Auftragsausführung: Auftragnehmer muss nicht auf die Möglichkeit einer Leistungsoptimierung hinweisen


Manchmal gibt es Vorgespräche auf der Baustelle, auf die es wirklich ankommt. Und manchmal eben auch nicht. Manchmal wird nämlich in solchen Vorgesprächen das Leistungssoll festgelegt, oder besser: Der Vertragszweck, der vom Werkunternehmer zu erreichen ist.

Aber manchmal redet man auch nur miteinander. Zum Beispiel über Dinge, die schön oder möglich oder wünschenswert, aber gerade kein Vertragszweck sind.
Beispiel: Der pensionierte Alfons Biomeck ist seit der Europawahl 2019 nicht nur geschätztes Mitglied im Ortsverband der Grünen, sondern er hat nun auch zu seiner Berufung als Hobbygärtner und Barfußgänger gefunden. Aus diesem Grund will er in seinem Garten nicht nur ab sofort Möhren, Sellerie und Radieschen zum Selbstverzehr anbauen. Er möchte auch einen Barfußweg anlegen lassen, der sich durch das Blattwerk des Wurzelgemüses schlängelt, der seine Füße zu guter Durchblutung anregt und auf Dauer zu Abhärtung und einem besseren Lebensgefühl durch kluge Füße führt.
Der Geschäftsführer der Firma Grünes Glück ist nicht nur seit Jahrzehnten treuer Wähler der CDU, ihm fehlt auch die Vorstellungskraft dafür, was die Rentner der neuesten Generation antreibt. Dementsprechend stuft er den Auftrag von Herrn Biomeck unter „Priorität 4“ ein und lässt seinen Azubi, der schon seit mehreren Monaten freitags fehlt, die Sache übernehmen. Der Azubi setzt hurtig ein paar Wurzelgemüsesorten ein, die auch recht bald hübsches Blattwerk tragen, aber aufgrund des sandigen Bodens keinen rechten Ertrag bilden wollen. Den Weg legt er mit alten Waschbetonplatten aus dem Schrebergarten seiner Oma Käthe an, die sich vor kurzem ein Sonnendeck anstelle der ollen vermoosten Terrasse gegönnt hat, und erklärt Herrn Biomeck die Grundsätze des Upcyclings.

Nacharbeit zum Teil ausgeführt

Für Herrn Biomeck ist das alles in Ordnung und er verbringt einen halben Sommer zufrieden in seiner neuen Oase – bis sein Glück durch seinen Schwager gestört wird, der schon seit Längerem Mitglied im Kleingartenverein und Präsident des Clubs der Barfußgänger ist. Dieser klärt ihn darüber auf, dass sein Gemüse mickrig bleiben wird und seine Füße zwar abgehärtet würden, aber „dumm“ blieben. Waschbeton würde zwar zu nutzbaren Barfüßen führen, aber es würden einfach gut geplante Fühlwege aus Holz und Stein sowie aus losen Materialien fehlen, die die notwendige Sensibilität für die Herausforderungen des zu begehenden Alltags brächten.
Nach einem Ortstermin zur Feststellung des Gemüseertrages lässt die Firma Grünes Glück andere Sorten pflanzen, die mit den sandigen Böden besser zurecht kommen. Den Waschbetonweg lässt sie liegen, da der Geschäftsführer schon mit den Radieschen überfordert war und sich nicht weiter mit solcherlei „Gedöns“ beschäftigen möchte.
Wie sieht dieses Vorgehen vor dem Hintergrund der „Vertragszweckerreichung“ aus? Im Hinblick aus das Gemüse ist es wohl eindeutig. Herr Biomeck möchte Wurzelgemüse aus dem eigenen Garten ernten, und dies bleibt ihm bei einer Sorte, die nur Blattwerk bildet, verwehrt – Vertragszweck nicht erreicht. Beim Waschbeton ist es anders. Hier wollte Herr Biomeck seine Fußsohlen auf einem speziellen Barfußweg durchbluten und abhärten, und genau dieser Vertragszweck ist erreicht worden. Der Waschbeton kann bleiben.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte einen derartigen Fall (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.05.2017, – 14 U 108/15) in Bezug auf eine Solaranlage, die genau das tat, was sie sollte, aber auch kein theoretisch mögliches Optimum erreichte, zu entscheiden. Und hat einen griffigen Leitsatz gebildet: „Der Auftragnehmer muss nicht auf die Möglichkeit einer Leistungsoptimierung hinweisen, wenn die erreichbare Leistung dem Vertragszweck gerecht wird.“

