Vereinbarte teilgewerbliche Nutzung ist bei Ermittlung der ortsüblichen Miete zu berücksichtigen


Ist Wohnraum nach dem Vertrag zur teilgewerblichen Nutzung vermietet, muss diese Teilnutzung bei Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gesondert berücksichtigt werden.

LG Berlin, Urteil vom 13.06.2023 – 67 S 160/22, Volltext: IMRRS 2023, 0768 = BeckRS 2023, 13490 BGB § 556d Abs. 1, § 556g Abs. 1

Problem/Sachverhalt
Die Mieter haben eine Wohnung mit 139,94 qm angemietet. Nach dem Vertrag vom 13.08.2018 wurde eine Teilfläche von 39,94 qm zur „teilgewerblichen Nutzung“ vermietet. Die Mieter rügen einen Verstoß gegen die §§ 556d ff. BGB und fordern eine Rückzahlung preisrechtswidrig überzahlter Mieten sowie die Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete. Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete müsse unter ausschließlicher Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels erfolgen. Die mietvertragliche Einräumung einer teilgewerblichen Nutzungsmöglichkeit an einer Teilfläche ändere hieran nichts. Ein Zuschlag für eine teilgewerbliche Nutzung sei nicht gerechtfertigt, weil die Mieter nach Treu und Glauben ohnehin einen Anspruch aufteilgewerbliche Nutzung gehabt hätten.

Entscheidung
Dies sieht das LG Berlin in Abweichung zum AG Berlin-Mitte anders. Der nach dem Mietvertrag ausdrücklich vorgesehenen, nicht unerheblichen teilgewerblichen Nutzung müsse bei Ermittlung der ortsüblichen Vergleichs- und der preisrechtlich zulässigen Miete Rechnung getragen werden, weil der Berliner Mietspiegel zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete allein auf Mietsachen abstelle, die vollständig zur Wohnnutzung und nicht ganz oder jedenfalls teilweise zur gewerblichen Nutzung überlassen worden seien. Aufgrund des abstrakten Begriffs der gewerblichen Teilvermietung könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die hiernach zulässigen Nutzungen vom Begriff des „Wohnens“ ohnehin umfasst gewesen wären. Es liege auch keine Umgehung der §§ 556d ff. BGB vor, weil der Zweck dieser Vorschriften (Dämpfung des Mietanstiegs und Vermeidung einer sog. Gentrifizierung) durch die Berücksichtigung der teilgewerblich nutzbaren Flächen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht vereitelt werde.

Praxishinweis
Das LG Berlin hat den sicherlich ungewöhnlichen Sachverhalt mit zutreffenden Argumenten bewertet. Zwar gibt es Formen einer beruflichen Nutzung einer Wohnung, die unabhängig von einer ausdrücklichen mietvertraglichen Regelung und ohne explizite Zustimmung des Vermieters zulässig sind, beispielsweise regelmäßige Bürotätigkeiten („Homeoffice“). Wie das LG Berlin zutreffend festgestellt hat, ermöglicht eine abstrakt erlaubte teilgewerbliche Nutzung aber weit darüberhinausgehende Aktivitäten, die nicht mehr dem Begriff des Wohnens unterfallen. Es ist nachvollziehbar, dass ein derartiges Nutzungsrecht einen eigenen, zusätzlichen Wert haben kann, der auch Zuschläge zur ortsüblichen Vergleichsmiete, wie sie sich aus den Mietspiegeln für reine Wohnraummietverhältnisse ergeben, rechtfertigt. Wenn solche Nutzungsrechte bei einer Mieterhöhung des Vermieters nach den §§ 558 ff BGB berücksichtigt werden dürfen bzw. müssen (z. B. LG Hamburg, Urtei l vom 03.04.1998- 311 S 245/ 97; AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 01.10.2008 – 71 lA C 56/ 08; Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 558a Rz. 58; Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl.,§ 558a Rz. 8), sollte dies auch bei Anwendung der §§ 556d ff. BGB der Fall sein.

Erschienen im September 2023 bei IMR 09/2023. IMR im Internet.

Bußmann & Feckler PartmbB · Rechtsanwälte und Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht
Pierstraße 1 · 50997 Köln · Tel.: 02236-92987-0 · Fax: 02236-92987-20 · rechtsanwaelte@bussmann-feckler.de