Die Älteren von uns erinnern sich: Neben dem Satz „Mein Baby gehört zu mir“ blieb vor allem die Unterscheidung zwischen „meinem Tanzbereich“ und „deinem Tanzbereich“ von dem in Dauerschleife wiederholten Film „Dirty Dancing“ in Erinnerung. Während wir Jungs in der Tanzschule uns durchaus etwas von der Coolness Johnnys abschneiden wollten, hätten wir es dennoch gerne gehabt, wenn wir etwas mehr in den Tanzbereich der Mädels hätten übertreten dürfen.
Im Garten gilt eigentlich ähnliches: Manchmal würde man ganz gerne die Grenzen des eigenen Grundstücks etwas verschieben, um die eigenen Wünsche realisieren zu können. Manchmal sind die Grenzen vielleicht auch gar nicht so bekannt.
In dem Sachverhalt, den das Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheiden hatte (Urteil vom 26.10.2016 – 3 U 64/14), sollte der Landschaftsgärtner unter anderem einen Torbogen mit Mauer, einen Freisitz und einen Pkw- und Müllcontainerstellplatz errichten. Die Bereiche wurden abgestimmt; die konkreten Grundstücksgrenzen aber nicht aufgezeigt.
Das Problem war, dass der Auftraggeber diese offensichtlich auch nicht wirklich kannte. Später stellte sich heraus, dass die vereinbarten Werke zumindest zum Teil auf dem Nachbargrundstück errichtet worden waren. Der Unternehmer sollte sie entfernen.
Auftraggeber sollte Grenzen kennen
Der Auftraggeber stellte sich dabei auf den Standpunkt, der Auftragnehmer hätte den Grenzverlauf selbst feststellen müssen. Das OLG Stuttgart sah dies anders: Der Unternehmer habe genau das getan, was von ihm verlangt wurde, nämlich die gewünschten Bauwerke an den gewünschten und vom Auftraggeber insofern vorgegebenen Stellen errichtet. Es obliege aber dem Verantwortungsbereich des Bauherrn, den Werkunternehmer über die konkreten Grundstücksgrenzen in Kenntnis zu setzen. Dies ist hier offensichtlich schiefgegangen.
Jedenfalls musste der Auftraggeber im Laufe des Prozesses zugeben, dass ihm selbst der Grenzverlauf nicht im Einzelnen bekannt war. Dennoch hatte er mit dem Unternehmer abgestimmt, wo die einzelnen Gewerke platziert werden sollten. Eine konkrete Verpflichtung des Unternehmers, die Grundstücksgrenzen festzustellen, hatten die Parteien nicht vereinbart, sodass insofern keine vertragliche Pflicht bestand. Dass der Bauherr keine konkrete Darstellung der Grundstücksgrenzen übergeben hat, belastete den Unternehmer nach Ansicht des Gerichts nicht und musste ihn nicht skeptisch werden lassen: Es ragten nämlich mehrere Bestandsbauten über die Grundstücksgrenze, so beispielsweise ein Wasserauffangbecken und der ehemalige Stellplatz sowie die ehemalige Zugangstreppe. Eine generelle Pflicht, die Grundstücksgrenzen festzulegen sah das Gericht auf Seiten des Landschaftsgärtners nicht. Eine Pflichtverletzung sei ihm nicht vorzuwerfen.
Kein Freibrief für Landschaftsgärtner
Das genannte Urteil ist zwischenzeitlich durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig (BGH, Beschluss vom 20. März 2019 – VII ZR 298/16). Es sollte dennoch nicht als Freibrief für den Landschaftsgärtner verstanden werden: Man muss stets berücksichtigen, dass vorliegend keine Grenzeinrichtungen erkennbar waren und der Landschaftsgärtner somit die tatsächliche Grundstücksgrenze nicht ohne Weiteres erkennen konnte. Darüber hinaus sprachen zumindest gewisse Indizien dafür, dass sich seine Leistungen auf dem Grund und Boden des eigentlichen Auftraggebers abspielen würden.
Nun wird man argumentieren können, das Urteil entspreche doch auch den Vorgaben des § 3 Abs. 2 VOB/B, wonach das Abstecken der Grenzen des Geländes Sache des Auftraggebers ist. Zwar findet sich im BGB keine derartige Vorgabe, jedoch wird man hier wohl eine Mitwirkungsobliegenheit des Auftraggebers im Sinne des § 642 Abs. 1 BGB annehmen können, sodass auch dort grundsätzlich der Auftraggeber für die Feststellung des Grenzverlaufes zuständig ist. Das allein spricht den Unternehmer aber nicht von jeder Verantwortung frei: Natürlich gilt für die Angaben des Auftraggebers zum Grenzverlauf weiterhin die Prüf- und Bedenkenhinweispflicht. In der VOB/B ergibt sich dies zwanglos aus § 4 Abs. 3; im BGB-Werkvertrag folgt dies aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gemäß §§ 241 Abs. 2, 242 BGB.
DEGA-TIPP: Der Unternehmer ist also gehalten, die Vorgaben des Auftraggebers dahingehend zu überprüfen, ob sie mit den tatsächlichen Örtlichkeiten übereinstimmen. Stellt er aber fest, dass beispielsweise Grenzmarkierungen vorhanden sind und diese mit den Planunterlagen nicht übereinstimmen, muss er seine Erkenntnisse dringend mitteilen; da in einem solchen Fall zudem nicht nur die Vermutung für eine Grenzüberschreitung gegeben ist, sondern quasi Gewissheit besteht, sollte sich der Unternehmer, wenn er überhaupt in diesen Bereichen bauen will, von jeder Haftung freistellen lassen. Ich bin sogar der Meinung, dass er in Bereichen, die sicher im Eigentum eines Dritten stehen, gar nicht bauen sollte, um nicht später etwaigen Ansprüchen des Dritten ausgesetzt zu sein.
Auch andere Umstände sollten vom Unternehmer stets beachtet und gegebenenfalls im Rahmen einer Bedenkenanzeige mitgeteilt werden. Stellt er zum Beispiel fest, dass gewisse Umstände gegen den planerisch berücksichtigten Grenzverlauf des Auftraggebers sprechen (ohne dass bereits Sicherheit der Grenzüberschreitung besteht), zum Beispiel in den fraglichen Bereich hineinragende Bauteile des Nachbargrundstücks gegeben sind, muss er auch insofern seiner Mitteilungspflicht nachkommen. Tut er dies nicht und baut er blind nach den Vorgaben des Auftraggebers, so kann das Prozessergebnis schnell ein anderes sein und der Unternehmer könnte in Mit- oder sogar Alleinhaftung genommen werden.
Erschienen im Dezember 2019 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.