanstandungsfreier Nutzung kommt es im Frühjahr 2009 zu Problemen mit der Belüftungsanlage. Der Pächter lässt daraufhin die Servicetüren länger offen stehen, wodurch es zu Geruchsbelästigungen der Anwohner kommt. Im August untersagt die Genehmigungsbehörde aufgrund der Geruchsbelästigung die weitere Nutzung gegenüber dem Pächter. Dieser stellt die Pachtzahlungen ein und räumt das Objekt. Er fordert Schadensersatz für entgangenen Gewinn aus der vorzeitig beendeten Schweinemast. Die beklagten Verpächter fordern widerklagend rückständige Pachtzahlungen bis zum regulären Ende der Pachtzeit.
Entscheidung
Die Klage wird abgewiesen, der Widerklage weitgehend stattgegeben.
Zwar liegt in der behördlichen Nutzungsuntersagung wegen der Probleme mit der Belüftungsanlage (und somit dem Zustand des Pachtobjekts) ein Sachmangel. Nachdem unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Beweiserhebung (u.a. durch Sachverständigengutachten) zum Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung im Jahr 2005 nicht mit einem derartigen behördlichen Einschreiten zu rechnen war, handelte es sich jedoch um einen nachträglichen Mangel im Sinne von § 536a Abs. 1, 2. Alt. BGB, weshalb dem Kläger als Pächter der Nachweis oblag, dass die Verpächter diesen zu verschulden hatten (BGH, Urteil vom 22.10.2008 – XII ZR 148/06). Der Pächter hatte diesen Nachweis nicht erbracht, weil die Nutzungsuntersagung ebenso auf eigenem Fehlverhalten bei der Bedienung der Anlage durch den Kläger beruhen konnte.
Dass die Nutzungsuntersagung auch aufgrund anderer, strittiger Mängel der Belüftungsanlage, beispielsweise einer unzureichenden Notbelüftung, ergangen wäre, konnte der Pächter ebenfalls nicht beweisen. Davon, dass der Pächter allein wegen des letztgenannten, nicht mit einer unmittelbaren, erheblichen Gefahr verbundenen Mangels die Nutzung und den Betrieb der Schweinemastanlage aufgegeben hätte, war unter Berücksichtigung des Sachverhalts und des Verhaltens des Pächters nicht auszugehen. Ebenso wenig lag ein Verzug der Verpächter mit der Beseitigung eines Mangels vor.
Nachdem der Pächter eine Verantwortlichkeit der Verpächter für die Nutzungsuntersagung nicht bewiesen hatte, schuldete er die vertraglich vereinbarte Pacht, die lediglich aufgrund der im Verantwortungsbereich der Verpächter liegenden, unzureichenden Notbelüftung um 10 % gemindert war.
Praxishinweis
Grundsätzlich liegt ein hierauf gestützter Sachmangel erst dann vor, wenn der Mieter in seinem vertragsgemäßen Gebrauch tatsächlich eingeschränkt wird, weil die Behörde die Nutzung rechtswirksam oder unanfechtbar untersagt hat (BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15; Urteil vom 20.11.2013 – XII ZR 77/12; Urteil vom 16.09.2009 – VIII ZR 275/08). Dies war vorliegend bei der Überlassung des Mietobjekts – noch – nicht der Fall.