Verzögerungen durch vorherige Gewerke: Der Mehrkosten-Hammer


Eine leider typische Situation: Ein Unternehmer erhält einen Auftrag, möchte beginnen und stellt fest, dass die notwendigen Vorarbeiten alles andere als fertig sind. Der Auftraggeber teilt sodann mit, dass sich der Start verschiebe, ohne konkrete Angaben zu machen. Dann beginnt das große Warten.

Irgendwann, mitunter Monate später, erreicht den Auftragnehmer die frohe Botschaft, er könne nun mit seinen Arbeiten beginnen. Als dieser jedoch seine notwendigen Baumaterialien bestellt, ist kein Lieferant mehr bereit, zu den ursprünglichen Preisen zu liefern. Auch die Mitarbeiterkosten sind aufgrund der letzten Lohnrunde gestiegen. Also bleibt nur der Weg zum Auftraggeber mit der Bitte um eine Preisanpassung, die jedoch abgelehnt wird. Was nun?
Rechtlich hatte man sich hierzu lange Zeit auf § 642 BGB konzentriert. Dieser besagt, dass dann, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich ist, dieser sie unterlässt und dadurch in einen sogenannten Annahmeverzug kommt, eine angemessene Entschädigung verlangt werden kann. Die„Handlung“ des Bestellers war schnell gefunden, ist dieser doch dafür verantwortlich, das bearbeitungsfähige Baufeld zur Verfügung zu stellen. So hat man in der Vergangenheit Mehrkostenansprüche über diesen Weg durchaus erfolgreich abgewickelt (zum Beispiel KG, Urteil vom 10. Januar 2017-21 U 14/16).

Handelt es sich um Schadenersatz?
Der Bundesgerichtshof jedoch hat dem mit Urteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 einen Riegel vorgeschoben. Nach seiner Auffassung könne die Entschädigung nur für während des laufenden Verzuges entstandene Belastungen verwendet werden, nicht aber für eine solche, die sich erst dann einstellt, wenn der Auftraggeber die von ihm geschuldete Handlung nachholen soll. Nun ist guter Rat teuer. Natürlich fällt einem bei Verzögerungsfällen immer auch § 6 Abs. 6 VOB/B ein, der sogar einen echten Schadenersatzanspruch beinhaltet. Das Problem ist nur, dass, wie es den Schadenersatzansprüchen eigen ist, ein sogenanntes Vertretenmüssen des schädigenden Teils gegeben sein muss. Das ist typischerweise Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Meist sind jedoch zu langsame Vorunternehmerleistungen ursächlich, sei es, weil der Vorunternehmer tatsächlich zu langsam gearbeitet hat, sei es, weil er Mängel produziert hatte und diese zunächst beseitigen muss. Dann fehlt es an einem direkten Verschulden des Auftraggebers. Kann man aber vielleicht den Auftraggeber für ein Verschulden der schließlich von ihm auch beauftragten Vorunternehmer haftbar machen? Eine Haftung für sogenannte Erfüllungsgehilfen sieht § 278 BGB durchaus vor.
Das Problem ist nur: In den Augen des BGH ist der Vorunternehmer gar kein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers. Zwar schuldet der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein bearbeitungsfähiges Baufeld. Weder schuldet er aber dessen Herrichtung, noch handelt es sich hierbei um eine echte Pflicht des Auftraggebers, sondern nur um eine sogenannte Obliegenheit, sodass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausging, der Vorunternehmer sei kein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers (zum Beispiel BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – VII ZR 185/98).

