Vom Angebot zur Mängelhaftung – Die Abwicklung eines Bauvorhabens Teil 2


Der lange Weg zum Zuschlag

Im vergangenen Teil der Serie haben wir uns mit der Abgabe eines Angebots innerhalb eines Vergabeverfahrens nach der VOB/A beschäftigt. Damit ist es jedoch noch nicht getan. Schließlich konkurriert der Unternehmer mit zahlreichen anderen interessierten Bietern um den Auftrag. Diesen darf der an die VOB/A gebundene Auftraggeber jedoch nicht an irgendwen vergeben. Vielmehr hat er strenge Formalien und Bewertungskriterien zu beachten, die schlussendlich dazu führen, dass ein einzelner Betrieb an der Spitze der Bieter steht und den Zuschlag erhält. Damit wollen wir uns nachfolgend beschäftigen:

Die Submission

Alles beginnt mit dem Eröffnungstermin (§ 22 VOB/A), der auch als Submissionstermin bezeichnet wird. Bis zu diesem Termin müssen alle Angebote unter Verschluss gehalten werden. Angebote, die nach der Öffnung des ersten Angebots eingehen, finden keine Berücksichtigung mehr (§ 22 Nr. 2 VOB/A). Entscheidend für die Rechtzeitigkeit ist also weniger die in den Vergabeunterlagen mitgeteilte Angebotsfrist, als vielmehr die tatsächliche Öffnung des ersten Angebots. Keinesfalls jedoch darf mit der Öffnung vor dem angekündigten Zeitpunkt begonnen werden.

Prüfung der Angebote

An den Submissionstermin schließt sich die Prüfung der Angebote durch den Auftraggeber an (§ 23 VOB/A). Diese Prüfung stellt quasi die Grundlage der anschließenden Wertung der Angebote dar. Der Auftraggeber kontrolliert hierbei die Einhaltung der Formalien und die rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen Grundlagen.

In formeller Hinsicht stellt der Auftraggeber fest, welche Angebote pünktlich eingegangen sind und ob sie die Erfordernisse des § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A erfüllen. Verspätete, nicht unterschriebene oder nicht schriftlich bzw. nicht in einer zugelassenen elektronischen Form eingereichte Angebote werden bereits nicht weitergehend geprüft.

Rechnerisch wird das Zahlenwerk der verbleibenden Angebote Schritt für Schritt nachvollzogen. Sind dem Bieter Rechenfehler unterlaufen, fallen sie hierbei regelmäßig auf. Entspricht der Gesamtbetrag einer Position nicht dem Ergebnis der Multiplikation aus Einheitspreis und Mengenansatz, bleibt der Einheitspreis verbindlich und der Gesamtbetrag wird korrigiert (§ 23 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A).

Eine technische Prüfung erfolgt vor allem bei Funktionalausschreibungen. Sie ist darauf gerichtet, festzustellen, ob die vom Bieter vorgelegten technischen Unterlagen den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprechen. Die wirtschaftliche Prüfung soll schließlich ergeben, ob das Angebot nicht vielleicht ein offenkundiges Missverhältnis zwischen den angebotenen Preisen und der Leistung aufweist.

Wertung der Angebote

Während die Prüfung eher einer Fleißarbeit gleicht, wird es bei der Wertung der Angebote spannend. Diese Stufe des Vergabeverfahrens verlangt eine große Sorgfalt des Auftraggebers. Aus Fehlern können sich nämlich Ansprüche der zu Unrecht übergangenen Bieter ergeben. Es lohnt daher sich, diese Vorgänge kritisch zu betrachten.

Zunächst werden bei der Wertung diejenigen Angebote ausgeschlossen, die die formale Prüfung nach § 23 VOB/A nicht überstanden haben (§ 25 Nr. 1 VOB/A). An dieser Stelle kann es unter anderem zu einem Ausschluss des Angebots wegen fehlender Nachunternehmererklärung oder fehlerhafter Abgabe von Nebenangeboten kommen (vgl. Campos 10/2007). Dies ist noch relativ unproblematisch.

Im nächsten Schritt, der in § 25 Nr. 2 VOB/A geregelt ist, wird die Eignung der Bieter geprüft, was insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen relevant ist. Auf diesem Weg schließt der Auftraggeber aus, dass fachunkundige Bieter den Zuschlag erhalten. Dies ist wichtig, um eine mangelhafte Bauausführung aus schlichter Unkenntnis der Anforderungen zu vermeiden.

Bei einer beschränkten Ausschreibung nach § 3 Nr. 3 VOBA hat die ausschreibende Stelle von vornherein lediglich geeignete Unternehmen ausgewählt, sodass die Eignung eine untergeordnete Rolle spielt. Es werden nur solche Umstände (negativ) berücksichtigt, die nach der Angebotsaufforderung Zweifel an der Zuverlässigkeit begründen.

