Die gestellte Sicherheit
In Teil 1 der Serie haben wir den § 648a BGB im Einzelnen kennen gelernt und herausgestellt, unter welchen Umständen eine Sicherheit nach dieser Vorschrift verlangt werden kann. Auch die einzuhaltenden Förmlichkeiten wurden aufgezeigt. Teil 2 handelte davon, was geschieht, wenn die Sicherheit trotz ordnungsgemäßer Anforderung nicht gestellt wird. Im dritten und letzten Teil wollen wir nun erörtern, worauf zu achten ist, wenn die Sicherheit tatsächlich einmal gestellt wird, was leider selten genug der Fall ist.
Untersuchung der Sicherheit
Obwohl § 648a BGB in Verbindung mit § 232 BGB zahlreiche Formen möglicher Sicherheiten vorsieht, stellen die Auftraggeber in der Praxis doch vor allem Bürgschaften. So einfach und unproblematisch dies klingt, so schwierig kann die Beurteilung einer tauglichen Sicherheit in der Praxis sein. Dies liegt daran, dass § 648a BGB feste Vorgaben dazu macht, wie eine als Sicherheit geleistete Bürgschaft auszugestalten ist, von denen in aller Regel nicht abgewichen werden darf.
Keine Bürgschaft auf erstes Anfordern
So regelt § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB, dass der Bürge Zahlungen an den Auftragnehmer nur leisten darf, wenn und soweit der Besteller die Forderung entweder anerkannt hat oder er durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung verurteilt wurde. Viele Banken machen sich hierüber herzlich wenig Gedanken und greifen relativ stumpf zu althergebrachten Mustern, gerne auch zu Bürgschaften auf erstes Anfordern. Solche beinhalten, dass der Bürge bereits dann zahlen muss, wenn der Auftragnehmer ihn hierzu einmalig auffordert. Ein Anerkenntnis oder Urteil muss er insofern nicht vorlegen. Einwendungen gegen die Inanspruchnahme können seitens des Bürgen zudem nur in sehr begrenztem Umfang geltend gemacht werden. Eigentlich könnte sich der Auftragnehmer über eine derartige Ausweitung der Sicherheit nun freuen. Er hat dann aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Einen Anspruch hat er nämlich nur auf eine Sicherheit, die den in § 648a BGB beschriebenen Regeln folgt. Da dies bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht der Fall ist, erlangt er damit etwas, das er in der Art und Weise nicht beanspruchen durfte. Das aber kann dazu führen, dass die Sicherheit zurückzugeben ist. Nach § 812 BGB ist – verkürzt gesagt – zurückzugewähren, was ohne Rechtsgrund erlangt wurde. Für eine Bürgschaft auf erstes Anfordern jedenfalls bietet § 648a BGB keinen Rechtsgrund. Damit steht der Auftragnehmer, der zuvor noch von einem vollständig abgesicherten Vertragsverhältnis ausging, plötzlich mit leeren Händen da. Muss er selbst keine Leistungen mehr erbringen, kann er nicht einmal mehr eine „neue“ Sicherheit nach § 648a BGB fordern.
Keine zeitliche Befristung
Ebenfalls ein beliebter Trick ist es, die Bürgschaft zeitlich zu befristen. Eine solche Sicherheit sollte unbedingt zurückgewiesen werden, da die erhebliche Gefahr besteht, wegen Verfristung nicht mehr aus der Bürgschaft vorgehen zu können. Wir erinnern uns: Voraussetzung, um den Bürgen, d.h. die Bank oder Versicherung, in Anspruch nehmen zu können, ist entweder ein Anerkenntnis oder ein vorläufig vollstreckbares Urteil. Erkennt der Auftraggeber also nicht an, wird man den u.U. langwierigen Weg eines Gerichtsverfahrens zur Erwirkung eines Urteils auf sich nehmen müssen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der ersten Instanz ist die in der Bürgschaft angegebene Frist regelmäßig abgelaufen, die Sicherheit also weggefallen. Aus diesem Grund sollten Auftragnehmer keinesfalls eine befristete Sicherheit akzeptieren.
