Die Baumpflege aus juristischer Sicht


Das Thema Baumpflege wird im Rechtsalltag zumeist parallel zum Themenbereich „Verkehrssicherungspflicht“ behandelt. Und tatsächlich stellt die Verkehrsicherung einen der wichtigsten Teilaspekte der Baumpflege dar, zumindest aber den in der rechtlichen Auseinandersetzung mit diesem Themenkreis bedeutendsten.

Interessanterweise zählt die Baumpflege wie auch sonstige vegetationstechnische Arbeiten juristisch gesehen im weitesten Sinne zu den „Bauleistungen“, zumindest dann, wenn es nach den Begrifflichkeiten der VOB geht. Es findet für diese Leistungen nämlich zunächst einmal die Fachnorm der VOB/C ATV DIN 18320 – Landschaftsbauarbeiten Anwendung. Diese verweist für die Pflegeleistungen der Entwicklungs- und Unterhaltungspflege auf die DIN 18919, welche wiederum die ZTV-Baumpflege der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) in Bezug nimmt. Letztgenannte Norm liegt aktuell in einer überarbeiteten Fassung des Jahres 2006 vor.

Regeln der Technik

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist nun, dass dieses FLL-Regelwerk die aktuellen Regeln der Technik bildet. Dies ist jedoch nicht vollständig korrekt. Man muss vielmehr etwas spitzfindig an die Sache herangehen: Technologien verändern sich nicht zu feststellbaren, exakten Zeitpunkten, sondern eher durchgängig und fließend. Folglich verändern sich auch die anerkannten Regeln der Technik durch fortschreitende Erfahrungen und Entwicklungen fast ohne Unterlass. Die einzelnen Regelwerke – ob es nun die der FLL oder die der DIN sind – können nur versuchen, den Stand der Technik zum Zeitpunkt ihres Erscheinens wiederzugeben. Was zukünftig geschehen wird, lässt sich gerade in diesen Bereichen kaum prognostizieren. Juristisch gesehen ist in diesen Werken damit nur die so genannte widerlegbare Vermutung begründet, dass die dort verzeichneten Verfahren den aktuellen Regeln der Technik entsprechen. Es ist demnach möglich, dass etwa ein gerichtlich bestellter Sachverständiger feststellt, dass die anerkannten Regeln der Technik mittlerweile über die Festschreibungen in den Regelwerken hinausgehen. Dann ist von den ausführenden Betrieben tatsächlich mehr zu fordern, als dies in den Fachnormen hinterlegt ist.

Verkehrssicherung

Legen wir zunächst einmal die zuvor genannte ZTV Baumpflege zu Grunde, fällt auf, dass diese an mehreren Stellen die Wichtigkeit der Verkehrssicherung bzw. der damit zusammenhängenden Leistungen erwähnt. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei einem Baum um einen lebenden, ständigen Veränderungen unterworfenen Organismus handelt, verändern sich dort auch die einzelnen Gefahrensituationen. Diese gilt es herauszufinden, weswegen der erste Schritt einer ordnungsgemäßen Ausführung der Verkehrssicherung die Untersuchung der betroffenen Bäume ist. Dies betont die ZTV Baumpflege bereits unter Abschnitt 1.2.3. Hiernach sollen Bäume im Rahmen der Verkehrssicherung auf etwa notwendige Pflegemaßnahmen in regelmäßigen Abständen untersucht werden. Der später folgende Abschnitt 3.2.7 schreibt die Kontrolle nochmals fest. Beide Normen verweisen für Einzelheiten auf die Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen (Baumkontrollrichtlinie) der FLL, die aktuell in der Ausgabe des Jahres 2004 vorliegt.

Besichtigung

Die Gerichte und die genannte Richtlinie gehen zunächst einmal dahingehend konform, dass eine regelmäßige Besichtigung der betroffenen Bäume zu erfolgen hat. Ein grundlegendes Urteil hierzu hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1965 gesprochen (Urteil vom 21.01.1965, Az.: III ZR 217/63). Er hat insofern betont, dass niemand erwarten kann, dass die Gefahr, die zweifelsohne von Bäumen ausgeht, stets und in jedem Fall gänzlich zu beseitigen ist. Es ist jedoch eine regelmäßige Überprüfung durchzuführen, die geeignet ist, Gefahrenstellen zu erkennen und entsprechend zu eliminieren. Diese Überprüfung – so stellte der Bundesgerichtshof ausdrücklich fest – müsse nicht etwa durch Forstbeamte mit Spezialerfahrung durchgeführt werden. Ebensowenig müsse der Baum in Jahresabständen bestiegen werden. Auch Untersuchungen des Bauminneren könnten unterbleiben, solange keine entsprechenden Anhaltspunkte für Schäden oder Krankheiten vorlägen. Es sei vielmehr (lediglich) eine eingehende und sorgfältige äußere Besichtigung durchzuführen. Das Gericht hat jedoch bereits klar gestellt, dass diese Besichtigung den gesamten Baum erfassen und sich auch auf den Stammfuß bis zum Erdboden beziehen müsse.

Auf dieser Rechtsprechung bauen bis heute nahezu sämtliche Entscheidungen der mit dieser Problematik befassten Gerichte auf.