Unangemessene Preise

Ein Quell ewiger Diskussionen ist § 25 Nr. 3 VOB/A. Hiernach darf auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder einem unangemessen niedrigen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden. Bei einem unangemessen hohen Preis ist dies einleuchtend. Doch auch der unangemessen niedrige Preis ist für den Auftraggeber gefährlich, weil er dann befürchten muss, dass die Bauausführung dem zu niedrigen Preis entsprechend qualitativ minderwertig erfolgt. Um den Auftraggeber vor den Folgen einer solchen geringwertigen Bauleistung zu schützen, verlangt die VOB/A, unangemessen niedrige Angebote auszuschließen.

Zahlreiche Auftraggeber schießen dabei leider über das Ziel hinaus. Zunächst einmal bezieht sich der Begriff „Preis“ auf den Gesamtpreis und nicht auf eine einzelne Angebotsposition. Deshalb ist es dem Auftraggeber verwehrt, einen Ausschluss damit zu begründen, eine einzige Position sei unangemessen niedrig kalkuliert. Ist in diesen Fällen der Gesamtpreis (noch) im Rahmen des Angemessenen, erlangt der Bieter also in anderen Bereichen seines Angebots durch höher angegebene Preise einen tauglichen Ausgleich, darf er nicht ausgeschlossen werden. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 21.10.76, Az.: VII ZR 327/74 festgestellt. Selbstverständlich darf dies nicht als Aufforderung zu Mischkalkulationen verstanden werden. Solche bleiben untersagt (s. Teil 1 in Campos 10/07). Führt eine einzelne unterkalkulierte Position im Ergebnis auch zu einem zu niedrigen Gesamtpreis ist der Ausschluss freilich wiederum zulässig.

Vermutet der Auftraggeber einen unangemessen niedrigen Preis, muss er den Bieter nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A zur Aufklärung auffordern. Will dieser einen Ausschluss vermeiden, sollte er eine möglichst plausible Erklärung für seinen niedrigen Preis abgeben. So ist es beispielsweise ein durchaus relevantes Argument, dass einzelne Materialien zu einem Sonderpreis bezogen werden können oder aber eine Lagerfläche in einem Unternehmen zwingend frei geräumt werden muss. Vor generalisierenden Äußerungen muss in diesem Zusammenhang nachdrücklich gewarnt werden. Verbleiben nämlich nach der Aufklärung relevante Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots, ist dieses selbst dann wirksam ausgeschlossen worden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es auskömmlich gewesen wäre (VK-Bund, Beschluss vom 20.04.2005 – Az: VK 1-23/05).

Kalkulationsfehler

Erkennt der Bieter nach Angebotsabgabe, dass ihm selbst ein Kalkulationsfehler unterlaufen ist, möchte er mitunter gerne ausgeschlossen werden. Dabei kann das Angebot bis zur Submission unproblematisch in Textform zurückgenommen werden (§ 18 Nr. 3 VOB/B).

Hat die Öffnung der Angebote jedoch begonnen, wird es weitaus schwieriger. Die Gerichte gehen davon aus, dass die Ausschlussregelungen zu unangemessen niedrigen Angeboten allein dem Auftraggeber (und nicht dem Bieter) dienen. Es ist nämlich nicht Sinn und Zweck der Vorschrift, den Unternehmer vor zu niedrigen Preisen und damit vor sich selbst zu schützen. Danach ist ein Zuschlag in aller Regel auch dann verbindlich ist, wenn er auf einen unangemessen niedrigen Preis erteilt wird. Die Steuerungsmöglichkeiten des Bieters konzentrieren sich damit vor allem auf den Zeitpunkt vor der Zuschlagserteilung. Erfährt der Auftraggeber nämlich rechtzeitig vor dem Zuschlag von einem unangemessen niedrigen Preis, muss er den Bieter nach § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A ausschließen. Es empfiehlt sich daher, in Fällen, in denen dem Unternehmer eine Unterkalkulation auffällt, diese dem Auftraggeber zu offenbaren und um den Ausschluss zu bitten. Auch hier sollte eine möglichst eingehende Begründung erfolgen, da der Auftraggeber die Erklärungen überprüfen wird.

Wirtschaftlichkeit

Kernstück der Wertung der Angebote ist die Frage der Wirtschaftlichkeit. Nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A kommen nur solche Angebote in die engere Wahl, „die unter Berücksichtigung eines rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung erwarten lassen“. Vereinfacht gesagt wird überprüft, wer das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Hierbei ist der Angebotsendpreis sicherlich ein wichtiges, jedoch keineswegs das einzig ausschlaggebende Kriterium. Insbesondere ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, dem Angebot mit dem niedrigsten Preis in jedem Fall den Vorzug zu geben. Dies formuliert § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A in seinem letzten Satz. Dort heißt es wörtlich: „Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.“

Neben diesem spielen zahlreiche Kriterien eine Rolle, die § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A mit den Schlagworten Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, etc., nur beispielhaft aufführt.

