Nachtragsregelungen im BGB-Werkvertragsrecht: 80 % sind besser als nichts


Die Nachtragsregelungen im neuen BGB-Werkvertragsrecht haben das Baurecht gehörig durcheinandergewirbelt. So ist es aufgrund der Rechtsprechung mittlerweile als gefestigt anzusehen, dass auch Nachträge nach der VOB/B nicht mehr nach der Urkalkulation berechnet werden, sondern nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Nun hat das Berliner KG mit Urteil vom 2. November 2021 (27 U 120/21) eine weitere Annäherung der VOB/B an das BGB vorgenommen.

Zunächst erläutern wir das Nachtragsmodell des BGB: Nach § 650b BGB muss ein Unternehmer, wenn an ihn ein Nachtragswunsch herangetragen wird und er diesen nicht aus Rechtsgründen ablehnen kann, dem Auftraggeber zunächst ein Angebot unterbreiten. Auf dieser Grundlage sollen die Parteien 30 Tage über den Preis diskutieren und eine einvernehmliche Lösung herbeiführen. Gelingt dies nicht, steht dem Auftraggeber nach Ablauf dieser 30 Tage der Weg offen, die Nachtragsleistungen einseitig anzuordnen.

Abschlag berechtigt
Da damit noch nicht die Vergütungshöhe geklärt ist, regelt § 650c BGB, dass die Höhe des Vergütungsanspruchsfür den aufgrund des Nachtrags vermehrten oder verminderten Aufwand nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn ermittelt wird. Der sich ergebende Betrag kann aber erst festgesetzt werden, wenn die Leistungen ausgeführt wurden. Dennoch hat der Unternehmer ein Interesse daran, die erbrachten Nachtragsleistungen auch dann per Abschlagsrechnungen abzurechnen, wenn sie noch nicht beendet sind.
Das BGB kennt hierfür zwei Lösungsvarianten: Wurde vereinbarungsgemäß eine Urkalkulation hinterlegt, kann der Unternehmer nach § 650c Abs. 2 BGB seine Abschlagsrechnung auf deren Grundlage vornehmen. Erst mit der Schlussrechnung erfolgt die Abrechnung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten nebst angemessener Zuschläge, wobei er sich in diesem Sonderfall zunutze machen kann, dass eine Vermutung dafür streitet, dass diese Kalkulation den tatsächlich erforderlichen Kosten entspricht. Damit erhält der Unternehmer zwei Vorteile:
– Er darf in der Abschlagsrechnung sofort den vollen Kostenansatz auf Grundlage der Urkalkulation ansetzen.
– Außerdem muss der Auftraggeber im Rahmen der Schlussrechnungsstellung beweisen, dass die Urkalkulation nicht die tatsächlich erforderlichen Kosten nebst Zuschlägen abbildet, wenn er nur einen geringeren Betrag bezahlen möchte.
Wurde die Hinterlegung einer Urkalkulation nicht vereinbart oder erfolgte eine Vereinbarung ohne Hinterlegung der Urkalkulation, funktioniert dieser Weg nicht. Dann kann der Unternehmer nach § 650c Abs. 3 S. 1 BGB in den Abrschlagsrechnungen immerhin 80 % der in seinem Angebot genannten Mehrvergütung für die ausgeführten Leistungen ansetzen, bevor er in der Schlussrechnung auf der tatsächlichen Grundlage abrechnen kann. In der VOB/B existiert für Nachträge in Abschlagsrechnungen keine besondere Regelung, sodass fraglich war, ob die 80-%-Regelung auch in VOB/B-Verträgen Anwendung findet. Das hat das KG mit dem Urteil bejaht, sodass es für den Auftragnehmer eines VOB-Vertrags leichter wird, zumindest einen Teil seiner Vergütung für die Nachträge durch Abschlagsrechnungen geltend zu machen.

TIPP: Aufwände erfassen und dokumentieren!
Haben die Parteien keine Nachtragsvereinbarung getroffen und fehlt es an einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation, muss der Unternehmer im Streitfall seinen tatsächlichen Aufwand beweisen. Dies gelingt nur mit hinreichender Sicherheit, wenn der Aufwand erfasst und dokumentiert wurde. Die Mitarbeiter, insbesondere die Vorarbeiter, sollten also dringend zu einer genauen Nachtragsdokumentation angehalten werden.

Erschienen im Mai 2022 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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