Startmitteilung ist meist keine Anordnung
Wir halten also fest: Die klassischen Behinderungsfolgenansprüche hat der BGH für den hier problematischen Fall bereits für unanwendbar erklärt. Es war folglich kreatives Denken gefragt. Könnte man nicht die Mitteilung des Auftraggebers, man könne nun mit den Arbeiten beginnen oder fortfahren, als eine Art Anordnung verstehen? Dabei käme es nicht einmal darauf an, ob eine Anordnung zur Bauzeit dem § 1 Abs. 3 VOB/B unterfällt, wonach Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen, dem Auftraggeber vorbehalten ist. Vielmehr sieht § 2 Abs. 5 VOB/B Mehr- oder Minderkosten auch für „andere Anordnungen des Auftraggebers“ vor.
Die rechtliche Literatur ist auf diesen Zug aufgesprungen und hat dies als gute und gerechte Lösung empfunden. Unumstritten war dieser Weg freilich nie: Während das OLG Köln mit Urteil vom 21. Dezember 2023 – 7 U 68/22 die Meinung vertrat, dass die bloße Mitteilung eines neuen Startzeitpunktes keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B und auch kein Angebot zur Änderung der vertraglichen Vereinbarung zur Bauzeit sein könne, war das KG mit Urteil vom 27. August 2024 – 21 U 128/23 anderer Ansicht, wenngleich das dortige Urteil für den Unternehmer dennoch negativ endete, da dieser den Anspruch nicht ordnungsgemäß darlegen konnte.
Wie so oft hat allerdings der Bundesgerichtshof das letzte Wort – und der hat gesprochen: Mit Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 1 0/24 hat er die Diskussion abgewürgt. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Mitteilung einer neuen Bauzeit beinhalte keine Anordnung, da der Auftraggeber insofern gar keine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben wolle und es daher verfehlt sei, seine bloße Mitteilung als solche auszulegen. Zwar handelte es sich um eine Einzelfallentscheidung; jedoch wird diese durchaus Beachtung finden.
Das gilt umso mehr, als der BGH auch seine Ansicht zu der Erfüllungsgehilfenstellung des Vorunternehmers nochmals bekräftigt hat. In dem oben genannten Urteil vom 26. Oktober 2017-VII ZR 16/17 hatte der BGH bereits den wenig hilfreichen Tipp gegeben, der Unternehmer, der sich schützen wolle, könne bei einer längerfristigen Unterbrechung eine Kündigung des Vertrages nach § 643 BGB oder § 6 Abs. 7 VOB/B erreichen. Dass damit dem Unternehmer, der gerade bei Großaufträgen keinen kurzfristigen Ersatz für den Auftrag wird generieren können, wenig geholfen ist und sich durch eine Kündigung sein Ruf sicherlich nicht verbessern wird, wird offenbar hingenommen.

Keine Gerechtigkeit
Dabei liegt die Ungerechtigkeit auf der Hand: Der Unternehmer steht vor einer Kostenerhöhung, die er nicht steuern kann, die er nicht ein° kalkulieren konnte und die, da die Koordination der Baustelle dem Auftraggeber ebenso obliegt wie die Übergabe des bearbeitungsfähigen Baufeldes, eigentlich dem Zuordnungs- und Risikobereich des Auftraggebers entstammt. Dennoch soll offenbar allein der Auftragnehmer hierfür den Kopf hinhalten. Mit meinem Gerechtigkeitsempfinden ist das nicht in Einklang zu bringen. Man sollte auch nicht zu früh den Kopf in den Sand stecken, weil vielleicht doch noch einige
Möglichkeiten bestehen, hier ein positives Ergebnis zu erreichen.
In etwas anders gelagerten Fällen wird man vielleicht sogar die Terminmitteilung als echte Anordnung auslegen können. Vielleicht kann uns auch ausgerechnet die vom BGH erneut verschmähte Vorschrift des § 6 Abs. 6 VOB/B helfen. Wie bereits erwähnt, geht es darum, ob den Auftraggeber ein Verschulden trifft. Wenn sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass ein Auftrag erteilt wurde, obwohl der Auftraggeber bereits wusste oder wissen konnte, dass er das bearbeitungsfähige Baufeld überhaupt nicht rechtzeitig werde präsentieren können, könnte man darin durchaus ein eigenes Verschulden sehen.
Auch wäre zu prüfen, ob der Auftraggeber, der eine Startzeit als Vertragsfrist vereinbart, nicht zugleich zu verstehen gibt, dass er für diese auch tatsächlich eintreten will. Dies könnte entweder die Obliegenheit aufwerten und in eine echte Pflicht verwandeln, weswegen die Haftung für ein Verschulden des Vorunternehmers nochmals zu überdenken wäre, oder es könnte als Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos gewertet werden, was nach § 276 Abs. 1 BGB zu einer strengeren Haftung führt. -Auch andere Wege sind im Einzelfall denkbar, so zum Beispiel die sogenannte, aber leider nur selten zu begründende Störung der Geschäftsgrundlage.

DEGA Tipp: Auf Augenhöhe verhandeln, gemeinsame Lösung finden
Die Unsicherheiten liegen derzeit offen zutage. Ob sich ein Weg finden lässt und ob dieser im Einzelfall eingeschlagen werden kann, kann nicht pauschal beurteilt werden. Vor dem Problem stehen aber sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber, der ebenso wenig prognostizieren kann, wie die Sache ausgehen wird. Würde er sich einer berechtigten Mehrkostenforderung verweigern, bestünde zudem die Gefahr, dass eine Leistungsverweigerung des Auftragnehmers plötzlich berechtigt wäre und der Auftragnehmer die Weiterarbeit an der Baustelle lahmlegen könnte.
Zudem könnte auch eine Drohung mit einer ansonsten unvermeidbaren Kündigung den nötigen Druck ausüben – das sollte zuvor aber rechtlich abgeklopft werden. Diese Punkte kön-nen dazu führen, dass die Vertragspartner auf Augenhöhe verhandeln und zu gemeinsamen Lösungen gelangen. Denken Sie also immer daran: Inwiefern der BGH schlussendlich noch einen Weg aufzeigt, der gangbar sein wird, ist auch für den Auftraggeber unklar.

Erschienen im Dezember 2024 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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