Aufklärungsgespräche

Der Auftraggeber kann in beschränktem Umfang vor der Erteilung des Zuschlages Aufklärungsgespräche mit den Bietern führen. Die Gespräche dienen dem Zweck, Unklarheiten hinsichtlich der Eignung des Bieters oder der Bauausführung auszuräumen. Auch die Grundlagen der Angemessenheit der Preise dürfen geklärt werden.

Die Aufklärungsgespräche dürfen jedoch nicht in Preisverhandlungen ausarten, wie § 24 Nr. 3 VOB/A ausdrücklich bestimmt. Vielmehr soll ein ordnungsgemäßer Wettbewerb sichergestellt werden. Dem würde es deutlich widersprechen, wenn der Auftraggeber nach Öffnung und Verlesung der Angebote preislich nachverhandeln dürfte. Dementsprechend ist der Auftraggeber in diesen Gesprächen auch gehindert, nicht angebotene Preisnachlässe und Skonti anzufragen.

Zuschlag

Dem wirtschaftlichsten Angebot wird schlussendlich der Zuschlag erteilt, was nach § 28 VOB/A auch formlos geschehen kann. Mit dem Zuschlag kommt automatisch der Vertrag zustande, es sei denn, der Auftraggeber nimmt Erweiterungen, Einschränkungen oder Änderungen am Angebot des Bieters vor (§ 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A). In diesen Fällen muss sich der Bieter erst mit den Änderungen einverstanden erklären.

§ 19 VOB/A verlangt, dass der Auftraggeber den Bietern mit den Angebotsunterlagen eine Zuschlagsfrist mitteilt. Erteilt er den Zuschlag außerhalb dieser Frist, kommt ein Vertrag erst mit der Zustimmung des Bieter zustande (§ 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A).

Häufig bitten Auftraggeber, die merken, dass sie den Zuschlag nicht in der gesetzten Frist erteilen können, die Bieter um Verlängerung der Zuschlagfrist. Stimmt der Bieter dem zu, ist er auch während der verlängerten Frist an sein Angebot gebunden. Lehnt er die Verlängerung ab, wird er fortan nicht mehr berücksichtigt.

Aufhebung der Ausschreibung

Das krasse Gegenteil zur Zuschlagserteilung stellt die Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 VOB/A dar. Während durch den Zuschlag der Vertrag mit dem wirtschaftlichsten Bieter zustande kommt, führt die Aufhebung zu einer Beendigung des Vergabeverfahrens ohne dass ein Vertrag zustande kommt. Die VOB/A stellt hierzu einzelne Kriterien auf.

Problematisch ist insbesondere der Fall einer Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 c) VOB/A aus so genannten „anderen schwerwiegenden Gründen“. Dieses Kriterium wird häufig dann herangezogen, wenn aus Sicht der ausschreibenden Stelle kein preislich angemessenes Angebot eingegangen ist, was damit nachgewiesen werden soll, dass die eingegangenen Angebote erheblich von der eigenen Kostenermittlung abweichen. Hier lohnt sich ein zweiter Blick: Wie der Begriff „schwerwiegend“ bereits verdeutlicht, sind strenge Anforderungen an die Aufhebung zu stellen. Sicherlich kann es schwerwiegend sein, dass die Finanzmittel nicht ausreichen. Legt die Vergabestelle aber – beispielsweise aufgrund eigener Planungsfehler – schuldhaft einen zu niedrigen Preisansatz zugrunde, so ist die Aufhebung der Ausschreibung nicht rechtmäßig, wenn die eingegangenen Angebote zwar von den Preisvorstellungen abweichen, objektiv aber angemessen sind (Vergabeüberwachungsausschuss des Bundes, Beschluss vom 27.05.1997 – Az: 1 VÜ 10/97). Zwar kann der Auftraggeber auch in diesen Fällen nicht dazu gezwungen werden, einen Zuschlag zu erteilen, jedoch können den Bietern durch das rechtswidrige Verhalten der ausschreibenden Stelle Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber entstehen.

Liegt der Verdacht einer unzulässigen Aufhebung der Vergabe nahe, sollte der Bieter die ausschreibenden Stelle um eine schriftliche Begründung bitten, wozu diese verpflichtet ist (§ 26 Nr. 2 VOB/A).

Leistungsausführung

Wurde im Idealfall die Ausschreibung nicht aufgehoben und ein wirksamer Zuschlag erteilt, schließt sich die Leistungsausführung an. Der Gang der Ausschreibung spielt dann für die beteiligten Parteien nur noch eine untergeordnete Rolle. Doch auch hier werden die Probleme, wie allen Lesern bekannt sein wird, nicht geringer…

Erschienen im November 2007 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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