Das gespaltene Verhältnis zum Lieferanten – Teil 3


Vergessene Mängelanzeigen – was nun?

Wir haben in der vergangenen Ausgabe herausgearbeitet, dass es für den Unternehmer des Garten- und Landschaftsbaus von nahezu existenzieller Wichtigkeit ist, die von ihm bezogene Ware umgehend zu untersuchen und sich zeigende Mängel sofort zu rügen. Damit sollte dem leider weit verbreiteten Vorgehen, noch nicht benötigte Waren zunächst keines Blickes zu würdigen und sie seitlich zu lagern, eine deutliche Absage erteilt sein.

Dennoch werden viele Betriebe auch weiterhin keine Untersuchung vornehmen. Wenn der wegen Mängeln angefragte Lieferant in solchen Fällen lapidar auf die Versäumung der Rügefristen des § 377 HGB verweist, bleibt nur noch die Hoffnung auf eine Ausnahmesituation. Einige solcher Ausnahmefälle wollen wir nachfolgend behandeln:

Fehlende Untersuchung und verdeckte Mängel

Stellen wir uns vor, die Firma Grünes Glück hat eine Plattenlieferung erhalten, die sie nicht untersucht. Sie baut die Platten schlussendlich als Garagenzufahrt ein und verlässt das Grundstück nach erfolgter Abnahme. Einige Zeit später zeigt sich, dass die Platten Risse aufweisen, die auf einem Produktionsfehler beruhen. Nachdem dies von Seiten des Auftraggebers mitgeteilt wurde, rügt die Firma Grünes Glück den Umstand unverzüglich gegenüber ihrem Lieferanten. Dieser wendet ein, die Firma Grünes Glück könne Mängel nicht mehr geltend machen, da sie keine Überprüfung vorgenommen habe, als die Ware abgeliefert worden sei. Die Grünes Glück GmbH wehrt sich damit, ihr hätte der Fehler bei der erforderlichen Untersuchungsmaßnahme gar nicht auffallen können. Ein Sachverständiger stellt fest, dass dies zutrifft.

Nach § 377 Abs. 1 HGB ist die Ware zwar unverzüglich nach der Ablieferung zu untersuchen; eine Anzeige an den Verkäufer hat aber nur dann zu erfolgen, wenn sich bei dieser Untersuchung ein Mangel zeigt. Hätte die Firma Grünes Glück vorliegend eine Untersuchung angestrengt, wäre ihr der nunmehr aufgetretene Mangel jedoch gar nicht aufgefallen. Insofern kann man festhalten, dass die fehlende Untersuchung gar nicht ursächlich dafür war, dass keine frühere Mängelanzeige erfolgt ist. Eine Rüge hätte die Firma Grünes Glück vielmehr auch dann nicht vornehmen können, wenn sie ihrer Untersuchungspflicht nachgekommen wäre.

§ 377 Abs. 2 HGB knüpft den Verlust der Mängelrechte nicht an eine unterlassene Untersuchung, sondern an eine unterlassene Mängelanzeige. Daher hat die Rechtsprechung bereits frühzeitig entschieden, dass sich der Lieferant dann nicht auf eine fehlende Untersuchung berufen kann, wenn der Mangel bei ihr ohnehin nicht entdeckt worden und demnach auch keine Mängelanzeige erfolgt wäre.

Zeigt sich der Mangel jedoch später, so muss der Käufer der Ware den auftretenden Mangel unverzüglich rügen (§ 377 Abs. 3 HGB). Dies ist vorliegend durch die Firma Grünes Glück auch geschehen. Durch die rechtzeitige Anzeige des entdeckten Mangels hat sie richtig reagiert und kann innerhalb der Verjährungsfrist weiterhin gegen ihren Lieferanten vorgehen.