Zeitabstände

Eine besonders heikle Frage ist jedoch, in welchen zeitlichen Abständen die der Verkehrssicherungspflicht unterliegenden Bäume zu besichtigen bzw. zu überprüfen sind. Die Baumkontrollrichtlinie weist in Abschnitt 4.3.2.2 Regelintervalle von einem bis zu drei Jahren – je nach Alter und Schadensgeneigtheit des Baumes – aus. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Die Gerichte berufen sich bislang zumeist nicht auf die Baumkontrollrichtlinie sondern auf das „Visual Tree Assessment“ (VTA-Methode) und legen weitaus kürzere Fristen fest. So hat das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 04.02.2003, Az. 9 U 144/02, ausdrücklich ausgesprochen, dass die Sichtprüfungen mindestens zweimal jährlich, jeweils einmal in belaubtem und einmal in unbelaubtem Zustand zu erfolgen haben. Der Bundesgerichtshof hat bislang ausdrücklich offen gelassen (zuletzt mit Urteil vom 04.03.2004, Az.: III ZR 225/03), ob auch er von dem Erfordernis einer zweimal jährlichen Kontrolle ausgehen wird. Zumindest aber die Oberlandesgerichte Düsseldorf und Brandenburg sowie eine Vielzahl juristischer Kommentatoren folgen dem Oberlandesgericht Hamm. Da die ZTV Baumpflege wie auch die Baumkontrollrichtlinie kein bindendes Recht, sondern allenfalls eine Vermutung für den Stand der Technik darstellen, ist deshalb nach derzeitigem Stand dringend Vorsicht geboten.

Auch die aktuellste Rechtsprechung scheint diese Vorsicht zu bestätigen. Obwohl die Baumkontrollrichtlinie im Jahre 2004 entwickelt und veröffentlicht wurde, ist sie im gerichtlichen Alltag offenbar noch nicht angelangt. So beruft sich das Landgericht Arnsberg in seinem im letzten Jahr ergangenen Urteil vom 07.04.2006, Az.: 2 O 233/04, noch auf die VTA-Methode und betont die Notwendigkeit der zweifachen Besichtigung innerhalb eines Jahres. Unsere Empfehlung an die ausführenden Betriebe kann daher nur lauten, zwei Kontrollgänge pro Jahr durchzuführen. Geschieht dies nicht, besteht das Risiko, im Falle eines Schadenseintritts in die Haftung genommen zu werden.

Weitere Untersuchungen

Im Einzelfall können sogar weitere Kontrolluntersuchungen notwendig werden. Neben den Regelkontrollen sind nämlich besondere Kontrollgänge dann durchzuführen, wenn extreme Witterungsereignisse aufgetreten sind, also etwa Orkane, Eisregen, etc., und Baumschäden oder besondere Risiken zu erwarten sind.

Nochmals: Diese Regelkontrollen oder die besonderen Kontrollen nach einschlägigen Ereignissen stellen reine, wenn auch eingehende Sichtkontrollen dar. Weitergehende Untersuchungen haben erst dann zu erfolgen, wenn die Regelkontrollen Schäden befürchten lassen oder Zweifel über die Verkehrssicherheit bestehen. Es müssen also Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits mit seinem Urteil vom 21.01.1965 festgestellt und dürfte mittlerweile als gefestigte Rechtsprechung gelten. Interessant ist dabei für den Unternehmer, dass derartige zusätzliche Maßnahmen nach der ZTV-Baumpflege, dort Abschnitt 4.2.22, als besondere Leistungen anzusehen sind, also eine gesonderte Vergütung für deren Ausführung verlangt werden kann.

Dokumentation

Eines wird stets von besonderer Wichtigkeit sein, nämlich die gründliche Dokumentation der jeweiligen Maßnahme. Unabhängig davon, ob eine Regelkontrolle oder eine besondere Untersuchung durchgeführt wird, ist diese zeitnah und erschöpfend nach Umfang und Ergebnis zu dokumentieren. Diese Dokumentation dient nicht nur einem späteren Nachweis. Sie soll insbesondere die Entwicklung des Baumes festhalten und widerspiegeln. Nur so lassen sich negative Veränderungen nachvollziehen, was schließlich zu einer leichteren Prognoseentscheidung bezüglich weiterer Maßnahmen führen kann.

Maßnahmen

Wird als Konsequenz durchgeführter Überprüfungen schließlich festgestellt (und dokumentiert), dass besondere Maßnahmen zu erfolgen haben, um Dritte vor Schäden zu bewahren, sind einige Fallstricke zu beachten. Man kann nämlich nicht davon ausgehen, dass eine beispielsweise notwendige Fällung ohne weiteres durchgeführt werden kann. So ist z.B. eine aufgrund von Baumschutzsatzungen etc. eventuell erforderliche Fällgenehmigung vorher einzuholen. Auch gesetzlich geregelte Zeiten für den Baumschnitt sind grundsätzlich zu beachten. Etwas anderes kann sicherlich bei Gefahr im Verzug angenommen werden.

Sollte es zu Baumfällungen oder Baumschnitten, etwa Krönungsschnitten, kommen, ist weiter zu beachten, dass der mit diesen Arbeiten betraute Unternehmer seine Baustelle ordnungsgemäß durch Hinweisschilder und Absperrungen absichern muss. Versäumt er dies und kommt ein Dritter, z.B. durch herabfallende Äste, zu Schaden, ist der Unternehmer in aller Regel schadensersatzpflichtig.

Abschließend ist noch auf folgenden, für den planenden und beratenden Betrieb im Hinblick auf auszuführende Baumpflanzungen relevanten Aspekt hinzuweisen: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 27.10.1994, Az.: 18 U 70/94, entschieden, dass allein die Auswahl der Baumart noch nicht zu einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht führt. Dies gilt selbst dann, wenn die Möglichkeit von Schäden Dritter allein durch die Art des Baumes leichter möglich erscheint, etwa weil der Baum anfälliger für Krankheiten ist. Hieraus könnte allenfalls eine erhöhte Kontrollverpflichtung erwachsen.

Erschienen im Juli/August 2007 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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