Die Kündigung in der Insolvenz des Auftragnehmers


Bei einem Bauvertrag handelt es sich nicht nur um die Vereinbarung punktueller Leistungen, sondern um die Durchführung einer längerfristigen Maßnahme. Das bedeutet aber, dass unterschiedliche Menschen für eine längere Zeit vertraglich aneinander gebunden sind und miteinander auskommen müssen. Dabei können Konflikte und Unwägbarkeiten entstehen, die ein längeres Zusammenarbeiten unzumutbar machen. Dies hat auch die VOB/B erkannt und sieht in den §§ 8 und 9 VOB/B Möglichkeiten vor, nach denen sich die Vertragsparteien einseitig voneinander lösen, den Vertrag also kündigen können.

Das System der VOB/B unterscheidet dabei streng zwischen der Kündigung durch den Auftraggeber und derjenigen durch den Auftragnehmer.

Anders als der Auftragnehmer ist der Auftraggeber nach § 8 Nr. 1 VOB/B befugt, den Bauvertrag jederzeit ohne besonderen Grund zu kündigen. Diese so genannte freie Kündigung stellt eine rechtliche Besonderheit dar, die im Übrigen bereits im Werkvertragsrecht des BGB in § 649 BGB geregelt wurde. Hintergrund ist, dass allein der Auftraggeber ein Interesse an der Fertigstellung des Werkes haben soll, während der Auftragnehmer lediglich seine Vergütung gesichert wissen will. Letzteres regelt § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B, indem er dem Auftragnehmer für den Fall der freien Auftraggeberkündigung einen Anspruch auf die volle vereinbarte Vergütung zuweist. Er muss sich lediglich dasjenige anrechnen lassen, was er durch die Nichtausführung des gekündigten Teilbereiches erspart hat.

Gänzlich andere Situationen regeln § 8 Nr. 2 VOB/B und § 8 Nr. 3 VOB/B. Bei Vorliegen der dort genannten, aus dem Verantwortungsbereich des Auftragnehmers stammenden Gründe, kann der Auftraggeber den Vertrag außerordentlich kündigen. § 8 Nr. 2 VOB/B gibt dieses Recht aufgrund fehlender Solvenz des Auftragnehmers, also aus einem Grund, der außerhalb der eigentlichen Vertragsausführung liegt. § 8 Nr. 3 VOB/B betrifft Kündigungsgründe, die im Zusammenhang mit der aktuellen Baumaßnahme stehen.

§ 9 VOB/B regelt sodann die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Bauvertrages durch den Auftragnehmer und ist insoweit mit § 8 Nr. 3 VOB/B vergleichbar, als hierfür Gründe aus der konkreten Vertragsbeziehung vorliegen müssen. Vor Ausspruch der Kündigung ist der Auftragnehmer jedoch gehalten, dem Auftraggeber eine Frist zum vertragsgemäßen Verhalten nebst Androhung der Kündigung zu setzen.

Neufassung des § 8 Nr. 2 VOB/B

Ein besonderes Augenmerk wollen wir im Rahmen dieses Artikels auf die Kündigungsmöglichkeit des Auftraggebers nach § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B werfen. Nach der alten Fassung des Jahres 2002 konnte der Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellte, das Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt hatte, ein solches Verfahren eröffnet oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden war. Die nunmehr verabschiedete Neufassung des Jahres 2006 fügt dieser Auflistung noch einen weiteren Kündigungsgrund hinzu: Künftig genügt es, wenn der Auftraggeber oder ein anderer Gläubiger des Auftragnehmers zulässigerweise die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers beantragt.

Aus Sicht des Auftragnehmers klingt dies zunächst nahezu unglaublich: Soll es also tatsächlich als Kündigungsgrund ausreichen, dass sein Auftraggeber selbst zum Insolvenzgericht geht und ihn, den Auftragnehmer, mit einem Insolvenzverfahren überzieht? Ganz so einfach funktioniert es freilich nicht: Liest man § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B 2006 genau, erkennt man, dass nicht etwa jeder aus einer Laune heraus gestellte Insolvenzantrag eines Dritten genügt. Vielmehr muss der Antrag – so wörtlich – „zulässigerweise“ gestellt werden.

Zulässiger Eröffnungsantrag

Um zu verstehen, was mit dem Begriff „zulässigerweise“ gemeint ist, ist es notwendig, zunächst einen allgemeinen Blick auf das Insolvenzverfahren werfen: Dieses beginnt mit der Stellung eines Antrages auf Eröffnung. Hierbei ist danach zu unterscheiden, ob das betroffene Unternehmen selbst den Antrag auf Insolvenzeröffnung stellt oder ob dies durch einen Gläubiger des Unternehmens geschieht. Beide sind hierzu allerdings grundsätzlich berechtigt, wie § 13 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) bestimmt.

Es besteht jedoch bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung ein wichtiger Unterschied zwischen dem (eigenen) Antrag des Schuldners und dem (fremden) Antrag des Dritten. Für Letzteren gelten nämlich gewisse Einschränkungen, die in § 14 InsO geregelt werden. Hiernach ist der Antrag des Dritten erst dann zulässig, wenn er selbst ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine eigene Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Durch diese Voraussetzungen soll verhindert werden, dass der Dritte aus treuwidrigen oder verfahrensfremden Gründen einen Eröffnungsantrag stellt und damit ohne Grund den Schuldner in Bedrängnis bringt.

