Stress am Gartenzaun


Welche Probleme und Risiken ergeben sich bei Baumarbeiten im Bereich von Grundstücksgrenzen? Im folgenden Beitrag werden typische Situationen beschrieben und rechtlich bewertet sowie Handlungsempfehlungen für den Baumpfleger gegeben, wie er Konflikte vermeiden und das Risiko seiner eigenen Haftung minimieren kann.

Wenn der Baumpfleger Leistungen im Bereich von Grundstücksgrenzen zu erbringen hat, treffen ihn besondere Pflichten zum Schutz seines Kunden und Auftraggebers, aber auch zum Schutz des von den Arbeiten eventuell betroffenen Grundstücksnachbarn. Die sich aus dem Vertrag über die Durchführung der Baumpflegearbeiten ergebende Pflicht gegenüber dem Auftraggeber und Kunden besteht in erster Linie darin, diesen auf eventuelle Risiken und Probleme, welche bei den Arbeiten im Verhältnis zu dem Nachbarn entstehen können, hinzuweisen und insoweit auf eine Klarstellung zu drängen, welche spiegelbildlich auch dem Baumpfleger hilft, eine Haftung gegenüber dem Nachbarn zu vermeiden. Die Pflichten gegenüber dem Nachbarn bestehen darin, dessen Eigentum und Rechte nicht zu beeinträchtigen beziehungsweise zu verletzen, denn dies kann unabhängig davon, ob der Baumpfleger in Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflichten gegenüber seinem Auftraggeber gehandelt hat, zu einer unmittelbaren Haftung gegenüber dem Grundstücksnachbarn führen.

Der Baumpfleger darf also nur insoweit auf das Grundstück des Nachbarn einwirken, als er hierzu berechtigt ist, wobei sich seine Berechtigung immer nur von den Rechten seines Kunden und Auftraggebers als Eigentümer des anderen Grundstücks ableiten kann. Darüber hinausgehende Handlungen stellen dann, wenn hierzu keine Zustimmung des Nachbarn vorliegt, sofort eine Rechtsverletzung dar und können gegebenenfalls eine Schadensersatzpflicht des Baumpflegers zur Folge haben.

Recht zum Betreten?

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Baumpfleger für ihm gegenüber beauftragte Arbeiten das Grundstück des Nachbarn betreten darf, beispielsweise weil sich von dort die Arbeiten wesentlich einfacher durchführen lassen oder weil das Schnittmaterial ohnehin teilweise auf dieses Grundstück herabfällt.

Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur gibt es ein derartiges Betretungsrecht jedoch nicht (z. B. LG München, Urteil vom 10.03.1987 – 2 S 2115/86). Dies gilt auch dann, wenn die baumpflegerischen Arbeiten aufgrund einer ausdrücklichen Forderung des Nachbarn, beispielsweise weil ein Überwuchs droht oder schon besteht, durchgeführt werden sollen.

Dies gilt sowohl für das Grundstück, auf welches ein eventueller Überwuchs hinausragt als auch für das Grundstück, auf welchem der Baum steht, dessen Zweige und Äste über die Grundstücksgrenze hinaus wachsen. Nur dann, wenn die betreffenden Arbeiten gar nicht oder nur unter extrem hohem, kostenintensivem Aufwand von dem anderen Grundstück ausgeführt werden können, kann sich unter Umständen nach Treu und Glauben eine Pflicht des Nachbarn ergeben, das Betreten seines Eigentums zu dulden.

Hierauf sollte sich der Baumpfleger aber grundsätzlich nicht verlassen und daher vor dem Betreten des Nachbargrundstücks stets eine ausdrückliche Zustimmung des Nachbarn einholen, alternativ sich von seinem Kunden und Auftraggeber ausdrücklich und schriftlich bestätigen lassen, dass der Nachbar eine derartige Zustimmung bereits erteilt hat.

Recht zum Abschneiden/Fällen?

Wenn ein Baum eindeutig, das heißt mit vollem Stammumfang dort, wo er aus der Erde tritt, auf dem Grundstück des Auftraggebers des Baumpflegers steht, befindet sich dieser Baum im Eigentum des Kunden. Dies gilt auch für sämtliche Bestandteile des Baumes, welche eventuell über die Grundstücksgrenze hinaus in den Luftraum des Nachbargrundstücks hineinragen. Äste und Zweige einer derartigen Pflanze kann der Baumpfleger also jederzeit abschneiden. Ebenso darf er einen derartigen Baum fällen.

