Anmeldung von Bedenken – Teil 1


Ungeliebt, aber notwendig: die Bedenkenanmeldung

Die Bedenkenanmeldung – viele Unternehmen haben von ihr gehört, jeder glaubt, die Grundlagen zu beherrschen und dennoch handelt es sich um eine der am häufigsten diskutierten Problemstellungen des Baurechts. Zumeist aus Sorge, den Kunden zu verprellen, scheuen sich gerade Landschaftsgärtner davor, ihre Bedenken ausreichend mitzuteilen. Nachfolgend werden wir zeigen, wie falsch und auch gefährlich diese Einstellung ist.

Beginnen wollen wir jedoch mit den rechtlichen Grundlagen der Bedenkenanmeldung:

§ 4 Nr. 3 VOB/B

In § 4 Nr. 3 VOB/B ist geregelt, dass der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer schriftlich und unverzüglich mitzuteilen hat. Diese Verpflichtung, die sich so ausdrücklich nur in der VOB/B findet, gilt übrigens auch dann, wenn die VOB/B nicht vereinbart worden ist. Hintergrund hierfür ist, dass die Bedenkenanmeldepflicht dem allgemein gültigen Gebot eines fairen Umgangs miteinander, wie er beispielsweise in § 242 BGB geregelt ist, entspringt.

Prüfpflichten

Nun entstehen Bedenken nicht automatisch. Um überhaupt bewerten zu können, ob eine Pflicht zur Anmeldung von Bedenken besteht, ist es vielmehr notwendig, die Pläne, Vorleistungen, etc. einer Überprüfung zu unterziehen (Prüfpflicht). Wie diese auszusehen hat, bzw. mit welcher Intensität zu prüfen ist, ist weder in der VOB/B noch in gesetzlichen Vorschriften vorgegeben. Für jedes Bauvorhaben übertragbare Empfehlungen lassen sich hierzu kaum geben. Vielmehr wird man jede Situation einer Einzelfallbewertung unterziehen müssen. Folgende Grundsätze kann man aber festhalten:

Ansatzpunkt für den Umfang der Prüfungspflicht ist stets das beim Auftragnehmer vorauszusetzende „branchentypische Wissen“. Er muss den neuesten Stand der Technik kennen, Diskussionen in Fachkreisen verfolgen, sich über den Stand der einschlägigen Literatur auf dem Laufenden halten und dieses erworbene Wissen auf seine vorzunehmenden Prüfungen anwenden.

Dies beantwortet jedoch immer noch nicht, welchen Umfang die Überprüfungen aufweisen müssen. Fest steht, dass dem durchschnittlichen Unternehmer nicht zugemutet werden kann, komplizierte Berechnungen oder Messverfahren durchzuführen. Für den Regelfall wird nach derzeitigem Stand eine eingehende Sichtprüfung genügen. Dies schließt die Zuhilfenahme einfacher und auf der Baustelle vorhandener Gerätschaften ein. Die Art und Weise der Überprüfung ist jedoch immer im Zusammenhang mit der Baumaßnahme zu sehen. Zum einen ist die Pflicht zur Untersuchung umso höher, je wichtiger die Überprüfung für den Erfolg der Maßnahme ist. So hat das Oberlandesgericht Bremen mit Urteil vom 15.02.2001 – Az.: 5 U 69/00 – festgestellt, dass ein Unternehmer auch über die Sichtprüfung hinausgehende Untersuchungen vorzunehmen hat, wenn für die Gesamtmaßnahme besonders erhebliche Leistungen betroffen sind. In dem genannten Fall ging es darum, dass der Untergrund, auf dem ein komplettes Bauwerk errichtet werden sollte, erhebliche Unterschiede in der Tragfähigkeit aufwies, die dem Auftragnehmer nicht aufgefallen sind, da er nur eine Sichtprüfung vorgenommen hat. Das Gericht war der Ansicht, es hätte wegen der erheblichen Bedeutung für das Gesamtbauwerk zumindest eine Künzelstabprobe veranlasst, notfalls sogar ein Sachverständiger hinzugezogen werden müssen.

Schließlich ist der Umfang der Prüfpflicht von der eigenen Sachkunde des Auftraggebers bzw. der von diesem eingeschalteten Personen abhängig. Liegt z.B. ein detailliertes Bodengutachten vor, wird der Auftragnehmer sich hierauf verlassen können. Falls im Zuge seiner Arbeiten dennoch Probleme auftreten, muss er den Auftraggeber aber auf diese hinweisen.

