Bauvertragsrecht – Die Kapitulation: keine baldige Neufassung der VOB/B


In der DEGA 1/2018 haben wir das brandneue System angeordneter Leistungsänderungen vorgestellt (Webcode dega3891). Dieses weicht nicht nur erheblich von den bisherigen Grundlagen des BGB sondern auch von der Systematik der VOB/B ab.

So können Anordnung, die nach § 1 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B stets ohne jede Wartezeit möglich sind, nach den Grundlagen des neuen BGB erst erfolgen, wenn nach dem geäußerten Änderungswunsch des Auftraggebers eine Frist von 30 Tagen abgelaufen ist. Darüber hinaus wird die in der VOB/B enthaltene Aufteilung in zusätzliche und geänderte Leistungen nicht übernommen. Stattdessen differenziert man zwischen Änderungen des Leistungserfolges und Änderungen, die zur Erlangung des Leistungserfolges erforderlich werden. Selbst das Vergütungsmodell unterscheidet sich doch deutlich von dem der VOB/B. Eigentlich ein Aufruf an den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses (DVA), der für die Neugestaltung der VOB/B zuständig ist, hier tätig zu werden.

Wer nun aber erwartet hat, dass die VOB/B entsprechend angepasst wird, sieht sich enttäuscht. Nach einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 24.01.2018 soll die VOB/B vorerst nicht angepasst werden. Wörtlich führte Monika Thomas, Vorsitzende des DVA und Leiterin der Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten im Bundesbauministerium, aus: „Die Empfehlung unseres Fachgremiums halte ich für sinnvoll. Bei dem großen Investitionsbedarf in Infrastruktur und Wohnen können wir uns Rechtsunsicherheit beim Bauen nicht leisten“ Es solle zunächst die Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur abgewartet werden. Außerdem müsse sich die Praxis bereits auf die geänderte Rechtslage einstellen. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum neuen gesetzlichen Bauvertragsrecht werde insbesondere unter AGB-rechtlichen Aspekten verfolgt und daraus gegebenenfalls Veränderungsbedarf in der VOB/B abgeleitet.

Rechtsunsicherheit bleibt

Man könnte diese Haltung auch als Kapitulation vor der Materie bezeichnen. Das Ziel, Rechtsunsicherheit zu vermeiden, wird jedenfalls deutlich verfehlt. Sie wird allem dadurch forciert herbeigeführt, dass die Systematik der VOB/B nicht auf das neue Bauvertragsrecht ausgerichtet ist. Man muss sich nämlich vor Augen führen, dass die VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingung eingestuft wird. Eigentlich müsste insofern jede Klausel der VOB/B dahingehend überprüft werden, ob sie das vertragliche Gegenüber unangemessen benachteiligt, was im Zweifel bereits dann der Fall ist, wenn die AGB-Regelung mit wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Sicher: Die VOB/B ist privilegiert und ist der AGB-Kontrolle entzogen (§ 310 Abs. 1 Satz 3 BGB). Das jedoch gilt nur, wenn die VOB/B ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist. Verträge, die die VOB/B unberührt lassen, sind jedoch so rar wie nüchterne Volljährige in kölschen Kneipen nach dem Rosenmontagszug: Gehört hat man von ihnen. Gesehen hat sie keiner.

Was bedeutet das aber nun? Meist gestalten Auftraggeber die Verträge, in die die VOB/B einbezogen werden soll. Regeln sie dann Abweichungen zur VOB/B, findet die AGB-Klauselkontrolle statt. Eine deutliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung findet sich in den Anordnungsrechten nach § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B und den Vergütungsfolgen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B. Viele namhafte Kommentatoren gehen daher davon aus, dass genau diese VOB/B-Regelungen unwirksam sein werden und somit aus dem Vertrag verschwinden, da sie mit den gesetzlichen Grundgedanken nicht in Einklang zu bringen seien. Sollte dies der Fall sein, gelten in diesen Verträgen die BGB-Systematik und insbesondere die 30tägige Wartefrist bis zum Anordnungsrecht des Auftraggebers. Auch die Vergütung wird nicht mehr auf der Urkalkulation sondern auf tatsächlich erforderlichen Kosten nebst Zuschlägen basieren, etc.

Es kann sich über Jahre hinziehen

Man könnte damit umgehen, wenn diese Rechtslage eindeutig wäre. Während zahlreiche Kommentatoren jedoch von der Unwirksamkeit der alten VOB-Regeln im Falle einer AGB-rechtlichen Überprüfung ausgehen, meinen andere, die VOB/B biete mit ihren Anordnungs- und Vergütungsrechten eine ausgewogene Regelung, die auch im Lichte des neuen Bauvertragsrechts bei in die VOB/B eingreifenden Verträgen wirksam bleibe. Wie die Gerichte entscheiden, lässt sich noch nicht prognostizieren. In diesem Punkt hat der DVA sicherlich Recht. Das Problem ist nur, dass sich die Problemstellung durch Abwarten und Beobachten nicht lösen lässt. Es mag auf den ersten Blick verständlich sein, „die Entwicklung der Rechtsprechung“ in eine Neufassung der VOB/B einfließen zu lassen. Bedenkt man aber, dass die Rechtsprechung mitunter Jahre braucht, bis baurechtliche Fälle auch nur von einer ersten Instanz entschieden wurden und ein BGH-Urteil auch dann noch in weiter Ferne liegt, muss sich der DVA fragen lassen, wie lange die Beobachtungsphase denn andauern soll.

Die Leidtragenden dieser Unsicherheit sind die am Bau Beteiligten, die hiermit leben müssen. Interessant, dass vor diesem Hintergrund ausdrücklich dargelegt wird, man könne sich keine Rechtsunsicherheit leisten. Durch die Verweigerung der Anpassung hat man sie in besonders hohem Maße befördert.

Erschienen im März 2018 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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