Überall wird empfohlen, sich im Rahmen einer Abnahme festgestellte Mängel ausdrücklich vorzubehalten und dies im Rahmen der Abnahme zu dokumentieren.
Professionelle Auftraggeber führen entsprechende Vorbehalte in ihren schriftlichen Abnahmeprotokollen ja auch stets akribisch auf.
Welche Folge hat es aber, wenn ein bei der Abnahme schon gut erkennbarer Mangel trotzdem nicht zu diesem Zeitpunkt beanstandet wird? Häufig hören wir dann von unseren Mandanten, aufgrund des fehlenden Vorbehaltes bei der Abnahme könne der Auftraggeber diesen nachfolgend nicht mehr beanstanden und insoweit keine Rechte mehr geltend machen. Gerne wird in diesem Zusammenhang auch eine Abgrenzung zu einem „versteckten“ oder „verdeckten“ Mangel vorgenommen.
Eines vorneweg: Das Gesetz und die VOB/B kennen den Begriff des verdeckten oder versteckten Mangels nicht. Er spielt im Baurecht keine Rolle. Ein Mangel ist eine Mangel und ist von dem Auftragnehmer im Rahmen der Gewährleistung zu beheben, egal ob er auf der Hand liegt oder schwierig festzustellen ist.
Die vorbehaltlose Abnahme ist in § 640 Abs. 2 BGB geregelt. Hiernach stehen dem Auftraggeber dann, wenn er ein mangelhaftes Werk abnimmt, obwohl er den Mangel kennt, bestimmte Mängelrechte nur dann zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. In der Praxis fehlt es meistens schon an den Voraussetzungen einer vorbehaltlosen Abnahme, nämlich daran, dass der Auftraggeber den Mangel „kennt“. Nach dem Gesetzestext reicht es nicht aus, dass der Mangel erkennbar gewesen wäre und dass er möglicherweise sogar hätte auffallen müssen. Erforderlich ist vielmehr die positive Kenntnis des Mangels. Fahrlässigkeit – auch grobe – reicht nicht aus. Darüber hinaus genügt es auch nicht, wenn der Auftraggeber das äußere Erscheinungsbild des Mangels wahrgenommen, also beispielsweise die fehlerhaft gepflasterte Fläche und deren zu geringen Umfang genau betrachtet hat. Er muss vielmehr zusätzlich auch noch um die sich hieraus ergebende Fehlerhaftigkeit des Werkes gewusst, also eine entsprechende Bewertung vorgenommen haben.
Bedenkt man, dass der Auftragnehmer, welcher sich auf eine vorbehaltlose Abnahme beruft, für die positive Kenntnis des Auftraggebers darlegungs- und beweispflichtig ist, ergibt sich schnell, dass diese praktisch fast nie nachgewiesen werden kann, es sei denn, der Auftraggeber erklärt unmittelbar vor oder bei der Abnahme ausdrücklich, dass er einen bestimmten Umstand als Mangel ansehe und dass er das Werk dennoch vollständig vorbehaltlos abnehme. Es ist kaum annehmbar, dass ein Auftraggeber sich so verhalten wird.
Sollte es doch ausnahmsweise einmal möglich sein, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorbehaltlosen Abnahme nachzuweisen, führt dies jedoch immer noch nicht dazu, dass der Bauunternehmer von seiner Haftung für den betreffenden Mangel frei wird. § 640 Abs. 2 BGB schließt nämlich nur die Gewährleistungsrechte des Auftraggebers nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB aus. Die Rechte des § 634 Nr. 4 BGB, nämlich neben Rücktritt und Minderung insbesondere der Anspruch auf Schadensersatz, bleiben dem Auftraggeber vielmehr erhalten. Vor diesem Hintergrund kann einem Auftragnehmer nicht dazu geraten werden, sich dann, wenn wirklich einmal eine vorbehaltlose Abnahme vorliegt, auf sein Recht zur Verweigerung der Nacherfüllung, d.h. zur Nachbesserung, zu berufen, denn die Geltendmachung von Schadenersatz durch den Auftraggeber (regelmäßig in Form der Kosten der Mängelbeseitigung durch ein Drittunternehmen) wird ihn meistens deutlich härter treffen.
Nennenswerte Relevanz entfaltet der Vorbehalt bei der Abnahme lediglich im Zusammenhang mit der durch die Abnahme grundsätzlich eintretenden Beweislastumkehr. Vor der Abnahme hat der Auftragnehmer die Mangelfreiheit seiner Leistungen zu beweisen, nach der Abnahme der Auftraggeber die Mangelhaftigkeit der Leistungen seitens des Auftragnehmers. Tritt also beispielsweise mehrere Jahre nach Abnahme einer Pflasterfläche ein Mangel, z.B. in Form einer Absackung auf, muss der Auftraggeber nachweisen, dass der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Abnahme ein mangelhaftes Werk abgeliefert hatte.
Hat der Auftraggeber sich einen Mangel bei der Abnahme vorbehalten, tritt diese Beweislastumkehr für den vorbehaltenen Mangel nicht ein. Hinsichtlich dieses Umstandes bleibt der Auftragnehmer also trotz Abnahme beweispflichtig für die Mangelfreiheit seiner Leistungen.
