Wer haftet für das schlechte Wetter?


Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B gelten Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden musste, nicht als Behinderung.

Diese Umstände muss ein Auftragnehmer also in seine zeitlichen Planungen einrichten. Umgekehrt können dem Auftragnehmer Bauzeitverzögerungen, welche durch völlig außergewöhnliche Witterungsereignisse verursacht wurden, nicht entgegengehalten werden.

Kann der Auftragnehmer aber nunmehr umgekehrt für durch solche Ereignisse verursachte Bauzeitverzögerungen entstandene wirtschaftliche Nachteile Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen? Da ein Verschulden des Auftraggebers für das schlechte Wetter nicht in Betracht kommen wird, ließe sich ein solcher Anspruch allenfalls aus § 642 BGB ableiten.

Wie es scheint, ist gerade im Bezirk des Landgerichts Cottbus häufiger mit außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen zu rechnen, denn dort musste in den letzten Jahren schon zweimal hierzu entschieden werden. Im Jahr 2010 ging es darum, dass bestimmte Baumfäll- und Rodungsarbeiten naturschutzrechtlich erst nach dem Umsetzen von Ameisennestern durchgeführt werden konnten. Hierfür war der Auftraggeber verantwortlich. Aufgrund ungewöhnlich geringer Außentemperaturen im März 2006 erfolgte die Umsetzung jedoch erst deutlich verspätet, weshalb der Auftragnehmer der Baumfällarbeiten die Vergütung von Stillstandszeiten und zusätzliche Transportkosten verlangt hat. Das Landgericht (Urteil vom 03.03.2010 – 6 O 258/07) war der Auffassung, dass das vorliegend aufgetretene Problem in die Risikosphäre des Auftraggebers fiel. Es handele sich um eine besondere Form des Baugrundrisikos, welches vom Besteller zu tragen sei. Demzufolge konnte der Auftragnehmer einen Ausgleich der ihm entstandenen Mehrkosten verlangen.

Nachdem diese Entscheidung nachfolgend durchaus kontrovers diskutiert worden ist („Der Auftraggeber ist aber grundsätzlich nicht der liebe Gott oder ein Schamane oder ein sonstwie gearteter Sonnenmacher“), hatte die gleiche Kammer des Landgerichts Cottbus am 08.12.2011 nochmals Gelegenheit, sich mit einem ähnlichen Sachverhalt zu beschäftigen (Az. 6 O 68/11). Allerdings war es dort so, dass nicht der Auftraggeber aufgrund besonderer Witterungsbedingungen daran gehindert war, die erforderlichen Vorleistungen zu erbringen. Vielmehr konnte der Auftragnehmer selbst die von ihm zu erledigenden Rohbauarbeiten aufgrund außergewöhnlicher Frosttemperaturen und überdurchschnittlicher Schneemengen über einen längeren Zeitraum nicht ausführen und verlangte deshalb eine Mehrvergütung wegen Stillstandes der Baustelle.

Das Landgericht stellt hierzu klar, dass die Bereitstellung eines bestimmten Wetters keine Mitwirkungshandlung des Bestellers, d.h. des Auftraggebers war und ist. Das Wetter gehöre auch nicht zum Baugrundrisiko. Demzufolge könne der Auftraggeber hierfür auch nicht haftbar gemacht werden. So wie der Auftraggeber wegen der hierdurch verursachten Bauzeitverzögerung keine Ansprüche gegen den Auftragnehmer geltend machen kann, kann der Auftragnehmer umgekehrt aus demselben Grund auch keine Ansprüche gegen ihn realisieren. Der Unterschied zu der Entscheidung aus dem Jahre 2010 läge darin, dass dort die ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse eine von dem Auftraggeber geschuldete Vorleistung (Umsetzen der Ameisennester) verzögert hatten. Diese Vorleistung und deren zeitliche Realisierbarkeit hätte in der Risikosphäre des Bestellers gelegen. Anders sei es vorliegend gewesen, denn das Baufeld habe grundsätzlich zur Verfügung gestanden und lediglich die tatsächliche Leistungserbringung sei durch das schlechte Wetter verhindert worden.

Das Urteil des Landgerichts Cottbus ist noch nicht rechtskräftig. Vielmehr wurde Berufung eingelegt. Nach unserer Bewertung dürften die dortigen Ausführungen aber durchaus überzeugend sein. Für ungewöhnliche Witterungsereignisse kann niemand haftbar gemacht werden; jeder trägt insoweit die bei ihm liegenden Risiken selbst.

Leitungsschaden – auch Prüfkosten sind erstattungsfähig

Gerade im Garten- und Landschaftsbau kommt es relativ häufig vor, dass im Erdreich vorhandene Leitungen beschädigt oder zerstört werden. Welche Verpflichtungen der Bauunternehmer im Vorfeld seiner Arbeiten zu erfüllen hat, d.h. welche Informationen (Leitungspläne, etc.) er sich beschaffen muss und welche Prüfungen zu erledigen sind, war bereits Gegenstand vielfältiger gerichtlicher Entscheidungen.

