Miet- und WohnungseigentumsrechtDer Vermieter darf die Höhe der neben der Grundmiete zu erbringenden Betriebskostenvorauszahlungen bei Mietvertragsabschluss grundsätzlich frei kalkulieren. Auch wenn die tatsächlichen Kosten die Summe der Vorauszahlungen erheblich (hier: mehr als 40%) überschreiten, handelt er nur dann pflichtwidrig, wenn besondere Umstände wie Täuschung o.ä. vorliegen. (LS ds. Verf.)
BGH, U. v. 1 1.2.2004 – VIII ZR 195/03 -, NZM 2004, 251 (krit. Anm. v. Artz u. Dercks in NZM Heft 9); WM 2004, 201 m. krit. Anm. Eisenschmid; GE 2004, 416, (vorgg. LG Köln U. vom 4.6.2003)
Der Fall: Nach dem Mietvertrag hatte die Mieterin neben der Grundmiete Betriebskostenvorauszahlungen zu erbringen. Nach Abrechnung der Betriebskosten für die beiden ersten Mietjahre ergaben sich erhebliche Nachforderungen der Vermieter, deren Ausgleich die Mieterin mit der Begründung verweigerte, ihr stünde wegen einer Pflichtverletzung der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages ein Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Nachforderungen zu.
Das Problem: In einer Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen wurde eine Verpflichtung des Vermieters angenommen, die Betriebskostenvorauszahlungen ungefähr kostendeckend zu kalkulieren oder den Mieter auf eine nicht kostendeckende Kalkulation hinzuweisen, vgl. LG Hamburg ZMR 2003, 683; LG Frankfurt NZM 2002, 485. Allein der objektive Verstoß gegen diese Verpflichtung sei ein Indiz für das Verschulden des Vermieters, so dass der Vermieter sich exkulpieren müsse, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hiernach soll der Vermieter sich bereits dann schadensersatzpflichtig machen, wenn er objektiv in der Lage ist, die Betriebskostenvorauszahlungen bei Mietvertragsschluss kostendeckend zu kalkulieren und dies ohne Hinweis unterlässt. Er sei dann regelmäßig verpflichtet, den Mieter (teilweise) von Betriebkostennachforderungen zu befreien (OLG Naumburg NZM 2002, 387; LG Berlin ZMR 2002, 52; LG München II ZMR 2002, 760; Übersicht bei Staudinger-Weitemeyer (2003), § 556 RN 74 f.).
Die Entscheidung: Mit der nunmehr vorgelegten Grundsatzentscheidung hat der BGH dieser Rechtsprechung eine Absage erteilt. Er stellt klar, dass es für den Vermieter keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Vorauszahlungen auf die umlegbaren Betriebskosten so zu kalkulieren, dass sie in etwa kostendeckend sind. Wie bereits das OLG Stuttgart (NJW 1982, 2506) argumentiert der BGH: Da es den Parteien eines Mietvertrages frei steht, überhaupt Vorauszahlungen zu vereinbaren, könne es kein Nachteil für den Mieter sein, wenn die Summe der Vorauszahlungen deutlich unterhalb der tatsächlichen Kosten liegt. Hinzu komme, dass zu den in Frage kommenden Betriebskosten regelmäßig verbrauchsabhängige Kosten zählen, welche wesentlichen Schwankungen unterliegen können und daher vom Vermieter weder vorherzusehen noch zu beeinflussen sind. Für eine Pflichtverletzung des Vermieters im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Betriebskostenvorauszahlungen sei deshalb nur dann Raum, wenn besondere Umstände, beispielsweise eine bewusste Täuschung oder eine falsche Zusicherung des Vermieters, vorliegen.
Konsequenzen: Ein Mieter wird sich zukünftig anlässlich hoher Betriebskostennachforderungen des Vermieters nur noch in Ausnahmefällen darauf berufen können, bei Abschluss des Mietvertrages falsche Erwartungen hinsichtlich der auf ihn entfallenden Betriebskosten gehabt zu haben. Hierzu hat er die vom BGH geforderten „besonderen Umstände“ darzulegen und zu beweisen. Deshalb ist es für ihn ratsam, sich vor bzw. bei Abschluss des Mietvertrages vom Vermieter ausdrücklich und nachweisbar bestätigen zu lassen, dass bzw. inwieweit die Betriebskostenvorauszahlungen die tatsächlich anfallenden Kosten decken. Sinnvollerweise sollte er sich hierzu – soweit möglich – die letzten zwei auf das von ihm anzumietende Objekt entfallenden Betriebskostenabrechnungen vorlegen lassen, um selbst eine überschlägige Kalkulation vornehmen zu können.
(Der Verfasser hat die Vermieterseite durch alle Instanzen begleitet)
Erschienen in Info M, Offizielles Organ der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein, Ausgabe 1/04.