Wahrscheinlichkeiten

Hat der Landschaftsgärtner nun seine Prüfpflicht ordnungsgemäß erfüllt, stellt sich die Frage, über welche hierbei festgestellte Umstände er seinen Auftraggeber informieren, d.h. Bedenken anmelden muss. Es geht also darum, welche wie wahrscheinlich ein zu möglicherweise zu erwartendes Problem oder ein Schaden ist, damit die Bedenkenanmeldung berechtigt ist. An dieser Schwelle scheitert in der Praxis so manche eigentlich indizierte Bedenkenanmeldung, denn häufig will der Landschaftsgärtner seinen Auftraggeber nicht „unnötig“ hiermit belasten und hofft, dass sich das von ihm vorhergesehene Risiko nicht realisiert.

Wichtig ist aber, dass der Auftragnehmer keinesfalls Gewissheit über einen möglichen Schaden haben muss. Es genügt vielmehr, wenn er ausschlaggebende Gründe dafür erkannt hat, dass sich die festgestellten Umstände nicht mit dem vereinbaren lassen, was zu einer ordnungsgemäßen Leistung zählt. Hierfür reicht eine aus seinem fachmännischen Wissen und Können stammende Vermutung aus. Damit zeigt sich, dass die nicht selten von Auftraggeberseite geäußerte Ansicht, wonach eine Bedenkenanmeldung rechtswidrig gewesen sein soll, wenn sich die Bedenken schlussendlich als unzutreffend herausstellen, fehlerhaft ist. Schon gar nicht kann der Auftraggeber dem Landschaftsgärtner dann, wenn sich die berechtigten Bedenken als nicht existent herausstellen sollten, Schadensersatz verlangen oder gar den Vertrag kündigen.

Ordnungsgemäße Anmeldung

Wichtig ist in jedem Fall, dass der Landschaftsgärtner seine Bedenken ordnungsgemäß anmeldet. Ein Kriterium der Ordnungsgemäßheit ist bereits in § 4 Nr. 3 VOB/B enthalten. Nach dieser Vorschrift sind Bedenken stets schriftlich anzumelden. Über den Inhalt und Umfang der Bedenkenanmeldung ist damit freilich noch keine Aussage getroffen. Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst den Sinn einer Bedenkenanmeldung verstehen.

Es nützt dem jeweiligen Auftraggeber nichts, wenn er von einem Auftragnehmer zwar eine fachgerechte Ausführung erhält, aber aufgrund anderer Umstände ein vorhersehbarer Mangel oder Schaden eintritt. Nehmen wir hierzu folgendes Beispiel an: Wenn die Firma Grünes Glück eine Pflasterung herstellen soll, der nicht von ihr selbst vorbereitete Untergrund jedoch nicht ausreichend verdichtet ist, kann die eigentliche Leistung der Firma Grünes Glück noch so gut erbracht sein. Schlussendlich wird die gesamte Pflasterung durch Absackungen beeinträchtigt sein.

Wird dies dem Auftraggeber frühzeitig mitgeteilt, kann er zu einem Zeitpunkt reagieren, an welchem die notwendige Maßnahme – Verdichtung des Untergrunds – noch vergleichsweise einfach ergriffen werden kann. Hat die Firma Grünes Glück erst einmal ihr Pflaster aufgebracht, wird der Aufwand der nachfolgenden Mängelbeseitigung ungleich größer sein, denn dann muss zunächst die Pflasterung aufgenommen und später wieder aufgebracht werden. So erstaunlich dies für den einen oder anderen Landschaftsgärtner klingen mag: Tatsächlich dient die Bedenkenanmeldung der Information und damit letztendlich dem Schutz des Auftraggebers. Dies sollte insbesondere dem Auftraggeber, der sich über schriftliche Bedenkenanmeldungen beschwert, nahe gebracht werden. Er steht sich nämlich schlechter, wenn er Bedenken unterbindet und nachher eine vollständige Nachbesserung veranlassen muss.