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 07.02.2012 – VI ZR 29/11) hat der bestehenden Problematik nunmehr einen neuen Aspekt hinzugefügt. Im Rahmen von Rodungsarbeiten überfuhr ein Bauunternehmer mit einem 20 t schweren Kettenbagger einen ca. 8 m breiten Streifen, welcher zum Schutz einer darunter befindlichen, unterirdisch verlegten Gasleitung freigehalten werden sollte. Im Rahmen einer Überprüfung durch den Versorger stellte sich heraus, dass die Leitung hierdurch tatsächlich keinen Schaden genommen hatte. Der Streit ging also letztlich nur noch um die Kosten für die reine Untersuchung, welche immerhin eine Freilegung der Leitung erforderlich gemacht hatte und knapp 9.000,00 € ausmachten.

Nach Auffassung des BGH hatte das Bauunternehmen die entstandenen Kosten deshalb zu tragen, weil der Energieversorger zwingend dazu verpflichtet war, die Gasleitung in der vorliegenden Situation auf Schäden zu untersuchen, da von defekten Gasleitungen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen können. Aus diesem Grund genügte allein der – nicht fernliegende – Verdacht darauf, dass eventuell eine Beschädigung hätte eingetreten sein können, für eine Beeinträchtigung der Rechte des Gasversorgers, denn dieser konnte die Nutzung der Leitung nicht dauerhaft fortsetzen, ohne zuvor besondere Überprüfungsmaßnahmen zu ergreifen.

Es ist zu erwarten, dass auch andere Versorger, beispielsweise im Bereich von Strom und Telekommunikation, die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Anlass nehmen, vergleichbare Überprüfungen auf Kosten von Bauunternehmen durchzuführen. Allerdings dürften die wenigsten der dort denkbaren Sachverhalte mit der vorliegend entschiedenen Situation übereinstimmen. Insbesondere kann regelmäßig nicht angenommen werden, dass ein Versorger eine nur möglicherweise beschädigte Leitung nicht dauerhaft weiter nutzen kann, ohne diese zu überprüfen. Vielmehr wird man üblicherweise davon ausgehen können, dass nur an anderer Stelle tatsächlich wahrnehm- und messbare Beeinträchtigungen der Leitungskapazität zur Durchführung konkreter Kontrollen und Überprüfungen vor Ort berechtigen und verpflichten.

Dennoch sollte die vorliegende Entscheidung nochmals nachdrücklich daran erinnern, dass man bei unterirdischen Arbeiten stets die Möglichkeit von Leitungsführungen im Auge haben und hierfür die notwendigen Vorkehrungen treffen muss.

Verstehe Deinen Anwalt – Die herrschende Meinung

Gerne beruft sich der Jurist zur Begründung seiner rechtlichen Bewertungen auf „die herrschende Meinung“. Gemeint ist, dass die auf Mehrheit der Personen, welche sich in der juristischen Fachliteratur zu einem Thema geäußert haben, die gleiche Auffassung vertreten. Ob diese Mehrheit aber nur 51 % der Autoren umfasst oder ob es lediglich alle Autoren bis auf einen störrischen Abweichler sind, welche die herrschende Meinung ausmachen, vermag niemand zu sagen. Vielfach wird auch noch die herrschende Lehre von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (oder anderer Obergerichte) abgegrenzt, steht hierzu also im Widerspruch. Das muss aber nicht sein; manchmal ist nur ein einzelnes Land- oder Oberlandesgericht das schwarze Schaf. Bei vollständiger Einigkeit lässt sich der Begriff der herrschenden Meinung noch zur „einhelligen“ Auffassung in Rechtsprechung und Literatur steigern.

Auch wenn mancher Jurist dies gerne anders sehen würde, lässt sich eine inhaltliche Argumentation und eigene gedankliche Auseinandersetzung durch den Verweis auf die herrschende Meinung nicht ersetzen. Zum einen müssen es nicht unbedingt die klügsten Köpfe sein, welche sich in der Fachliteratur äußern; zum anderen besteht eine (allzu menschliche) Tendenz, bestimmte Äußerungen, welche einmal getätigt worden sind, ungeprüft zu übernehmen. Im Rahmen derartiger Zitierkartelle entsteht dann schnell eine herrschende Meinung, ohne dass diese wirklich fundiert ist. Vielfach ist es so, dass gerade die abweichende Auffassung sich wesentlich intensiver mit einem Problem auseinander gesetzt hat und daher durchaus erwägenswert ist. Letztlich handelt es sich also bei dem Verweis auf die herrschende Meinung um wenig mehr als eine reine Worthülse.

Erschienen im Mai 2012 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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