Hierbei ist stets darauf zu achten, dass eine Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks bei derartigen Arbeiten grundsätzlich nicht zulässig ist. Soweit irgend möglich sollte also dafür Sorge getragen werden, dass abgeschnittene Baumteile nicht auf das Nachbargrundstück hinabfallen. Dies ist ebenso wie das Betreten des Nachbargrundstücks grundsätzlich nicht erlaubt, es sei denn, dass hierfür eine Zustimmung des Nachbarn vorliegt.

Schwieriger ist die Lage, wenn baumpflegerische Arbeiten an einer Pflanze vorgenommen werden sollen, welche auf dem Nachbargrundstück steht, beispielsweise wenn ein von dieser Pflanze ausgehender Überwuchs beseitigt werden soll. Da sich diese Pflanze, beispielsweise ein Baum, gemäß den vorhergehenden Ausführungen unabhängig davon, ob Äste in den Luftraum des anderen Grundstücks hineinragen, grundsätzlich immer noch im Eigentum des Nachbarn befindet, dürfen Arbeiten hieran nur mit Zustimmung des Grundstücksund Baumeigentümers oder aber unter ganz besonderen gesetzlichen Voraussetzungen durchgeführt werden.

Nach § 910 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks Wurzeln eines Baumes oder eines Strauchs, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Für herüberragende Zweige gilt dies nur, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt ist. Diese Rechte stehen dem Eigentümer jedoch dann nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigen.

Ob die Voraussetzungen dieses Rechts des Eigentümers des Grundstücks gegenüber seinem Nachbarn vorliegen, lässt sich für den Baumpfleger regelmäßig nicht, insbesondere nicht hinreichend sicher feststellen. Gerade die Frage einer Beeinträchtigung der Grundstücksbenutzung, welche nach der Rechtsprechung „nicht unerheblich“ sein muss, ist Gegenstand einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen und bedarf daher einer intensiven tatsächlichen Prüfung und rechtlichen Bewertung, auf welche sich ein Baumpfleger keinesfalls einlassen sollte.

Kunden auf Problematik hinweisen

Stattdessen empfiehlt es sich für den Baumpfleger, seinen Kunden und Auftraggeber auf die Problematik hinzuweisen und diesen um eine ausdrückliche Bestätigung zu bitten, dass eine Zustimmung des Nachbarn zu dem Rückschnitt vorliegt, beziehungsweise dass eine Berechtigung, einen derartigen Rückschnitt vorzunehmen, besteht und dass der Kunde deshalb den Baumpfleger für den Fall, dass sich seine Auskunft als unzutreffend herausstellt, von jeglicher Haftung gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks freistellt. Dies alles sollte beweisbar und somit schriftlich erklärt werden.

Selbst dann, wenn eine Berechtigung zur Beseitigung eines Überhangs nach § 910 BGB besteht, darf ein Rückschnitt grundsätzlich nur exakt bis zur Grundstücksgrenze und keinesfalls („vorsorglich“) darüber hinaus vorgenommen werden, mag dies aus vegetationstechnischen und/oder optischen Gründen auch noch so sinnvoll erscheinen. Da hier manchmal sogar um wenige Zentimeter gestritten wird, setzt dies eine möglichst genaue Kenntnis von dem Verlauf der Grundstücksgrenze voraus. Nachdem es nicht Aufgabe eines Baumpflegers ist, katasteramtliche Unterlagen zu prüfen oder Grenzeinrichtungen zu suchen und ausgehend hiervon den Grenzverlauf zu ermitteln, empfiehlt es sich auch insoweit, den Kunden und Auftraggeber um entsprechende Klarstellung zu bitten, beziehungsweise sich diesbezüglich soweit als möglich von einer eventuellen Haftung gegenüber dem Nachbarn freistellen zu lassen.