Aus diesem Zweck folgt, welchen Inhalt die Bedenkenanmeldung haben muss: Der Auftraggeber ist umfänglich über die Umstände zu informieren, die zu den Bedenken führen. Wichtig ist dabei, die Ursache und deren Konsequenz so detailliert wie möglich mitzuteilen. Je weniger Fachkunde der Auftraggeber besitzt, umso umfangreicher und verständlicher hat die Information zu sein. Es ist deshalb dringend geboten, die Bedenkenameldung sorgfältig zu verfassen. Die Tragweite einer eventuellen Nichtbeachtung der Bedenken muss dem Auftraggeber bewusst werden.

Ein Lösungsvorschlag hinsichtlich der korrekten Ausführung oder Schadensbeseitigung muss nicht erfolgen und ist zudem gefährlich: Der Auftragnehmer kann hierfür nämlich als Planungsverantwortlicher haften.

Übrigens: Die Bedenkenanmeldung muss nicht zwingend für Unmut beim Kunden sorgen. Ihm kann vermittelt werden, dass es für ihn positiver ist, frühzeitig eine solche Mitteilung zu erhalten und reagieren zu können, als zu einem späteren Zeitpunkt nochmals neue Bauleistungen zulassen zu müssen. Zudem können Bedenkenanmeldungen auch durchaus freundlich gehalten sein. Das Wort „Bedenken“ oder etwa ein Hinweis auf § 4 Nr. 3 VOB/B müssen nicht einmal hierin vorkommen.

Adressat der Bedenkenanmeldung

Wenn die Bedenkenanmeldung nun verfasst ist, fragt sich, wer das Schreiben erhalten soll. In vielen Fällen wird ein Architekt mit der Bauleitung betraut sein. Selbst wenn er von Seiten des Auftraggebers als Bevollmächtigter ausgewiesen wurde, ist die Übergabe der Bedenkenanmeldung ausschließlich an ihn äußerst bedenklich. Das Oberlandesgericht Celle hat unter Berufung auf den Bundesgerichtshof betont, dass eine Bedenkenanmeldung gegenüber dem Architekten jedenfalls dann nicht ausreiche, wenn ein Planungsfehler betroffen und der Architekt nicht dazu bereit sei, von seiner Ursprungsplanung abzurücken (OLG Celle, Urteil vom 21.10.2004, Az.: 14 U 26/04).

Dieser Rechtsprechung wird man zustimmen müssen. Man muss sich insoweit vor Augen führen, dass dem Architekten in der Bedenkenanmeldung zumeist eine Fehlplanung oder zumindest eine mangelnde Bauaufsicht vorgeworfen wird. Dessen Motivation, den Bauherrn hiervon zu unterrichten wird damit denkbar gering sein. Es besteht also das erhebliche Risiko, dass derjenige, der am ehesten betroffen ist – nämlich der Bauherr – von der Bedenkananmeldung gar nichts erfährt und folglich keine angemessene Entscheidung treffen kann. Um den Bauherrn tatsächlich zu erreichen, ist deshalb eine direkte Zusendung der Bedenkenanmeldung an ihn unumgänglich.

Auch die Unart, Bedenkenanmeldungen dem Architekten zur Übergabe an den Bauherrn zuzusenden, genügt hier nicht. Die Wirkungen der Bedenkenanmeldung treten erst mit Zugang beim Auftraggeber ein. Da der Architekt nur als so genannter Bote fungiert, hat die Übergabe an ihn keine Bedeutung. Erst dann, wenn das Schreiben beim Auftraggeber ankommt, gilt es als zugegangen.

Fazit:

Bedenken Sie bitte: Der Auftraggeber, der sich heute noch über Bedenkenanmeldungen aufregt, wird sich am nächsten Tag damit wehren, er habe keine Bedenkenanmeldung erhalten. Dies ist für den Auftragnehmer fatal. Er muss sich zwingend vor Augen führen, dass die Bedenkenanmeldung vor allem dem Auftraggeber dient und für eine frühzeitige Problemlösung unabdingbar ist. Unterlassene Bedenkenanmeldungen verschieben das Problem lediglich auf einen späteren Zeitpunkt. Dann jedoch ist der Aufwand der Schadensbeseitigung auch aus Sicht des Auftraggebers zumeist deutlich höher – ganz abgesehen davon, dass die Ausweitung des Schadensbildes für den Landschaftsgärtner keine besonders gute Werbung darstellt.

Erschienen im April 2008 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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