Zu klären ist also zunächst, wann ein „rechtliches Interesse an der Eröffnung“ vorliegt. Dies erschließt sich leichter, wenn man sich fragt, welchen Zweck ein Insolvenzverfahren überhaupt hat: Nach der Zielrichtung der Insolvenzordnung soll es die Gläubiger vor einem Verfall des Schuldnervermögens, also einem weiteren Abfluss finanzieller Mittel schützen. Hierzu wird das Vermögen von objektiver Seite, nämlich durch den Insolvenzverwalter, gesichert. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass ein rechtliches Interesse jedenfalls dann nicht vorliegen kann, wenn der den Insolvenzantrag stellende Dritte den Ausgleich seiner Forderung auf anderem Wege einfacher, billiger oder schneller erhalten könnte. Ebenso ist das rechtliche Interesse zu verneinen, wenn mit dem Insolvenzantrag ein Wettbewerber ausgeschaltet werden soll oder andere verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden. Auf der anderen Seite wird ein rechtliches Interesse dann anzunehmen sein, wenn dem Antragsteller ein eigener Anspruch gegen den Schuldner zusteht und er zudem einen so genannten „Insolvenzgrund“ glaubhaft machen kann.

Insolvenzgründe

Bei dem Gläubigerantrag ist die Glaubhaftmachung eines solchen Insolvenzgrundes sicherlich die größte Hürde. Die Insolvenzgründe sind in den §§ 17 bis 19 InsO aufgeführt, wobei der Bekannteste in § 17 InsO genannt wird: die Zahlungsunfähigkeit. Diese ist dann gegeben, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zur Beurteilung, ob tatsächlich Zahlungsunfähigkeit angenommen werden kann, werden oftmals Indizien herangezogen, z.B. die Schließung des Ladenlokals, die Nichtabführung von Steuern und Sozialabgaben oder deutliche Rückstände bei Lohnzahlungen. Gerade bei einem Insolvenzantrag durch einen Dritten werden an die Bejahung der Zahlungsunfähigkeit erhöhte Anforderungen gestellt, da stets die Gefahr eines so genannten Druckantrags besteht, der nur dazu dient, den Schuldner aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht selten ist dann eine Einschaltung eines Sachverständigen angezeigt, der die Liquiditätssituation durchleuchten soll, soweit das zuständige Insolvenzgericht hierzu nicht alleine in der Lage ist. Kann bereits festgestellt werden, dass der Schuldner seine fälligen Zahlungen eingestellt hat, wird man nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO im Regelfall von seiner Zahlungsunfähigkeit ausgehen können. Der Begriff kann jedoch leicht missverstanden werden: Zahlungseinstellung liegt nicht etwa bereits dann vor, wenn der Schuldner seine Schulden nicht begleicht. Vielmehr ist erforderlich, dass er erkennbar nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu tilgen.

Bei juristischen Personen (z.B. GmbH, AG) kann nach § 19 InsO zudem die Überschuldung einen Insolvenzgrund darstellen: Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Die Bewertung, ob dies der Fall ist, darf allerdings keinesfalls holzschnittartig erfolgen. Vielmehr ist im Rahmen der Feststellungen auch und insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit eine positive Prognose hinsichtlich der Fortführung des Unternehmens angestellt werden kann. Auch hier wird das Insolvenzgericht im Zweifelsfall kaum umhinkommen, einen Sachverständigen hinzuzuziehen.

Die in § 18 InsO geregelte drohende Zahlungsunfähigkeit stellt schließlich nur einen Grund für einen eigenen Insolvenzantrag des betroffenen Unternehmens dar. Ein Dritter kann sich nicht auf die drohende Zahlungsunfähigkeit berufen, weshalb dieser Insolvenzgrund im Rahmen des hier zu diskutierenden Problems keine Rolle spielen wird.

Fazit:

Es ist also zusammenfassend festzuhalten, dass ein Dritter erstens den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO), zweitens eine eigene Forderung und drittens ein eigenes rechtliches Interesse glaubhaft machen muss, bevor er zulässigerweise einen Insolvenzantrag über das Vermögen seines Schuldners stellen kann. Im Ergebnis funktioniert das nur dann, wenn das betroffene Unternehmen eigentlich schon selbst den Insolvenzantrag hätte stellen müssen.

Aufgrund dieser hohen Anforderungen ist nicht zu befürchten, dass ein kündigungswilliger Auftraggeber nur deshalb einen Insolvenzantrag stellt, um einen wichtigen Grund zur Kündigung zu erhalten. Er würde damit zusätzlich das Risiko eingehen, sich gegenüber seinem Auftragnehmer schadensersatzpflichtig zu machen, falls diesem durch einen zu Unrecht gestellten Antrag ein Schaden entsteht. Der Anwendungsbereich der neuen Vorschrift des § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B wird daher, so gefährlich sie auf den ersten Blick klingen mag, nur äußerst klein sein.

Erschienen im November 2006 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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