Wie wird bei vereinbarter teilgewerblicher Nutzung die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt?


1. Bei ausdrücklich vereinbarter, teilgewerblicher Nutzung von Wohnraum ist die ortsübliche Vergleichsmiete grundsätzlich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu bestimmen.

2. Hierbei kommt es ausschließlich auf den Umfang der im Mietvertrag eingeräumten Befugnis zur teilgewerblichen Nutzung an und nicht auf die tatsächliche Nutzung.

LG Berlin, Urteil vom 13.06 .2023 – 67 S 160/22, Volltext: IMRRS 2023, 0768 ~ BeckRS 2022, 13490 BGB §§ 556d, 556g Abs. 1

Problem/Sachverhalt
Bei Anmietung einer Wohnung mit einer Fläche von 139,94 qm wurde hinsichtlich einer Teilfläche von 39,94 qm eine „teilgewerbliche Nutzung“ vereinbart. Die Mieter rügen einen Verstoß gegen die §§ 556d ff. BGB und fordern eine Rückzahlung preisrechtswidrig überzahlter Mieten sowie die Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete. Das LG Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass entgegen der Auffassung der Mieter die vertraglich vereinbarte teilgewerbliche Nutzung bei Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gesondert zu berücksichtigen ist (s. IMR 2023, 354 – in diesem Heft). Wie ist diese Miete aber nun konkret zu ermitteln?

Entscheidung
Nach dem LG Berlin lässt sich die ortsübliche Vergleichs- und die preisrechtlich zulässige Miete bei Vertragslage einer teilgewerblichen Nutzungsmöglichkeit grundsätzlich verfahrensfehlerfrei nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermitteln. Hierbei ist allein der Umfang der im Mietvertrag eingeräumten Befugnis zur teilgewerblichen Nutzung entscheidend. Der Umfang der vom Mieter nach Vertragsschluss in der Mietsache tatsächlich entfalteten gewerblichen Nutzung ist für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichs- und der preisrechtlich zulässigen Miete ohne Belang.

Praxishinweis
Beide Wertungen des LG Berlin sind zutreffend. Wenn man die in § 558 Abs. 2 BGB vorgesehenen Mittel zur Begründung einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete betrachtet, wird sich wohl kein Mietspiegel und keine Mietdatenbank finden, in denen die Vereinbarung einer teilgewerblichen Nutzung berücksichtigt sind (§ 558 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB). Vergleichbare Wohnungen mit entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen (§ 558 Abs. 2 Nr. 4 BGB) lassen sich regelmäßig nicht benennen, so dass nur noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens verbleibt. Dies gilt mangels Schätzungsgrundlage i.S.v. § 287 ZPO auch in einem Gerichtsverfahren. Da die ortsübliche Vergleichsmiete eine abstrakte Bewertung dessen darstellt, was für die Anmietung einer Wohnung zu zahlen ist, kann es auf die tatsächliche, immer vom jeweiligen Mieter abhängige individuelle Nutzung, die sich möglicherweise sogar häufiger ändert, nicht ankommen, sondern nur darauf, was vereinbart und hiernach zulässig ist. Generell ergeben sich aus dem Urteil für Vermieter Chancen und Risiken. Einerseits kann über entsprechende mietvertragliche Vereinbarungen möglicherweise ein höherer Mietzins gerechtfertigt werden; andererseits erfordert eine Mieterhöhung dann als Begründungsmittel immer ein Sachverständigengutachten, dessen Kosten häufig deutlich außer Verhältnis zu den hierdurch zu erzielenden Mehreinnahmen stehen. Vereinbarungen, die ohne entsprechende sachliche Grundlage (z. B. besonderes Nutzungsinteresse des Mieters) und allein mit dem Ziel höherer Mieteinnahmen abgeschlossen werden, dürften als unzulässiges Umgehungsgeschäft angesehen werden.

Erschienen im September 2023 bei IMR 09/2023. IMR im Internet.

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