Als erstes Teilergebnis können wir also festhalten, dass Mängel unabhängig davon, ob und wann eine Untersuchung erfolgt ist, unbedingt sofort gegenüber dem Lieferanten zu rügen sind. Dem Garten- und Landschaftsbauer kann insoweit nur empfohlen werden, die Frage, ob der Mangel bei einer früheren Untersuchung erkennbar gewesen wäre oder nicht, zunächst in den Hintergrund zu stellen. Wichtig ist, dass der Lieferant möglichst schnell informiert wird. Erst dann stellt sich die Frage, ob die Mängelrechte gegebenenfalls wegen einer vergessenen Rüge nach § 377 Abs. 1 HGB bereits erloschen sind. Bleiben Zweifel, ob der fragliche Mangel im Rahmen der Überprüfung nach Anlieferung erkannt worden wäre, macht es durchaus Sinn, sich die dadurch gebende Chance zu wahren.

Noch besser sieht die Situation für den Garten- und Landschaftsbauer dann aus, wenn sich positiv ausschließen lässt, dass der Mangel bei einer Erstuntersuchung erkennbar geworden wäre. Dann ist es nur noch wichtig, dass der Mangel unverzüglich nach dem Entdecken dem Lieferanten mitgeteilt worden ist.

Zum Teil verdeckte Mängel

In vielen Fällen mag die Situation nicht so eindeutig sein. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein offensichtlicher Mangel mangels rechtzeitiger Untersuchung nicht gerügt wird, sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt noch ein zusätzlicher, verdeckter Mangel zeigt, der auch bei rechtzeitiger Untersuchung nicht festgestellt worden wäre.

Es stellt sich die Frage, wie damit umzugehen ist. Entscheidungen zu diesem Problemkreis sind – soweit ersichtlich – nur vereinzelt ergangen. Man wird jedoch sagen können, dass der Lieferant zumindest den verdeckten – und damit nicht verspätet gerügten – Mangel beseitigen muss. Wenn der Mangel nur durch eine Neulieferung beseitigt werden kann und damit auch der ursprünglich sichtbare und nicht gerügte Mangel beseitigt wird, kann nach diesseitiger Ansicht der Lieferant eine Neulieferung dennoch nicht ablehnen. In besonderen Fallkonstellationen mag jedoch eine Mitverantwortlichkeit des Käufers nach § 254 BGB gegeben sein, was zu einer Kostenteilung nach Quoten führen kann.

Arglistig verschwiegene Mängel

Auch hier soll ein Beispielsfall die Situation näher illustrieren: Wiederum bestellt die Grünes Glück GmbH bei dem Lieferanten Betonpflastersteine. Dieser beginnt mit der Produktion und stellt die Pflastersteine schlussendlich zum Transport bereit. Hierbei fällt einem Mitarbeiter einer der Steine zu Boden und zerfällt in 1000 Kleinstteile. Wäre der Stein ordnungsgemäß produziert worden, hätte er eigentlich bei dieser geringen Fallhöhe keinen Schaden nehmen dürfen. Der Lieferant, der selbst erheblich unter Druck steht, entschließt sich jedoch, darauf zu vertrauen, dass der Firma Grünes Glück der Schaden nicht auffallen wird. Er liefert die Charge aus und wartet. Die Firma Grünes Glück, welche die Steine nicht sofort verwenden kann, lagert diese seitlich. Nach geraumer Zeit beginnt sie mit der Verlegung. Als ein Mitarbeiter einen Stein zuschneiden will, zerfällt dieser sofort. Die Firma Grünes Glück meldet den Umstand sofort an den Lieferanten, jedoch sind bereits zwei Monate seit Ablieferung vergangen. Der Lieferant weist daher sämtliche Mängelrechte unter Hinweis auf § 377 HGB zurück.

Auch hier scheint die Lage zunächst aussichtslos zu sein: Die Grünes Glück GmbH hat eine Lieferung erhalten und diese nicht unverzüglich untersucht. Hätte sie dies getan – hiervon wollen wir einmal ausgehen -, wäre ihr der Produktionsmangel sicherlich sofort aufgefallen. Tatsächlich wird eine Rüge zwei Monate nach Anlieferung regelmäßig verspätet sein.