Keine Konzernbürgschaften
Gerade in letzter Zeit tauchen vermehrt Bürgschaften auf, worin als Bürge eine Konzernmuttergesellschaft fungiert. Es stellt sich die Frage, wie hiermit umzugehen ist bzw. ob eine solche Sicherheit akzeptiert werden muss. Obwohl sich die Rechtsliteratur eingehend mit diesem Thema beschäftigt hat, ist eine eindeutige Beantwortung derzeit nicht möglich. Es besteht jedoch eine starke Tendenz, dass derartige Konzernbürgschaften zurückgewiesen werden dürfen. Nur dies entspricht auch dem Zweck des § 648a BGB. Dieser soll eine taugliche Sicherheit für den Fall des Ausfalls, d.h. regelmäßig der Insolvenz des Schuldners ermöglichen. Bei Banken und Versicherungen wird man – trotz negativer Pressemeldungen der letzten Zeit – mit einiger Sicherheit von deren Solvenz ausgehen können. Anders liegt es bei übergeordneten Muttergesellschaften. Diese sind vor Insolvenzen ebenso wenig geschützt, wie jedes andere Unternehmen. Zudem grenzt § 648a Abs. 2 BGB ausdrücklich den Bürgenkreis ein, indem von Kreditinstituten und Kreditversicherungen gesprochen wird. Konzerne oder verbundene Gesellschaften und Unternehmen werden nicht erwähnt. Daher sollten auch Konzernbürgschaften zurückgewiesen werden.
Vorsicht bei Garantien
Besonders heikel, da rechtlich relativ unerforscht, sind zudem die ebenfalls zur Sicherung taugenden „Garantien oder sonstigen Zahlungsversprechen“, soweit sie nicht in Form einer Bürgschaft gewährt werden. Grundsätzlich ist es den Banken und Kreditversicherern unbenommen, einen derartigen Weg zu wählen. Dadurch aber, dass keine festen Vorgaben existieren, sehen diese Zahlungsversprechen von Fall zu Fall anders aus. Nicht selten wird versucht, eine Formulierung zu wählen, mit welcher „garantiert“ wird, dass ein gewisser Kredit für das fragliche Bauvorhaben gewährt wurde. Dies genügt jedoch nicht, da nicht feststeht, ob dieser Kredit seitens des Auftraggebers möglicherweise bereits vollständig aufgebraucht wurde. Die Bestätigung, dass aus dem Kredit eine gewisse Summe noch nicht abgerufen wurde, reicht ebenfalls nicht aus. Auch hier ist nicht sicher, dass dieser Kreditteil schließlich tatsächlich dem konkreten Auftragnehmer zugute kommt.
Entscheidend für den Wert einer Garantie oder eines Zahlungsversprechens ist, dass sich daraus ein eigener, unmittelbarer Anspruch gegen den Kreditversicherer oder die Bank ableiten lässt. Dies ist bei einer Bestätigung einer Kredithöhe gewiss nicht der Fall. Hier lohnt es sich, den Text genau zu analysieren oder analysieren zu lassen und hartnäckig zu bleiben. Nicht selten wird versucht, durch immer neue Formulierungen die Pflichten des Garanten einzuschränken. Das Interesse der Kreditgeber ist es dabei, sich keinesfalls über die gewährte Kredithöhe hinaus zu verpflichten. Hier gilt es, einen langen Atem zu bewahren und eine Formulierung zu fordern, die eine eigene Verpflichtung des Kreditversicherers oder des Kreditinstituts bis zur vollen Höhe des Sicherungsbetrages hinreichend deutlich erkennen lässt.
Vielfach wird eine Garantie auch dahingehend beschränkt, dass eine Auszahlung zugesichert wird, solange und soweit das Darlehen noch werthaltig sei. Dies ist für den Auftragnehmer jedoch weder überprüfbar, noch sollte es von ihm akzeptiert werden. Da Darlehen regelmäßig maximal die geplante/kalkulierte Bausumme abdecken, besteht die Gefahr, dass spätestens am Ende der Maßnahme keine Werthaltigkeit mehr gegeben ist. Die Garantie ist dann ebenfalls nichts mehr wert.
Freigabepflicht
Ist die Sicherheit in ausreichender Art gestellt, entbindet dies den Auftraggeber nicht von der Verpflichtung, fällige Rechnungen – beispielsweise Abschlagsrechnungen – zu bezahlen. Damit verringert sich die noch verbleibende Vergütung, die der Auftragnehmer für das Bauvorhaben wird verlangen können. Stellen wir uns einen Dachbegrüner vor, der Begrünungsarbeiten im Wert von 1,0 Mio. EUR durchführen soll. Er verlangt eine Sicherheit über 1,1 Mio. EUR und erhält diese. Nach mehreren Abschlagszahlungen des Auftraggebers reduziert sich der voraussichtlich noch zu leistende Restbetrag auf nunmehr noch 200.000,00 EUR. Es fällt sofort auf, dass hier ein deutliches Missverhältnis entstanden ist. Der Dachbegrüner ist weiterhin mit 1,1 Mio. EUR für eine voraussichtliche Forderung von 200.000,00 EUR gesichert. Dies wäre tatsächlich übertrieben.