Vorsicht bei öffentlichen Ausschreibungen

Im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen begegnet man Leistungsverzeichnissen mit (teil)funktional ausgeschriebenen Positionen, die zugleich auch einen Vordersatz enthalten. Hier mag mancher Bieter der Versuchung erliegen, mit dem Vordersatz zu kalkulieren und über nachträgliche Mehrvergütung (§ 2 Abs. 5 VOB/B) auf einen besseren Preis zu „pokern“. Diesbezüglich ist allerdings ausdrücklich zur Vorsicht zu raten.
In einem vom OLG Celle entschiedenen Fall hat sich eine Fachfirma für Hoch- und Industriebau durch folgende teilfunktionale Leistungsbeschreibung: „Betonstahl entsprechend statischen und konstruktiven Erfordernissen einbauen. Bauteil = Überbau. Stahlsorte BSt 500“ durch die gleichzeitige Mengenangabe von 45 t dazu verleiten lassen, ihre Kalkulation auf der Grundlage der Menge von 45 t abzugeben. Erst nach Angebotsabgabe erstellte das Unternehmen die ihm nach der Formulierung des Leistungsverzeichnisses obliegende statischen und konstruktiven Berechnungen, bei denen ersichtlich wurde, dass ca. 20 t mehr Bewehrungsstahl benötigt werden würden. In dem folgenden Rechtsstreit machte das Unternehmen Mehrkosten wegen aufwändigerer und längerer Arbeiten durch die zusätzlich einzubringende Menge an Stahl geltend, während die Auftraggeberin lediglich den Stahl vergüten wollte.
Das OLG Celle gab der Auftraggeberin Recht. Es wäre Sache des Unternehmens gewesen im Vorfeld der Kalkulation eine eigene Architektur- und Konstruktionskonzeption zu erstellen und auf dieser Grundlage ein Angebot zu unterbreiten. Daran ändert sich nach Auffassung des Gerichtes auch nichts dadurch, dass im Leistungsverzeichnis neben der Stahlsorte „BSt 500“ auch der Vordersatz von „45 t“ angegeben war. Zwar müsse man im Zuge der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ermitteln, ob es sich insoweit um eine verbindliche Mengenangabe im Sinne einer vereinbarten Geschäftsgrundlage handeln könne – mit der Folge dass das Unternehmen diesen Wert seiner Kalkulation ungeprüft zugrunde hätte legen dürfen. Allerdings kommt das Gericht nach Einschaltung von zwei Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass es üblich sei, Massen im Leistungsverzeichnis lediglich abzuschätzen – dies gelte erst recht, wenn eine Statik oder Konstruktionskonzeption noch nicht vorliegen. Dem Unternehmen hätte als Fachfirma für Hoch- und Industriebau klar sein müssen, dass der Vordersatz in einem solchen Fall nur einen gegriffenen grob geschätzten Wert darstelle, und dass sie sich nicht habe darauf verlassen können, dass die Mengenangabe von 45 t eine feste Größe darstellen sollte.
Weiterhin weist das OLG Celle ausdrücklich darauf hin, dass bei Zweifeln über die Bestimmtheit des Leistungsverzeichnisses der Bieter in der Pflicht ist, sich beim ausschreibenden Auftraggeber noch vor Angebotsabgabe zu erkundigen. Hier hätte das Unternehmen klären müssen, was es mit der Mengenangabe von 45 t bei einer Ausschreibung, die dem Bieter selbst die konstruktiven und statischen Berechnungen zuweist, auf sich hat. Wenn sich der Bieter ohne weitere Nachfrage auf einen Vordersatz verlässt, obwohl ihm die Erstellung einer Statik und die Ermittlung der Konstruktionskonzeption übertragen ist, dann trägt er alleine das Risiko für eine ungenaue Kalkulation.

DEGA-Tipp: Lesen Sie Leistungsverzeichnisse vor Angebotsabgabe genau und kritisch und klären Sie im Zweifel alle sich ergebenden Fragen und Ungenauigkeiten mit dem Auftraggeber. Lassen Sie sich die Antworten stets schriftlich geben und erläutern Sie möglichst alle Fragen im Beisein von Zeugen.

Erschienen im Juli 2019 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

Bußmann & Feckler PartmbB · Rechtsanwälte und Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht
Pierstraße 1 · 50997 Köln · Tel.: 02236-92987-0 · Fax: 02236-92987-20 · rechtsanwaelte@bussmann-feckler.de