Die freie Kündigung


Vom Angebot zur Mängelhaftung – die Abwicklung eines Bauvorhabens

Im Regelfall wird ein Bauvertragsverhältnis durch eine Fertigstellung des Bauvorhabens, eine Abnahme und Schlussabrechnung und schließlich durch den Ablauf der Gewährleistungsfristen beendet.

Leider gibt es aber immer wieder Situationen, in denen das Vertragsverhältnis vorzeitig und einseitig durch eine Kündigung beendet wird oder sogar beendet werden muss. Die verschiedenen Möglichkeiten dieser Art der Vertragsbeendigung wollen wir in den nächsten Ausgaben näher beleuchten. Wir beginnen mit der so genannten „freien“ Kündigung.

Was heißt das: Frei?

Verträge sind einzuhalten und können nachträglich nicht einseitig geändert werden. Nur wenn beide Vertragsparteien damit einverstanden sind, können die vorherigen, verbindlichen Vereinbarungen geändert oder aufgehoben werden.

Von diesem Grundsatz deutschen Rechts gibt es nur begrenzte Ausnahmen. Insbesondere dann, wenn ein Vertragspartner seine vertraglich geschuldeten Leistungen gar nicht oder nicht ordnungsgemäß (das heißt beispielsweise nicht rechtzeitig oder in mangelhafter Art und Weise) erfüllt, kann sich der andere Vertragspartner möglicherweise vorzeitig von dem Vertrag lösen. Es bedarf hierfür aber regelmäßig eines irgendwie gearteten, wichtigen Grundes.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für so genannte Dauerschuldverhältnisse, deren Geltungsdauer zunächst auf unbestimmte Zeit angelegt ist. Hierzu zählt beispielsweise die Anmietung einer Wohnung. Hier hat der Mieter das Recht, das Mietvertragsverhältnis ordentlich und ohne Angabe von (wichtigen) Gründen zu kündigen und hiermit nach Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden. Eine solche Kündigung ohne (wichtigen) rechtlich berücksichtigungsfähigen Grund, die letztlich also aus Lust und Laune heraus erfolgen kann, nennt man eine freie Kündigung.

Eine weitere Ausnahme besteht bei Werkverträgen, zu denen auch der Bauvertrag zählt. Nach § 649 BGB und dem nahezu wortgleichen § 8 Nr. 1 VOB/B existiert die Möglichkeit, auch dieses Vertragsverhältnis ohne besondere rechtliche Gründe zu kündigen. Auch diese Kündigung ist „frei“, da keine Gründe für sie vorliegen müssen.

Allerdings gilt dieses Recht nur für den Auftraggeber, nicht jedoch für den Auftragnehmer. Zur Begründung wird angeführt, dass der Auftraggeber ein höher zu bewertendes Interesse an einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses haben kann, welches gegenüber den – regelmäßig auf finanzielle Aspekte beschränkten – Interessen des Auftragnehmers an der Fortführung überwiegen soll.

Man kann über den Sinn oder Unsinn dieser Bewertungen trefflich streiten. Im Ergebnis ist die Rechtslage eindeutig: nur der Auftraggeber von Bauleistungen kann das Vertragsverhältnis ohne (wichtigen) Grund frei kündigen.

Kündigung des Auftragnehmer?

Wie ist es dann aber zu bewerten, wenn ein Auftragnehmer von Bauleistungen das Vertragsverhältnis dennoch frei und ohne wichtigen Grund kündigt?

Rechtlich ist eine solche Kündigung zunächst ohne Wirkungen und Folgen. Das Vertragsverhältnis besteht unabhängig hiervon ungekündigt fort. Allerdings kann eine zu Unrecht ausgesprochene freie Kündigung oder auch eine außerordentliche Kündigung, für welche die Gründe fehlen, einen schweren Vertragsverstoß des Auftragnehmers darstellen. Dieser bringt hiermit nämlich zum Ausdruck, dass er in rechtlich nicht gedeckter Weise beabsichtigt, seine weiterhin bestehenden vertraglichen Verpflichtungen zukünftig nicht mehr einzuhalten. Dementsprechend kann eine solche unberechtigte (freie) Kündigung des Auftragnehmers den Auftraggeber seinerseits dazu berechtigen, das Bauvertragsverhältnis außerordentlich und aus wichtigem Grunde zu kündigen.

Schon aus diesem Grund sollte der Auftragnehmer von Bauleistungen mit derartigen Erklärungen äußerst vorsichtig sein.

Folgen der freien Kündigung

Wie oben bereits angedeutet, werden bei einer freien auftraggeberseitigen Kündigung die wirtschaftlichen Interessen des Auftragnehmers gewahrt. Nach § 649 Satz 2 BGB und § 8 Nr. 1 Abs. 2 BGB steht ihm in diesem Falle nämlich weiterhin die vereinbarte Vergütung (in vollem Umfange) zu. Es muss sich lediglich das anrechnen, d.h. abziehen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Kurz gesagt erhält der Auftragnehmer meistens zumindest den kalkulierten Gewinn. Die weiteren Einzelheiten der Abrechnung eines gekündigten Vertrages sind äußerst kompliziert und sollen vorliegend nicht näher vertieft werden. Wir wollen insoweit lediglich noch auf die seit dem 01.01.2009 geltende Regelung unter § 649 Satz 3 BGB verweisen, wonach vermutet wird, dass dem Bauunternehmer 5% der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden, vereinbarten Vergütung zustehen. Hierauf werden wir innerhalb der Serie zum Forderungssicherungsgesetz näher eingehen.

Im übrigen wird ein frei gekündigter Bauvertrag so abgewickelt, wie ein nach Fertigstellung der Bauleistung beendeter Vertrag. Besonderer Augenmerk sollte in diesem Zusammenhang auf eine ordnungsgemäßen Abnahme und eine detaillierte Feststellung des Bautenstandes der bereits erbrachten Leistungen gelegt werden. Dies ist sowohl für die Abrechnung, als auch für die Feststellung des Umfangs der Gewährleistung, welche selbstverständlich nur für die selbst erbrachten Leistungen gilt, von großer Wichtigkeit. Der Bundesgerichtshof steht außerdem auf dem Standpunkt, dass auch im gekündigten Bauvertrag die Schlussrechnung ohne Abnahme nicht fällig wird. Sobald ein Auftragnehmer eine Kündigung des Auftraggebers erhält, sollte er also unverzüglich auf eine schnellstmögliche Abnahme seiner Leistungen und sinnvollerweise auf ein umgehendes gemeinsames Aufmaß drängen.

Erschienen im Juni 2009 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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