Die Last mit dem Schnee


Wir befinden uns im Jahr 2010 nach Christus. Ganz Deutschland hat vor den Schneemassen kapituliert. Ganz Deutschland? Nein!

Von unbeugsamen Garten- und Landschaftsbauern geführte Räummaschinen hören nicht auf, dem weißen Eindringling Widerstand zu leisten. Dumm nur, dass diese heroische Leistung finanziell nicht hinreichend gewürdigt wird. Zumindest ist dies nach der Einschätzung vieler betroffener Betriebe der Fall.

Dabei geht es um folgende Situation: Im Sommer eines Jahres werden die Winterdienstverträge für den kommenden Winter abgeschlossen. Noch ist die Firma Grünes Glück zuversichtlich, ist sie doch mit der vereinbarten Pauschale für eine Saison Winterdienst bislang gut gefahren. Auch für den Jahreswechsel 2009/2010 wird daher vereinbart, dass der Winterdienst in der Gemeinde zu einem festen Pauschalsatz durchgeführt wird. Im Jahr 2009 läuft alles noch recht gut. Zu Beginn des Jahres 2010 jedoch zeigt sich der Winter von seiner – in kalkulatorischer Hinsicht – schlechtesten Seite: Es schneit, dann taut es wieder, nachts friert es, am folgenden Tag schneit es wieder, und so weiter. Bereits nach rund einer Woche weiß die Firma Grünes Glück weder ein noch aus. Die kalkulierte Anzahl an Einsätzen hat sie bereits im Januar überschritten. Jeder weitere Einsatz führt nun dazu, dass die Firma Grünes Glück kräftig draufzahlen muss. Gibt es eine Möglichkeit zur Anpassung?

Das Problem bei Pauschalen ist, dass regelmäßig eine Partei benachteiligt wird. In den warmen Wintern, in denen es zu wenigen Einsätzen gekommen ist, waren dies die Städte und Gemeinden bzw. die sonstigen Auftraggeber der Wohnungswirtschaft. Sie mussten die Pauschale bezahlen, selbst wenn keine oder nur wenige Einsätze gefahren wurden. Fragte man damals den Garten- und Landschaftsbau, so wurde die Regelung als durchweg fair empfunden. Anfragen nach Preisanpassungen seitens der Auftraggeber wurden damit abgewehrt, dass schließlich zu jeder Zeit ein potenzieller Wintereinbruch drohte und die entsprechenden Kräfte, Materialien und Geräte vorgehalten werden mussten. In schnee- und eisarmen Zeiten lässt sich mit einer Pauschale kräftig Geld verdienen. Dies wurde durch einen hart geführten Preiskampf immer weiter eingeschränkt. Die Unternehmen hofften dabei zumeist auf ereignislose Wintermonate, da sich eine Pauschale nur dann rechnet.

Anders sieht es aus, wenn zahlreiche Einsätze in einem Jahr gefahren werden müssen. Obwohl die Leistungen erheblich ansteigen, ändert sich die Pauschale nicht. Anders sähe es aus, wenn mit dem Auftraggeber ein Einheitspreisvertrag oder ein Vertrag auf Grundlage einer Einsatzpauschale, also in Form der Vergütung jedes einzelnen Räumungseinsatzes, vereinbart worden wäre.

Wurde – wie dies weit verbreitet ist – jedoch eine Gesamtpauschale für den gesamten Winter abgeschlossen, so gibt es für den in harten Wintern hierdurch benachteiligten GaLaBauer kaum einen Ausweg. Einzig § 313 BGB könnte in Betracht kommen. Dort ist die sogenannte „Störung der Geschäftsgrundlage“ geregelt. Als Geschäftsgrundlage kann man sich etwas vorstellen, was im Vertrag selbst nicht vereinbart wurde, nach den Vorstellungen der Vertragsparteien aber dennoch übereinstimmend zur Grundlage des Vertrages gemacht worden ist. Was insoweit Geschäftsgrundlage geworden sein soll, ist häufig umstritten. Insbesondere dann, wenn eine Vorstellung über gewisse Anzahl an Winterdiensteinsätzen als Geschäftsgrundlage fungieren soll, werden die Vorstellungen der Parteien häufig weit auseinander liegen.