Aus Auftraggebersicht besteht also durchaus weiterhin ein erhebliches Interesse daran, sich festgestellte Mängel bei der Abnahme vorzubehalten. Für den Auftragnehmer und dessen Gewährleistungspflichten kann man die Rechtsfigur der vorbehaltlosen Abnahme für die Praxis jedoch weitgehend vergessen. Es handelt sich um einen ziemlich zahnlosen Papiertiger.
Entschädigung wegen fehlender Nutzbarkeit?
Typischerweise im – hochpreisigen – Privatgartenbereich kann es vorkommen, dass die Bauherren dann, wenn ihre Außenanlagen durch Versäumnisse des Landschaftsgärtners nicht mangelfrei und insbesondere nicht rechtzeitig fertig gestellt werden, eine Kompensation für die fehlende Nutzbarkeit ihres Gartens und dessen Freuden verlangen.
Nach der Leitentscheidung des Großen Senates für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes vom 09.07.1986 (GSZ 1/86) kann es tatsächlich einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen, wenn der Eigentümer einer von ihm selbst genutzten Sache, jedenfalls eines von ihm selbst bewohnten Hauses, die Sache vorübergehend nicht benutzen kann, ohne dass ihm hierdurch zusätzliche Kosten entstehen oder Einnahmen entgehen. Allerdings ist nach dieser Entscheidung ein Nutzungsausfall als Vermögensschaden auf solche Wirtschaftsgüter von zentraler Bedeutung beschränkt, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung des Betroffenen typischerweise angewiesen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt dies für eine Garage, Terrasse und Garten regelmäßig nicht (Urteil vom 05.03.1993 – V ZR 87/91).
Die Obergerichte sind dieser strengen Rechtsprechung gefolgt. Beispielsweise hat das Oberlandesgericht Düsseldorf wiederholte Überschwemmungen eines Kellers, in welchem sich abstelle- und Hobbyräume befanden, für eine derartige Nutzungsentschädigung nicht ausreichend erachtet, weil die betreffenden Räume für den Eigentümer von untergeordneter Bedeutung und er somit gerade nicht auf die ständige Verfügbarkeit angewiesen sei (Urteil vom 06.05.1999 – 5 U 152/98). Das OLG Hamm verneint eine Entschädigung aufgrund fehlender Nutzbarkeit des Kellers, des Gartens und der Terrasse sowie sonstiger Beeinträchtigungen durch Lärm und Dreck (Urteil vom 04.07.2005 – 17 U 94/04).
Nun könnte der Landschaftsgärtner meinen, hiermit aus dem Schneider zu sein. Leider ist jedoch festzustellen, dass die Untergerichte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Obergerichte augenscheinlich häufig nicht zur Kenntnis nehmen, sondern anders entscheiden. Den Vogel hat dabei das Landgericht Osnabrück abgeschossen, welches dem Käufer eine Einbauküche für die eingeschränkte Nutzbarkeit der Küche durch die mangelhafte Montage eine Ausfallentschädigung in Höhe von 5 DM pro Tag zugesprochen hat (Urteil vom 24.07.1998 – 7 O 161/98). In einer Entscheidung vom 03.04.2006 (22 C 6376/05) hat das Amtsgericht Nürnberg dem Erwerber einer Eigentumswohnung im Erdgeschoss eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 8,00 € je Quadratmeter für die Terrasse und 3,00 € je Quadratmeter Gartenfläche pro Monat zuerkannt. Seltsamerweise hat die gleiche Abteilung (allerdings mit neuem Richter) des Amtsgerichts Nürnberg am 30.07.2007 (22 C 633/07) exakt gegenteilig entschieden.
Bitte lassen Sie sich von solchen, offensichtlich fehlerhaften Entscheidungen nicht irritieren. Für die fehlende Nutzbarkeit von Garten- und Außenanlagen im Privatbereich kann nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Obergerichte regelmäßig keine Entschädigung verlangt werden.
Verstehe Deinen Anwalt – Der Rücktritt
Dabei muss ich immer an mein erstes Fahrrad denken – es hatte „Rücktritt“, konnte also durch Rücktreten der Pedale gebremst werden. Ob es so etwas in Zeiten von Mountain-Bike und Pedelec überhaupt noch gibt? Der Jurist denkt beim Rücktritt jedenfalls nicht an Kindheitsträume, sondern an die Wahrnehmung eines Rechts zur Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Vertragspartner nämlich von diesem Vertrag zurücktreten, was zur Folge hat, dass zwischen den Beteiligten ein so genanntes Rückgewährschuldverhältnis entsteht. Dies bedeutet, dass die aufgrund des rückabzuwickelnden Vertragsverhältnisses bereits erbrachten Leistungen gegenseitig zurückgewährt, d.h. zurückgegeben werden müssen. Bei einem Kaufvertrag ist dies meistens relativ einfach, bei einem Werkvertrag und insbesondere einem Bauvertrag für den Werkleistenden regelmäßig sehr kompliziert, den dies beinhaltet grundsätzlich einen vollständigen Rückbau der schon erbrachten Arbeiten. Der Landschaftsgärtner sollte einen Rücktritt im juristischen Sinne deshalb unbedingt vermeiden und sich bei diesem Begriff allein auf die nostalgischen Aspekte beschränken.
Erschienen im Juni 2012 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.