Bauablaufstörungen: Ohne bauablaufbezogene Darstellung gibt es kein Geld!


Immer wieder werde ich von Mandanten kontaktiert, die mir berichten, dass ein Bauvorhaben ganz erheblich in Verzug geraten ist, weil Vorleistungen nicht fertiggestellt wurden.

Nun möchten sie auf jeden Fall gegen ihren Auftraggeber vorgehen und Mehrkosten durchsetzen. Dies sei doch sicherlich ohne weiteres möglich. Fragt man dann weiter nach, stellt sich schnell heraus, dass die existenten Hürden faktisch kaum zu erklimmen sind. Meist fehlt es bereits an den Anspruchsvoraussetzungen, nämlich einer ordnungsgemäßen Behinderungsanzeige für jede Behinderung (§ 6 Abs. 1 VOB/B) bzw. dem Angebot der eigenen Leistungen zur Herbeiführung des in § 642 BGB geforderten Annahmeverzugs (vgl. §§ 293 ff. BGB). Selbst wenn solche Behinderungsanzeigen und Angebote der eigenen Leistungserbringung jedoch vorliegen, ist die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach § 6 Abs. 6 VOB/B oder Entschädigungsansprüchen nach § 642 BGB von besonderen Schwierigkeiten begleitet. Die Gerichte haben nämlich einer vielfach zu beobachtenden Praxis längst den Rücken gekehrt: Eine Darstellung dahingehend, dass ein Unternehmer mit einer gewissen Anzahl von Arbeitsstunden innerhalb des vertraglich vereinbarten Zeitraumes kalkuliert habe und aufgrund der Leistungsverzögerung nunmehr eine größere Anzahl an Arbeitsstunden leisten musste, woraus sich Mehrkosten in Höhe einer aus einem einfachen Dreisatz ermittelten Rechnung ergeben, reicht nicht ansatzweise aus. Vielmehr muss – hier sind sich alle Gerichte einig – stets eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung vorgelegt werden, in welcher der tatsächliche Bauablauf im Einzelnen wiederzugeben ist. Es ist also mitzuteilen, wie die einzelnen Arbeiten mit welchen detailliert zu beschreibenden Teilleistungen in welcher Zeit hätten ausgeführt werden sollen. Dabei ist auch der konkrete Arbeitskräfteeinsatz und Maschineneinsatz darzulegen. Es ist erforderlich, den tatsächlichen Bauablauf dieser Aufstellung entgegen zu setzen und ebenso detailliert darzustellen.

Gericht muss aus der Darstellung urteilen können
Dabei müssen alle Behinderungen im Einzelnen aufgeführt und hinsichtlich ihrer konkreten Konsequenz ausgewertet werden. Auch selbst verursachte Verzögerungen sind zu berücksichtigen, wie auch die Erteilung von Nachträgen. Hieraus muss schließlich eine Bewertung der dem Auftraggeber vorgeworfenen Behinderungen entwickelt werden. Faktisch muss die Darstellung das Gericht in die Lage versetzen, zu beurteilen, ob nach der ursprünglichen Ablaufkalkulation die Bauzeit mit den zur Verfügung stehenden Kräften und Mitteln überhaupt hätte eingehalten werden können. Die stets ausreichende Besetzung der Baustelle mit Arbeitskräften muss dargestellt werden, ebenso wie die wahrgenommene Möglichkeit, während bestehender Behinderungen das Personal anderweitig einzusetzen. Wenn dies nicht möglich gewesen ist, sollte klargemacht werden, warum ein anderweitiger Personaleinsatz nicht möglich war. Damit ist es notwendig, stets einen Blick darauf zu werfen, ob ggf. andere Bauabschnitte vorgezogen werden konnten. Schlussendlich müssen diese Darstellungen in eine nachvollziehbare Berechnung der verlangten Entschädigung oder des verlangten Schadensersatzes münden, wobei eine juristische Bewertung erforderlich ist, welche Anspruchsgrundage überhaupt in Betracht kommt. Die Einzelheiten sind noch weitaus komplexer, als dies auf dem hier zur Verfügung stehenden Raum dargelegt werden kann. Es zeigt sich, dass die Gerichte eine ziemlich strenge Beurteilung durchführen. Eine Übersicht bietet der Beschluss des OLG Köln vom 27.10.2014 – 11 U 70/13. Auch haben in diesem Sinne in jüngster Zeit das OLG Hamm (Urteil vom 19.06.2012 – 21 U 85/11; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 26.06.2014 – VII ZR 232/12) und das OLG Frankfurt (Urteil vom 23.07.2013 – 6 U 122/12; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 25.06.2015 – VII ZR 238/13) entschieden.