Aus diesen Gründen gebietet es bereits die Fairness, die Sicherheit bis auf einen Restbetrag freizugeben, der der noch offenen Restsumme zzgl. 10 % für etwaige Nebenforderungen entspricht. Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist der Auftragnehmer zu einer solchen Freigabe auch rechtlich verpflichtet. Die Freigabeerklärung sollte gegenüber dem Bürgen und – nachrichtlich – gegenüber dem Auftraggeber erfolgen. Hierbei ist aus Auftragnehmersicht zwingend darauf zu achten, dass keine zu hohen Summen freigegeben werden. Er muss stets im Blick behalten, dass die noch auf den Auftraggeber zukommende Restvergütungspflicht abgesichert bleibt.
Nebenpflicht: Kostenübernahme
So mancher Auftragnehmer wird sich wundern: Kostenlos gibt es die Sicherheit nämlich nicht. Während bei Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheiten stets derjenige die Kosten trägt, der sie stellt, ist dies bei der Sicherheit nach § 648a BGB grundlegend anders. Hier nämlich muss der Auftragnehmer die Kosten der Sicherheit gegenüber dem Auftraggeber ausgleichen. Dies gilt aber nur bis zu einem Maximalbetrag von 2 % der gesicherten Summe pro Jahr der notwendigen Vorhaltung der Sicherheit.
Bei der Rechnungslegung durch den Auftraggeber ist allerdings Vorsicht geboten. Gerne werden für den Zeitraum, in dem die Bürgschaft dem Auftragnehmer vorlag, pauschal 2% abgerechnet. Da es sich jedoch um einen Maximalbetrag handelt und der Auftragnehmer lediglich die tatsächlich entstandenen Kosten der Sicherheit zu tragen hat, sollte man hier die Vorlage von Nachweisen und Belegen, beispielsweise der bürgenden Bank, verlangen. Vielfach liegen die tatsächlichen Kosten der Sicherheit nämlich unter 2% und der Auftraggeber versucht nur, sich in diesem Zusammenhang einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen.
Bei der Zeitdauer, für die der Auftragnehmer die Kosten der Sicherheit zu tragen hat, ist eine weitere Besonderheit von großer Wichtigkeit: § 648a Abs. 3 Satz 2 BGB betont nämlich ausdrücklich, dass dann keine Kostenübernahmepflicht mehr besteht, wenn der Auftraggeber die fälligen Zahlungsansprüche aufgrund letztlich unbegründeter Einwendungen nicht begleicht und nur deshalb die Sicherheit aufrecht erhalten werden musste.
Da die Kosten der Sicherheit abhängig vom Bauvolumen durchaus erheblich sein können, sollte sich der Dachbegrüner überlegen, ob er das gesamte Vertragsvolumen absichern lässt oder ob er sich zunächst mit einem Teilbetrag zufrieden gibt und nur dann, wenn sich eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens oder der wirtschaftlichen Situation des Auftraggebers abzeichnet, einen weiteren Sicherungsbetrag nachfordert.
Realisierung einer Sicherheit
Wie bereits erörtert, sind Banken und Versicherungen, die sich für den geschuldeten Betrag verbürgt bzw. eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen abgegeben haben, nur unter zwei – alternativen – Voraussetzungen zur Zahlung verpflichtet.
Die erste Variante liegt vor, wenn der Auftraggeber den Werklohnanspruch des Auftragnehmers ausdrücklich anerkennt. Dies kommt so gut wie nie vor. Insofern genügt die Rückübersendung einer geprüften Schlussrechnung noch nicht für ein taugliches Anerkenntnis. Es bedarf vielmehr einer weitergehenden rechtsverbindlichen Äußerung.
Liegt indes – wie häufig – kein Anerkenntnis vor, muss der Bürge den Bürgschaftsbetrag erst dann auszahlen, wenn der Auftraggeber durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden ist und die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Zwangsvollstreckung begonnen werden darf (§ 648 a Absatz 2 Satz 2 BGB). Es ist also vielfach unumgänglich, einen Prozess zuführen, um an das geschuldete Geld heranzukommen.