Besonderheiten gelten dann, wenn ein „Grenzbaum“ im Sinne von § 923 BGB vorliegt, das heißt der Stamm des Baumes, wo er aus der Erde tritt, von der Grenze durchschnitten wird. Dieser Baum gehört insoweit, als er sich in dem jeweiligen Herrschaftsbereich der Grundstücksnachbarn befindet, beiden Eigentümern. Bei Arbeiten an einer derartigen Pflanze (die gesetzliche Regelung gilt ausdrücklich auch für auf der Grenze stehende Sträucher) sollte der Baumpfleger sich erst recht ausdrücklich und schriftlich von seinem Auftraggeber bestätigen lassen, dass eine Zustimmung des Nachbarn zu den entsprechenden Arbeiten vorliegt und dass er den Baumpfleger für den Fall einer nicht oder nicht ausreichend vorliegenden Zustimmung von einer Haftung gegenüber dem Nachbarn freistellt.

Sonstige Pflichten

Selbstverständlich muss der Baumpfleger unabhängig von den vorhergehend dargestellten Rechten und Pflichten auch im Übrigen sach- und fachgerecht arbeiten, also beispielsweise Vorschriften des Naturschutzes und örtliche Baumschutzsatzungen beachten sowie die anerkannten Regeln der Vegetationstechnik einhalten. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass ein Überhang im Sinne von § 910 BGB trotz Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht exakt auf der Grundstücksgrenze abgeschnitten werden darf, wenn dies die Gesundheit und/oder Standsicherheit des Baums beeinträchtigen könnte. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg in seinem Urteil vom 08.02.2018 (Az. 5 U 109/16) einen Grundstücksnachbarn, der einen sein Grundstück nachweisbar beeinträchtigenden Überwuchs durch diverse Linden durch ein Fachunternehmen hat beseitigen lassen, zum Schadensersatz verurteilt, weil der Rückschnitt nicht fachgerecht erfolgt war. Hierdurch sei der Bestand der Bäume gefährdet und somit das Eigentum des Nachbarn, auf dessen Grundstück die Linden standen, beschädigt worden. Das Fachunternehmen, welches den durch einen Sachverständigen festgestellten, nicht ordnungsgemäßen Rückschnitt vorgenommen hat, war als Streithelfer an dem Verfahren beteiligt, so dass vieles dafür spricht, dass der zum Schadensersatz verurteilte Kunde dieses Unternehmen aufgrund der mangelhaften Leistungserbringung in Regress nehmen wird/genommen hat.

Empfehlung

Bei Arbeiten im Bereich von Grundstücksgrenzen muss der Baumpfleger in verschiedener Hinsicht besondere Vorsicht und Sorgfalt walten lassen. Er sollte seinen Kunden auf eventuelle Bedenken hinsichtlich der Verletzung von Rechten des Nachbarn hinweisen und insoweit auf Klarstellung seines Auftraggebers und auf eine durch den Kunden zu beschaffende ausdrückliche Zustimmung des Nachbarn oder aber eine entsprechende Haftungsfreistellung drängen – dies alles natürlich am Besten beweisbar und somit schriftlich.

Wenn der Kunde darum bittet, die nachbarrechtliche Situation für ihn zu klären, sollte der Baumpfleger höflich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass dies nicht seine Aufgabe ist und dass ihm hierfür die notwendige Qualifikation fehlt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Baumpfleger die Zustimmung des Nachbarn zu einer geplanten Maßnahme einholen soll. Hierdurch kann er schnell in nachbarliche Differenzen hineingezogen werden und am Ende selbst als Buhmann dastehen. Darüber hinaus übernimmt er hiermit eventuell das Risiko, dass eine erforderliche Zustimmung doch nicht, beispielsweise nicht von der richtigen Person oder nicht in der richtigen Form und im richtigen Umfang, vorliegt.

Nachbarstreitigkeiten gehören zu dem Schlimmsten, was einem passieren kann. Gerade in Zeiten immer kleiner werdender Grundstücke und immer selbstbezogener Eigentümer wird häufig vehement und bis aufs Messer um jeden Zentimeter gekämpft. Der Baumpfleger sollte sich nicht in derartige Kriege, die stets mit großen emotionalen und häufig finanziellen Verlusten für alle Beteiligten verbunden sind, hineinziehen lassen.

Erschienen im April 2019 in der TASPO BAUMZEITUNG 02/2019, Zeitschrift für Baumpflege, Baumfreunde und Arboristik. Baumzeitung im Internet.

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