DEGA-Tipp: Einfaches Bautagebuch genügt nicht

Die Durchsetzung von Bauzeitverzögerungsansprüchen verlangt mehr als ein einfaches Bautagebuch. Sinnvoll ist es, von vornherein eine stets fortlaufende baubegleitende Dokumentation, ggf. durch hierauf spezialisierte Büros durchführen zu lassen. Die Erfahrung zeigt, dass die eigenen Bauleiter vielfach neben ihrer eigentlichen Tätigkeit kaum mehr Zeit haben, sich um eine solche Dokumentation mit hinreichender Detailschärfe zu kümmern. Zudem stehen spezialisierten Büros Softwarelösungen zur Verfügung, die verschiedene Ablaufpläne erstellen können, aus denen sich die tatsächlichen bzw. geplanten Zusammenhänge gut ergeben. Da man leider feststellen muss, dass nahezu alle Klagen auf Entschädigung oder Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerungen für den Auftragnehmer wegen einer mangelhaften bauablaufbezogenen Darstellung verloren gehen, sollte hieraus die Lehre gezogen werden, dass eine stringente baustellenbegleitende Aufarbeitung nahezu unumgänglich ist.

Wichtige Dokumente: E-Mails vor Gericht nur ausnahmsweise anerkannt

Viele der in der VOR/B genannten Aktionen nur dann wirksam sein sollen, wenn sie schriftlich erfolgen. Dies gilt beispielsweise für die Bedenkenanmeldung, die Behinderungsanzeige, den Ausspruch einer Kündigung oder die Mängelbeseitigungsaufforderung, durch die ein Auftraggeber sich die in § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 enthaltene Verjährungsfristverlängerung sichern möchte. Was dabei als „schriftlich“ im Sinne der VOB/B anzusehen ist, ist nicht ganz klar definiert und spätestens seit der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 30.04.2012 – 4 U 269/11 um eine Facette reicher. Damals entschied das OLG Frankfurt, dass eine E-Mail, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sei, das Schriftlichkeitserfordernis nicht erfülle. Damit war die „einfache“ E-Mail in diesem Zusammenhang faktisch wertlos.

Protest gegen das Urteil
Große Teile der Literatur liefen gegen diese Entscheidung Sturm, da die elektronische Signatur nach § 126a BGB nur dann entscheidend sein solle, wenn die gesetzlich geregelte Schriftform zu ersetzen sei. Für ein zwischen den Parteien vereinbartes Schriftlichkeitserfordernis sollte nach Ansicht vieler Kommentatoren die E-Mail ausreichen, da es sich insofern um eine telekommunikative Übermittlung handle, die nach § 127 Abs. 3 BGB ausdrücklich als im Zweifel zulässig angesehen werde. Nahezu zeitgleich zum Urteil des OLG Frankfurt, nämlich am 29.04.2012 hatte übrigens das OLG Hamm (Az.: 12 U 144/10) die einfache E-Mail noch als im Zweifel ausreichend angesehen. Nachfolgend beschäftigte sich auch das LG Frankfurt mit der Thematik, wobei dieses erwartungsgemäß der Ansicht „seines“ übergeordneten Gerichts folgte (Urteil vom 08.01.2015 – 2-20 O 229/13).