Dennoch wird sich hier eine gewisse Anzahl feststellen lassen, die sich beide Parteien gemeinsam als Maximum vorgestellt haben. Eventuell könnte man als Argument einer gewissen Anzahl von kalkulatorisch zu berücksichtigenden Winterdiensteinsätzen ins Feld führen, dass auch die Städte und Gemeinden, welche den Winterdienst selbst ausführen, mit derartig lang anhaltenden Schneeereignissen nicht gerechnet haben. Anders wäre es nicht zu erklären, dass in vielen Gemeinden das Streugut ausgeht.

Allein aus der Störung der Geschäftsgrundlage, hier also einer Überschreitung der beiderseits angenommenen, maximalen Zahl der Einsätze, kann aber noch kein Anspruch auf Anpassung, d.h. Anhebung der Pauschalvergütung abgeleitet werden. Hierfür muss die Geschäftsgrundlage durch ein nach Vertragsschluss eintretendes Ereignis weggefallen oder wesentlich erschüttert worden sein. Nur eine schwerwiegende Veränderung rechtfertigt eine Anpassung des Vertrages. Eine Störung ist nur dann schwerwiegend, wenn nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass eine der Parteien den Vertrag in Kenntnis der Veränderung nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte. Dies wird man hier sicherlich bejahen können.

Problematisch ist jedoch, dass auch eine Risikobetrachtung hinzu tritt. § 313 BGB ist nämlich dann erheblich eingeschränkt, wenn sich ein Risiko verwirklicht, das nach allgemeinen Grundsätzen eine Partei zu tragen hat. Für eine Pauschale ist es geradezu typisch, dass das Risiko einer höheren Anzahl an Bearbeitungsgängen von der ausführenden Partei übernommen wird. Im Gegenzug trägt der Auftraggeber das Risiko, dass er eine geringere Zahl von Einsätzen dennoch in voller Höhe bezahlen muss.

Bereits entschieden wurde, dass ein vereinbarter Festpreis für Bauleistungen auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen, witterungsbedingten Schwierigkeiten und ähnlichen Erschwernissen bindend bleibt. Eine Anpassung der Vergütung kommt nur ganz ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein derartig krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, dass ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Hierfür reicht es bei weitem nicht aus, dass ein Verlustgeschäft vorliegt. Es muss vielmehr der dem Betroffenen zugeordnete Risikobereich verlassen werden. Dies ist nur in wirklichen Ausnahmefällen gegeben. Stets ist der Einzelfall zu betrachten. Wichtig ist jedenfalls, dass die Erschwernisse nicht vorhersehbar waren.

Gerichtliche Entscheidungen für den Winterdienst sind leider bislang noch nicht gefällt worden, sodass zumindest insoweit keine Argumentationsgrundlage gegenüber den Auftraggebern besteht. Dennoch kann es sich lohnen, mit dem Auftraggeber in Verhandlungen zu treten. Auch für diesen ist nämlich nicht vorhersehbar, welche Rechtsansicht ein erkennendes Gericht vertreten wird. Keinesfalls sollte aber mit zu viel Druck gearbeitet werden. Der Betrieb, welcher dann, wenn die Verhandlung zu keinen Ergebnissen führt, schlichtweg die Arbeiten einstellt, riskiert, aus dem Vertrag geworfen zu werden. Wird sodann ein Drittunternehmer beauftragt, wird dieser deutlich höhere Kosten verursachen. Stellt sich später heraus, dass die Kündigung rechtmäßig und das Verlangen nach einer Preiserhöhung unrechtmäßig war, trägt der Unternehmer diese Mehrkosten im Wege des Schadensersatzes.

Nach unserer Ansicht kann es daher nur eine Lösung geben: Verhandeln Sie mit Ihrem Auftraggeber offen und schildern Sie ihm Ihre Situation. Hat er ein Einsehen, kann so vielleicht eine für beide Parteien zufrieden stellende Lösung gefunden werden. Kommt es zu keiner Vereinbarung, verlangen Sie vom Auftraggeber die Anpassung des Vertrages, ohne die Arbeiten einzustellen. Es kann sodann im Klagewege geklärt werden, ob tatsächlich eine Anpassungssituation vorgelegen hat. Eine solche Klage setzt jedoch nach überwiegender Ansicht voraus, dass der Kläger sich zunächst erfolglos um eine vertragliche Anpassung bemüht hat.

Erschienen im Februar 2010 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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