Allerdings stellt sich sofort ein Störgefühl ein: Schließlich hat der Lieferant die Auslieferung in Kenntnis der Mangelhaftigkeit der Ware veranlasst. Er hat sogar gezielt darauf gehofft, dass der Mangel von Seiten der Firma Grünes Glück nicht fristgerecht erkannt wird. Für solche Fälle sieht § 377 Abs. 5 HGB eine Sonderregelung vor. Hat nämlich der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf Verstöße gegen die Rügepflichten des § 377 HGB nicht berufen. Weiß der Verkäufer oder rechnet er damit, dass ein Fehler besteht und weiß er oder rechnet er damit, dass der Käufer ihn nicht erkennt, so ist diese Arglist anzunehmen. Damit kann sich der Lieferant in unserem Beispielsfall nicht mit dem Hinweis auf fehlende rechtzeitige Mängelrüge aus der Haftung winden. Er hat vielmehr jegliches Recht verspielt, sich darauf zu berufen.

Sonderfall: Kauf nach Probe

Zum Abschluss sollte noch ein spezieller Sonderfall, der insbesondere in Bereichen des Sportplatzbaus häufiger auftritt, behandelt werden: Die Firma Grünes Glück soll einen Sportplatz herstellen und benötigt hierfür große Mengen güteüberwachten Schotters, der die Eignung zur Verwendung im Bereich des Sportplatzbaus besitzt. Um dies sicherzustellen, verlangt sie von dem Lieferanten die Anlieferung eines Probesattels, aus welchem sie zur Untersuchung geeignete Proben entnimmt. Diese übersendet sie an ein Prüflabor, welches feststellt, dass das Schottermaterial geeignet ist. Sodann fordert die Firma Grünes Glück vom Lieferanten die Lieferung des weiteren benötigten Schotters gemäß Probe. Versehentlich entnimmt der Lieferant den weiteren Schotter an einer anderen Stelle der Lagerstätte. Ohne dass ihm Arglist vorgeworfen werden kann, liefert er deshalb nunmehr ein ungeeignetes Material. Die Grünes Glück GmbH, welche schließlich die Probelieferung bereits untersucht hatte, prüft die nachfolgenden Lieferungen nicht mehr. Erst nach Ablauf einiger Monate stellt sich heraus, dass der gelieferte Schotter ungeeignet war. Dies zeigt die Firma Grünes Glück unverzüglich ihrem Lieferanten an, der sich auf § 377 HGB beruft.

Unterstellen wir, dass im Rahmen einer Untersuchung die Mängel der weiteren Lieferungen erkannt worden wären, stellt sich die Frage, ob eine solche Untersuchung überhaupt „tunlich“ im Sinne des § 377 Abs. 1 HGB gewesen wäre. Entscheidend hierbei ist, dass bei einem Kauf nach Probe die tatsächlich relevante Lieferung erst nach der Probelieferung erfolgt. Deshalb besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Untersuchung der Probe alleine nicht ausreichend ist. Insbesondere die „Hauptlieferung“ muss untersucht werden. Hierbei festgestellte Mängel sind unverzüglich anzuzeigen. Geschieht dies nicht, läuft der Unternehmer Gefahr, sämtliche Mängelrechte gem. § 377 Abs. 1 i.V.m. § 377 Abs. 2 HGB zu verlieren.

Daher gilt: Auch dann, wenn ein Unternehmen zunächst eine Probelieferung erhält, muss es zusätzlich die nachfolgende Hauptlieferung unverzüglich untersuchen und sich zeigende Mängel ebenso unverzüglich rügen. Geschieht dies nicht, droht auch hier der umfassende Verlust der Mängelrechte.

Fazit:

Die im Garten- und Landschaftsbau weit verbreitete Praxis fehlender oder unzureichender Untersuchungen gelieferter Materialien birgt extrem Risiken. Auch wenn in speziellen Einzelfällen die Möglichkeit besteht, verspäteten Rügen abzuhelfen, wird der GaLaBauer seinen Baustellenbetrieb so einrichten müssen, dass eine Untersuchung der gelieferten Ware zeitnah erfolgt. Dem Argument, dass hierdurch Arbeitszeit verloren geht und Mehrkosten entstehen, muss man entgegenhalten, dass ihm durch eine Verletzung der Überprüfungs- und Rügepflichten weitaus größere Schäden drohen. Dann kann es nämlich passieren, dass er im Falle eines Materialmangels seinem Kunden zwar volle Mängelbeseitigung schuldet, jedoch keinen Rückgriff auf den Lieferanten nehmen kann.

Erschienen im März 2008 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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