Nun nahm sich auch das OLG Jena der Problematik an und entschied im Anschluss an das Urteil des OLG Frankfurt, dass eine einfache E-Mail das Schriftformerfordernis nicht erfülle. Vielmehr sei für die Erfüllung der Schriftlichkeit entscheidend, dass mindestens eine eigenhändig erfolgte Namensunterschrift vorliege oder aber die Formvorschrift des § 126a BGB, also die qualifizierte elektronische Signatur verwendet werde. Erstaunlich an diesem Urteil ist, dass das OLG Jena sich allein auf § 126 BGB konzentriert, in dem jedoch die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform geregelt ist. Die Anwendbarkeit des § 127 BGB, der die zwischen den Parteien vereinbarte Schriftform enthält und diesbezüglich Erleichterungen gestattet, wird nicht diskutiert.

BGB gilt vorrangig
Da es sich bei der VOB/B jedoch um Allgemeine Geschäftsbedingungen und gerade nicht um ein Gesetz handelt, müssten die in ihr enthaltenen Schriftformerfordernisse eigentlich als solche im Sinne des § 127 BGB angesehen werden. Das Gericht meinte jedoch, dass die VOB/B die gesetzlichen Regelungen ergänze und dass somit die strengere Vorschrift des § 126 BGB Anwendung finden müsse. Diese Rechtsansicht mag zwar als fehlerhaft angesehen werden (im Ergebnis ergänzt nämlich jede Parteienvereinbarung den Gesetzesinhalt). Es handelt sich jedoch bereits um das zweite obergerichtliche Urteil, welches eine einfache E-Mail als nicht ausreichend zur Erfüllung eines Schriftformerfordernisses in der VOB/B ansieht.

DEGA-Tipp: Besser „echt“ schriftlich

Um zu vermeiden, dass Sie in das Spannungsfeld der vorstehend erörterten Rechtsansichten geraten, verlassen Sie sich bitte bei schriftlich abzugebenden Erklärungen nicht mehr auf die einfache E-Mail. Versenden Sie insbesondere Bedenkenanzeigen, Behinderungsanzeigen oder Mängelbeseitigungssaufforderungen sowie sonstige der Schriftlichkeit unterliegende Erklärungen zwingend zumindest parallel per Telefax und (da auch ein Telefax nur bei der gewillkürten Schriftform „im Zweifel“ zulässig wäre) zusätzlich per Post, ggf. sogar per Einschreiben/Rückschein bzw., wenn Sie befürchten, dass dieses nicht entgegengenommen werden könnte, parallel per Einwurf-Einschreiben. Selbstverständlich können Sie auch die qualifizierte elektronische Form des § 126 a BGB nutzen.

Verstehe Deinen Anwalt: Die peremptorische Einrede

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, so stellte bereits meine Großmutter so treffend fest. Es bringt also wenig, Dinge einfach in die Zukunft zu verschieben. In manchen Fällen ist es sogar eher kontraproduktiv: Die nicht schmackhafte Kartoffelsuppe meiner Mutter wurde nicht dadurch besser, dass ich sie kalt werden ließ. Auch in der Juristerei ist es ähnlich: Was nützt es mir, eine Zahlungsverpflichtung lediglich in die Zukunft zu verschieben. Nichts! Ich muss sie zerstören, geradezu pulverisieren. Der schlaue Anwalt sagt dann: Wir brauchen eine peremptorische Einrede, die (natürlich) von der dilatorischen Einrede streng zu unterscheiden ist. Die dilatorische Einrede nämlich setzt dem Recht einer Partei ein Gegenrecht nur für einen gewissen Zeitraum entgegen, während die peremptorische Einrede die Durchsetzung des Rechts dauerhaft verhindert. Auch dies kann übrigens mit einer Verschiebung in die Zukunft einhergehen: Vergisst nämlich der Inhaber einer Forderung, diese geltend zu machen, sieht er sich irgendwann der Einrede der Verjährung ausgesetzt, die dazu führt, dass sein Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist. Anders gesagt: Dadurch, dass ich schon vor längerer Zeit ausgezogen bin, muss ich die Kartoffelsuppe meiner Mutter nicht mehr essen – es sei denn wir werden eingeladen, dann nützt auch das Kaltwerdenlassen nichts. Aber das ist ein anderes Thema!

Erschienen im Februar 2016 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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