Der Grundsatz der fachgleichen Begutachtung gilt auch in Bauprozessen


Es gilt – jedenfalls bei der Feststellung von Leistungsdefiziten, also insbesondere bei Mängeln – der Grundsatz der fachgleichen Begutachtung.
OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 29.11.2023 – 4 U 126/22 § 404 ZPO

Problem/Sachverhalt
Ein Landschaftsgärtner soll eine Terrasse mit großformatigen Keramikplatten belegen. Die Parteien geraten in Streit über die korrekte Verlegung dieser Platten und über Farbunterschiede der Platten zueinander sowie über die Ausführung von Pflasterschnitten. Das Landgericht beauftragt für die Begutachtung einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Die Klägerin sah hierin bereits in der Vorinstanz einen Auswahlfehler des Gerichts und forderte die Beauftragung eines Sachverständigen mit dem Bestellungsgebiet des Fliesenlegerhandwerks.

Entscheidung
Der Senat folgte dieser Ansicht der Klägerin nicht. Er führte aus, dass auch im Bauvertragsrecht jedenfalls bei der Feststellung von Leistungsdefiziten, insbesondere also bei Mängeln, der Grundsatz der „fachgleichen Begutachtung“ zu beachten sei. Dabei sei zwingend ein Sachverständiger auszuwählen, der das Bestellungsgebiet des vor Ort tätigen und seitens des Auftraggebers mit der Vertragsausführung beauftragten Gewerks bekleide. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass in unterschiedlichen, grundsätzlich zur Begutachtung in Betracht kommenden Fachbereichen unterschiedliche Standards gelten. Habe sich der Auftraggeber dann – wie hier – für einen Betrieb des Garten- und Landschaftsbaus entschieden und diesem die Leistungen übertragen, müsse auch ein Sachverständiger aus diesem Bereich gewählt werden, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass im Fliesenlegerhandwerk andere Standards anzusetzen seien. Ein insofern falsch ausgewählter Sachverständiger könnte dann einen Standard zugrunde legen, der nach dem Vertragsinhalt nicht geschuldet gewesen sei.

Praxishinweis
Das OLG berief sich in seinem Hinweisbeschluss auf den insbesondere in medizinrechtlichen Fällen verbreiteten Grundsatz der fachgleichen Begutachtung (BGH, Beschluss vom 8.11.2016 – VI ZR 512/15; OLG Dresden, Urteil vom 30.07.2019 – 4 U 510/17). Danach ist bei der Beauftragung eines Sachverständigen auf dasjenige Fachgebiet abzustellen, in das die maßgebliche Behandlung fiel. Im Bauprozess, in welchem häufig mehrere Gewerke und Fachgebiete aufeinandertreffen, ist die Beurteilungsproblematik regelmäßig deckungsgleich. Sachgerecht kann diese nur gelöst werden, wenn ein Gleichlauf zwischen dem maßgeblichen Gesamtgewerk und dem Bestellungsgebiet des Sachverständigen besteht. Eine Grenze wird man jedoch da ziehen müssen, wo ein Gewerk Leistungen übernimmt, die diesem schlechterdings nicht zuzurechnen sind (z.B. der Elektriker auch Malerarbeiten durchführt).

Erschienen Januar 2024 bei ibr-online. IMR im Internet.

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