Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheit: Zu viel Sicherheit schadet nur


Sie sind nicht tot zu kriegen: Durch Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheiten versucht so mancher Auftraggeber das höchste Maß an Sicherheit zu erhalten. Aber was ist schon sicher in unserer Welt? Nichts!

Nicht einmal die Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheit! Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Auftraggebern, die über das Ziel hinausschossen, schon mehrfach die Flügel gestutzt. So ist mittlerweile klar, dass Vertragserfüllungssicherheiten, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) 10 % der Bausumme übersteigen, wegen einer Übersicherung unwirksam sind. Auch bei Mängelsicherheiten gibt es eine solche Grenze. Diese liegt derzeit wohl bei 5 % des Auftrags- bzw. Abrechnungsvolumens.
Wer besonders vorsichtig ist, lässt sich für die Vertragserfüllung nur noch Sicherheiten in Höhe von 5 % der Auftragssumme und für Mängelsicherheiten lediglich 3 % zusichern. Gerade die öffentlichen Auftraggeber wählen diese Variante. Dann versucht man zumindest, die Vertragserfüllungssicherheit möglichst weit auszudehnen.

Vermeintlicher Königsweg
Gedacht ist es eigentlich so: Für alle bis zur Abnahme auftretenden Mängel oder für entsprechende Restleistungen sollte die Vertragserfüllungssicherheit, für nach der Abnahme auftretende Mängel die Mängelsicherheit herhalten. In der Vergangenheit zeigte sich aber die Tendenz, vor allem die Vertragserfüllungssicherheiten auch auf die nach Abnahme auftretenden Mängel auszuweiten. Hier war man offenbar von dem Wunsch getrieben, nicht einmal eine theoretisch denkbare Lücke entstehen zu lassen. Außerdem wollte man die Vertragserfüllungssicherheit keinesfalls zu früh aus den Händen geben. Diese Kombination scheint für einige Auftraggeber offenbar der (vermeintliche) Königsweg zu sein.
Nachdem der BGH diese Vorgehensweise schon mehrfach innerhalb der letzten Dekade bemängelt hat, musste er sich erneut mit einem entsprechenden Fall befassen. Der öffentliche Auftraggeber hatte eine Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 5 % und eine Mängelanspruchssicherheit in Höhe von 3 % der Auftragssumme gefordert. Bei der Formulierung der Klausel zur Stellung der Vertragserfüllungssicherheit schlich sich dann ein kapitaler Fehler ein. Dieser war in der damaligen Fassung des Vergabehandbuchs des Bundes, aus dem er sie entnahm, vorgegeben. Die Vertragserfüllungssicherheit sollte nämlich auch für die „Erfüllung der Mängelansprüche“ gelten – und deckte sich insofern mit der Mängelsicherheit.

Erst nach Abnahme
Zudem regelte der in diesen Punkten als AGB aufzufassende Vertrag, dass die Rückgabe der Sicherheit für die Vertragserfüllung oder eine Umwandlung derselben in eine Mängelanspruchssicherheit erst „nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz“ verlangt werden konnte. Für die Mängelansprüche war geregelt, dass die Sicherheit wahlweise durch Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft geleistet werden könne, wobei nach der Schlussrechnungsstellung zunächst der Einbehalt erfolgte.
Der BGH sah in den Vertragsklauseln eine Übersicherung des Auftraggebers und erklärte dessen Sicherheitsverlangen für unwirksam (BGH, Urteil vom 16.07.2020 – VII ZR 159/19). Laut Gericht bestand die Gefahr, dass aufgrund der deckungsgleichen Ausrichtung von Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheit im Hinblick auf „Mängel“ beide Sicherheiten für einen längeren Zeitraum nebeneinanderstehen konnten und sich somit das Sicherungsvolumen nach Abnahme auf 8 % erhöhen konnte.
Zwar war textlich hinterlegt, dass die Vertragserfüllungssicherheit in eine Mängelsicherheit umgewandelt werden konnte; dies sollte jedoch erst geschehen, wenn, wie oben dargestellt, sämtliche bis dahin erhobene Ansprüche erfüllt waren. Bis dahin wurde von der Schlussrechnung ein zusätzlicher Betrag in Höhe von 3 % der Auftragssumme als Mängelsicherheit einbehalten. Dieser Zustand konnte lange anhalten, da es für die Rückgabe oder Umwandlung der Vertragserfüllungssicherheit nicht einmal darauf ankam, ob die erhobenen Ansprüche berechtigt waren.

DEGA-Tipp: Wenn Sie Zweifel über die Rechtmäßigkeit der Sicherungsanforderungen haben, lassen Sie diese ruhig einmal überprüfen. Stellt sich heraus, dass die Sicherheiten gar nicht hätten gefordert werden dürfen, können Sie ohne Weiteres zurückverlangt werden. Diese Prüfung empfiehlt sich insbesondere im Rahmen von bereits laufenden oder ohnehin anzustrengenden Gerichtsverfahren.

Erschienen im Oktober 2020 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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