Im häufigsten Fall, in dem die Sicherheit nach § 648a BGB realisiert werden muss, nämlich der Insolvenz des Auftraggebers, ergibt sich jedoch eine erfreuliche Erleichterung. Nach § 178 Absatz 3 der Insolvenzordnung (InsO) wirkt nämlich die Feststellung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Diese Rechtskraftwirkung schlägt auch auf § 648a BGB durch. Wird der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt, hat dies gegenüber dem Bürgen die gleiche Wirkung wir das erforderliche, vorläufig vollstreckbare Urteil. Die Bank oder Versicherung, welche eine Bürgschaft als Bauhandwerkersicherung gestellt hat, ist also aufgrund des Tabelleneintrages verpflichtet, den Bürgschaftsbetrag auszahlen. Eines aufwändigen Gerichtsverfahrens bedarf es dann nicht mehr.
Verjährungsprobleme
Der Auftragnehmer ist gut beraten, Ansprüche aus der Sicherheit gegenüber dem Bürgen oder dem sonstigen Dritten zeitnah geltend zu machen. Ein Vorgehen aus einer Bürgschaft ist grundsätzlich schon ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit des gesicherten Anspruchs möglich. Wie bereits festgestellt wurde, verlangt § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB darüber hinaus das Vorliegen einer weiteren Bedingung. Dort bedarf es zusätzlich zur Fälligkeit des (Haupt-)Anspruchs noch eines Anerkenntnisses oder eines vorläufig vollstreckbaren Urteils. Letzteres liegt zumindest nach Beendigung der ersten Instanz eines Gerichtsverfahrens vor. Nun mag es sein, dass der Auftraggeber gegen dieses Urteil Berufung, später sogar vielleicht Revision einlegt. In sicherungstechnischer Hinsicht ist dabei Vorsicht geboten.
Hierzu folgendes Beispiel: Ein Dachbegrüner, der durch eine Bürgschaft nach § 648a BGB abgesichert ist, verklagt seinen Auftraggeber und gewinnt schließlich in allen drei Instanzen. Das erstinstanzliche Urteil ergeht am 11.02.2008, vor dem BGH gewinnt er erst im Jahre 2013. Er wendet sich an den Bürgen, der Verjährung einwendet. Dieser Fall ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden. Nach der Fassung des § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB kann man jedoch davon ausgehen, dass die Fälligkeit des Anspruchs gegen den Bürgen mit dem vorläufig vollstreckbaren Urteil entsteht. Das wäre hier der 11.02.2008 gewesen. Die Verjährung richtet sich nach allgemeinen Regeln, sodass sie nach §§ 195, 199 BGB Ende 2008 beginnt und von diesem Zeitpunkt an drei Jahre läuft. Mit Ablauf des 31.12.2011 könnte also Verjährung eingetreten sein. Wie erwähnt, existieren hierzu noch keine Urteile, jedoch muss jedem Auftragnehmer aus Sicherheitsgründen empfohlen werden, die Verjährungsfristen nach dem ersten vorläufig vollstreckbaren Urteil zu berechnen, will er später keinen Verlust erleiden.
Fazit:
Richtig angewandt gibt § 648a BGB dem Auftragnehmer eine gute Möglichkeit, sich vor Forderungsausfällen durch die Insolvenz seines Auftraggebers zu schützen. Insbesondere der Dachbegrüner, dessen Leistungen sich häufig durch hohen Materialeinsatz und geringe Bauzeiten auszeichnen, sollte über eine solche Sicherheit nachdenken, hat er doch häufig die Maßnahme vor Fälligkeit der ersten Abschlagsrechnung bereits beendet. Entscheidet er sich für die Anforderung einer Sicherheit nach § 648a BGB muss er nicht nur die Formalien kennen, die ihm eine solche Sicherheit oder die möglichen Reaktionsmittel bei Nichtstellung verschaffen. Er muss vielmehr stets wachsam sein, welchen Schritt er als nächstes plant.
Trotz allem darf insoweit eines nicht vergessen werden: Der Auftraggeber wird durch die Stellung einer Sicherheit nicht selten erheblich belastet. Häufig ergeben sich durch die Bereitschaft zu Verhandlungen Alternativen zur Stellung dieser Sicherheit, die die Interessen von Auftragnehmer und Auftraggeber angemessen berücksichtigen und mehr Raum für ein ansonsten störungsfreies Verhältnis während der Baumaßnahme lassen. Hierfür sollte der Dachbegrüner stets offen sein.
Erschienen im April 2008 bei Dach+Grün – dem Fachmagazin für Bauwerksbegrünung