Gutachten aus der Hand gegeben – der sachverständige Stiefvater


Bei den Brüdern Grimm ist die Stiefmutter meist die böse. In einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 25. Oktober 2019 (Aktenzeichen 25 W 249/19) spielte nun aber der Stiefvater eine entscheidende Rolle.

Dieser wollte jedoch nicht etwa seinen Stiefsohn schädigen, sondern ihm helfend unter die Arme greifen. Ob dies geschah, weil er ihn generell für unfähig hielt, ist nicht überliefert, jedenfalls betrieben Stiefvater und Stiefsohn als Geschäftspartner ein gemeinsames Unternehmen. Beide waren zudem als Sachverständige unterwegs, wobei nur noch der Stiefsohn öffentlich bestellt und vereidigt war.
In dieser Funktion erhielt der Stiefsohn den Auftrag, im Rahmen eines Prozesses ein Gutachten zu erstellen. Nach Zugang des Auftrags teilte er mit, dass er seinen Stiefvater und Geschäftspartner um Mithilfe zur Beantwortung der Beweisfragen bitten werde. Das Gericht schwieg hierzu zunächst. Es folgte sodann der Ortstermin, an dem der Stiefvater ebenfalls anwesend war. Sodann erstattete der Stiefsohn sein Gutachten – eigentlich jedoch erstatteten es beide; es wurde jedenfalls von beiden unterschrieben. Wie dies häufig der Fall ist, äußerten die Prozessparteien sodann Vorbehalte gegen einzelne Äußerungen des Gutachtens, worauf das Gericht sich für eine Befragung des eigentlich beauftragten Sachverständigen entschied.

Immer im Doppelpack
Bei Gericht erschien jedoch nicht der ausschließlich seitens des Gerichts beauftragte Sachverständige, sondern zusätzlich erneut sein Stiefvater, der sich dann ebenfalls vernehmen ließ. Hierbei zeigte sich, dass der Stiefvater offensichtlich ganz wesentliche Teile des Gutachtens selbst verfasst hatte, ohne dass der Stiefsohn diese überhaupt bearbeitet hatte. Hiergegen richtete sich der Beklagte des Verfahrens, der darstellte, es könne nicht sein, dass der vom Gericht beauftragte, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige offenbar nur einen Bruchteil der gutachterlichen Tätigkeit zu verantworten habe und der Hauptteil von einem Sachverständigen stamme, den das Gericht nicht ausgewählt habe und der offensichtlich aus Altersgründen nicht mehr vereidigt sei. Das Gutachten sei unbrauchbar und dürfe nicht verwertet werden.
Letzteres, also die Verwertbarkeit, stand am Ende nicht mehr zur Entscheidung an, da die Parteien sich zwischenzeitlich verglichen hatten. Das OLG Hamm entschied nun allerdings dem Sachverständigen seine Entschädigung zu versagen und bereits ausgezahlte Teile zurückzufordern. Der beauftragte Sachverständige habe gegen § 407a Abs. 3 ZPO verstoßen, indem er den eigentlich ihm übertragenen Auftrag an einen Dritten vergab.

Große Teile nicht selbst begutachtet
Zwar sei es durchaus üblich und zulässig, sich bei der Beantwortung der Beweisfragen der Hilfeleistung Dritter zu bedienen (z.B. Labore oder für Einzelfragen spezialisierte Sachverständige). Vorliegend jedoch habe der Sachverständige komplette Fragen durch seinen Stiefvater beantworten lassen. Dazu gehörte insbesondere auch die dort verfahrensprägende und insofern besonders wichtige Beweisfrage.
Es sei nicht erkennbar gewesen, dass der eigentlich beauftragte Sachverständige die Ergebnisse des Dritten – wie es seine Aufgabe gewesen wäre – nachvollzogen hätte und sich hieraus eine eigene Überzeugung gebildet hätte. Vielmehr habe er die Grenze bereits dort überschritten, wo er die Arbeiten aus der Hand gegeben habe und die wissenschaftliche Auswertung und Gesamtbeurteilung dem vermeintlichen Gehilfen überlassen habe. Im Ergebnis bekam der vom Gericht beauftragte Sachverständige keinen Cent – selbstverständlich ging auch sein Stiefvater leer aus.

Erschienen im März 2020 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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