Bauablaufstörungen sind für niemanden erstrebenswert; gerade der Auftragnehmer hat regelmäßig darunter zu leiden. Immer wieder muss ich Fälle bearbeiten, in denen der Auftragnehmer nach Beendigung einer Baumaßnahme vom Auftraggeber Schadensersatz, Entschädigung oder eine zusätzliche Vergütung wegen Bauzeitverzögerungen erwirken möchte.
Manchmal kommen Mandanten sogar mit vorgefertigten Gutachten auf mich zu, manchmal berichten sie von vermeintlichen Heilsbringern, die geradezu Unglaubliches aus solchen Fällen herausholen könnten. Natürlich gibt es dafür Rechtsgrundlagen, z. B. § 6 Abs. 6 VOB/B für Schadensersatzansprüche oder § 642 BGB, wenn der Auftraggeber das Baufeld nicht pünktlich zur Verfügung stellen kann. Auch mag es im Einzelfall möglich sein, für Kostensteigerungen eine Anordnung des Auftraggebers zur Bauzeitverschiebung heranzuziehen und eine Abrechnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B vorzunehmen.
Eines ist jedoch bittere Wahrheit: Wird die Baustelle nicht von vornherein durchgängig dokumentiert, wird nicht jede noch so kleine Behinderung, egal aus welchem Grund sie eingetreten ist, aufgenommen und bewertet, wird dann nicht nach Wegfall einer Behinderung zumindest intern ermittelt, wie die Baustelle zukünftig organisiert wird, ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Dann wird die Durchsetzung der Ansprüche derart schwierig, wenn nicht gar unmöglich, dass man sich genau überlegen sollte, ob man für die Erstellung vermeintlich gerichtsfester Gutachten noch Geld bezahlen möchte.
Ohne Dokumentation wenig Chancen
Der dabei immer wieder anzutreffende Dreisatz, der lediglich die geplanten Einsatzstunden mit den geleisteten Einsatzstunden abgleicht, ist seit langem tot und verspricht keinen Erfolg. Trotzdem müssen sich immer wieder Gerichte damit beschäftigen, dass Unternehmer solche vereinfachten Übersichten in Gutachtenform beireichen. Dabei hat der BGH immer wieder, beispielsweise mit Urteil vom 5. November 2015 (VII ZR 43/15), betont, dass ohne eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung, in der die Ist- und Soll-Abläufe im Einzelnen gegenübergestellt und bewertet werden, der Anspruch des Unternehmers nicht begründbar ist. Die vermeintlichen Vortragserleichterungen gelten nur, wenn lediglich kleinere Lücken auszufüllen sind.
Trotz der gebetsmühlenartigen Wiederholung durch den BGH und die Oberlandesgerichte ist aber die Motivation der Unternehmer ungebrochen, es immer wieder mit der Brechstange zu versuchen. Zuletzt hat das OLG Köln mit Urteil vom 12. April 2021 (19 U 76/20), welches nun durch den Beschluss des BGH vom 15. Februar 2023 (VII ZR 413/21) in Rechtskraft erwachsen ist, gezeigt, dass die Unbelehrbarkeit der Unternehmen offenbar keine Grenzen kennt. Das OLG Köln hat erneut betont, dass ohne eine bauablaufbezogene Darstellung weder Entschädigungs- noch Schadensersatzansprüche begründbar und durchsetzbar sind.
DEGA-Tipp: Baustelle lückenlos dokumentieren
Bevor Sie planen, eine Bauablaufstörung durch ein baubetriebliches Gutachten schadensersatzrechtlich oder entschädigungsrechtlich berechnen zu lassen, fragen Sie sich kritisch, ob die Baustelle von Ihnen wirklich lückenlos dokumentiert ist. liegen außerdem die notwendigen Behinderungsanzeigen vor? Können Sie auf Behauptungen des Auftraggebers, an anderer Stelle hätte Baufreiheit geherrscht, sachgerecht antworten? Können Sie insbesondere nach dem Wegfall von Behinderungen den geplanten weiteren Weg darstellen, von dem dann gegebenenfalls durch weitere unplanmäßige Behinderungen wieder abgewichen werden musste? Wenn Ihnen dies nicht gelingt, sind die Chancen, auf dem Rechtsweg Behinderungsfolgen geltend zu machen, denkbar gering.
Erschienen im Januar 2024 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.