Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen – jährliche Kontrolle reicht grundsätzlich aus


  • Die Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen – kurz Baumkontrollrichtlinie – der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) gibt den aktuellen Stand der anerkannten Regeln der Technik wieder.
  • Hiernach sind selbst bei stärker geschädigten Bäumen in der Alterungsphase und erhöhten Sicherheitserwartungen des Verkehrs jährliche Regelkontrollen (Sichtkontrollen) ausreichend.
    LG Bonn, Urteil vom 13.01.2010 – 1 O 149/09

Problem/Sachverhalt

Durch herabstürzende Baumteile wie Äste, etc., kommt es immer wieder zu Personen- und Sachschäden, welche die Gerichte beschäftigen. Im Rahmen der Überprüfung, ob der jeweilige Eigentümer des Baumgrundstücks – vielfach die öffentliche Hand – seinen Verkehrssicherungspflichten entsprochen hat, stellt sich die Frage, wie häufig Bäume überhaupt auf eventuelles Gefährdungspotenzial untersucht werden müssen.
Dabei ist die Rechtsprechung unter Bezugnahme auf die Methode des Visual Tree Assessment (VTA) bisher davon ausgegangen, dass eine Kontrolle grundsätzlich zweimal jährlich, jeweils einmal im belaubten und unbelaubten Zustand, stattzufinden hat (z.B. zuletzt OLG München, Urteil vom 07.08.2008 – 1 U 5171/07; OLG Brandenburg, Urteil vom 01.07.2008 – 2 U 30/06; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.05.2008 – I-15 U 124/05). Hierauf beruft sich der Kläger, dessen Pkw durch herabstürzende Äste beschädigt wurde, vor dem Landgericht Bonn.
Demgegenüber verweist der beklagte Grundstückseigentümer auf die Baumkontrollrichtlinie der FLL (Ausgabe 2004), wonach selbst bei stärker geschädigten Bäumen und höheren Sicherheitserwartungen des Verkehrs eine einmal jährliche Kontrolle ausreicht. Gesunde bzw. leicht geschädigte Bäume sind hiernach in der Regel sogar nur alle 2 Jahre zu kontrollieren.

Entscheidung

Nachdem das Landgericht Bonn die mündliche Einschätzung eines Sachverständigen eingeholt hat, folgt es dem Beklagten. Die Baumkontrollrichtlinie der FLL gebe den aktuellen Stand der Regeln der Technik wieder, weshalb die dortigen Kontrollintervalle ausreichend seien. Mit der entgegenstehenden Rechtsprechung setzt sich das Landgericht nicht auseinander.

Praxishinweis

In erfreulicher Klarheit hat das LG Bonn ein juristisches Zitierkartell durchbrochen, indem es nicht einfach andere Rechtsprechung ungeprüft übernommen, sondern unter sachverständiger Begleitung auf das einschlägige technische Regelwerk abgestellt hat.

Hilfreich war sicherlich, dass der Beklagte die Baumkontrollrichtlinie kannte und dem Gericht in der Klagerwiderung bereits vorgelegt hatte. Leider kommt es immer wieder vor, dass Parteien, Gerichte und sogar Sachverständige derartige technische Regelwerke nicht kennen und dementsprechend fehlerhafte Bewertungen treffen. Es ist bezeichnend, dass die bereits im Jahr 2004 von einem führenden Regelwerksgeber veröffentlichte Baumkontrollrichtlinie, welche wesentlich differenziertere Regelkontrollintervalle vorsieht, bisher keinen Niederschlag in der vielfältigen Rechtsprechung gefunden hatte.

Erschienen im Mai 2014 bei IMR 05/2014. IMR im Internet.

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