Bauzeit – die Kündigung des Auftraggebers


Gerade bei großen und komplexen Bauvorhaben ist eine außerordentliche Vertragskündigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht das schlimmste und schwierigste, was passieren kann.

Leider gibt es aber Situationen, in welchen dieser Schritt aus Sicht des Auftraggebers von Bauleistungen aufgrund von ständigen Verzögerungen auf Seiten des Auftragnehmers unvermeidbar ist. Vielfach gilt dann der Grundsatz: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Die Voraussetzungen, unter denen der Auftraggeber aufgrund eines Leistungsverzuges des Auftragnehmers das Vertragsverhältnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B außerordentlich kündigen kann, hatten wir bereits in der letzten Ausgabe dargestellt.

Was aber gilt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorliegen und der Auftraggeber das Vertragsverhältnis dennoch aufgrund eines nur angeblichen Leistungsverzuges des Auftragnehmers außerordentlich kündigt? Hierzu ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eindeutig. Wenn der Auftraggeber – unter Bezugnahme auf tatsächlich nicht bestehende Kündigungsgründe – zum Ausdruck bringt, die Vertragsbeziehung mit dem Auftragnehmer keinesfalls fortsetzen zu wollen (und dies ist bei einer Kündigungserklärung regelmäßig der Fall), so wird seine Erklärung bei fehlenden Kündigungsgründen in eine so genannte „freie“ Kündigung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B umgedeutet. Für den Auftraggeber liegt hierin ein erhebliches Risiko, denn die Rechtsfolgen einer solchen, freien Kündigung sind völlig anders, als die Folgen einer berechtigten außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B. In dem ersten Fall erhält der Auftraggeber keine Kompensationen, während der Auftragnehmer für seine Nachteile entschädigt wird; im zweiten Fall ist es genau umgekehrt.

Außerordentliche Kündigung – wirklich begründet?
In der Praxis stellt sich vielfach erst Monate oder Jahre nach dem Ausspruch der Kündigung – häufig im Rahmen eines Gerichtsverfahrens – heraus, ob die Kündigung als außerordentliche begründet war oder in eine freie Kündigung umgedeutet werden muss. Aus diesem Grund sollte der Ausspruch einer Kündigung durch den Auftraggeber stets penibel und sorgfältig vorbereitet und darauf geachtet werden, dass sämtliche Voraussetzungen hierfür in tatsächlich nachweisbarer Art und Weise vorliegen.

Aufgrund der gravierenden Folgen empfiehlt es sich ab einem gewissen Vertragsvolumen schon dann, wenn sich das Erfordernis einer außerordentlichen Vertragskündigung abzeichnet, einen baurechtlich spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen.

Die Formalien bei Kündigung und Teilkündigung

Die Kündigung ist schriftlich auszusprechen (§ 8 Abs. 5 VOB/B). Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass die Kündigung in nachweisbarer Art und Weise ausgesprochen, durch den Kündigungsberechtigten unterzeichnet und dem Auftragnehmer ordnungsgemäß zugestellt wird.

Auch wenn es nach überwiegender Auffassung zulässig ist, Kündigungsgründe, welche zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestanden, aber eventuell noch nicht bekannt waren oder aus sonstigen Gründen in dem Kündigungsschreiben nicht genannt wurden, nachzuschieben, sollten wenn möglich alle (auch fern liegenden) Kündigungsgründe in dem Schreiben aufgeführt werden.

Bei einer Teilkündigung ist der Auftraggeber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B dazu berechtigt, die Entziehung des Auftrages auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung zu beschränken. Dies kann sinnvoll sein, wenn für einen bestimmten Bauabschnitt großer Zeitdruck besteht und deshalb eine kurzfristige Fertigstellung durch ein Drittunternehmen angestrebt wird, während in anderen Bereichen die Not noch nicht vergleichbar groß ist. Allerdings ist hierbei darauf zu achten, dass es sich bei dem gekündigten Teil des Bauvorhabens tatsächlich um einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistungen im Sinne von § 12 Abs. 2 VOB/B handeln muss, was nur unter besonderen Voraussetzungen der Fall ist, welche vorliegend nicht weiter vertieft werden sollen.

Abwicklung des gekündigten Vertrages

Im Falle einer berechtigten, außerordentlichen Kündigung des Auftraggebers aufgrund Leistungsverzuges des Auftragnehmers ist der Auftragnehmer weiterhin dazu berechtigt, die von ihm tatsächlich und nachweislich bis zur Kündigung erbrachten Leistungen abzurechnen. Voraussetzung für die Fälligkeit einer Schlussrechnungsforderung ist auch hier die Durchführung einer Abnahme. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 6 VOB/B.

Aus diesem Grund ist es beiden Vertragsparteien dringend zu empfehlen, nach Ausspruch einer fristlosen Vertragskündigung möglichst kurzfristig eine gemeinsame Begehung und Feststellung des Bauzustandes durchzuführen. Eventuelle Mängel an den von ihm bereits erbrachten Leistungen muss der Auftragnehmer in aller Regel auch nach dem Kündigungsausspruch noch beseitigen. Er bleibt insoweit natürlich gewährleistungspflichtig. Umgekehrt ist der Auftraggeber regelmäßig dazu verpflichtet, dem Auftragnehmer im Falle von Mängeln die Möglichkeit einzuräumen, diese Mängel selbst zu beseitigen, bevor er zu einer Ersatzvornahme schreitet.

Für die Zwecke der weiteren Abwicklung reduziert sich der Vertragsinhalt auf die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung bereits erbrachten Leistungen. Insoweit gelten dann die ganz normale Regelungen.

Ersatzvornahme durch Drittunternehmer

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist der Auftraggeber nach Entziehung des Auftrages berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zulasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen. Das bedeutet, dass der Auftragnehmer, wenn er sich in Zahlungsverzug befand und ihm der Vertrag deshalb fristlos gekündigt worden ist, die Kosten zu tragen hat, welche dem Auftraggeber dadurch entstehen, dass ein anderes Unternehmen die Leistungen zu Ende führt.

Regelmäßig ist die Vollendung der bereits begonnenen Leistungen für den Auftraggeber spürbar teurer. Andere Unternehmen lassen sich die Übernahme der Fertigstellung eines unvollendeten Werkes und die hiermit verbundenen, zusätzlichen Gewährleistungsrisiken teuer bezahlen. Häufig wird auch eine beim Auftraggeber bestehende Drucksituation, das Bauvorhaben schnellstmöglich beenden zu müssen, ausgenutzt.

Gänzlich rechtlos gestellt ist der gekündigte Auftragnehmer in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Wenn ihm der Nachweis gelingt, dass der Auftraggeber die Arbeiten zu unnötig hohen Preisen hat fertig stellen lassen, so sind entsprechende Kürzungen der von ihm dem Grunde nach zu tragenden Kosten der Ersatzvornahme möglich.

Dem Auftraggeber kann nur dazu geraten werden, zur Sicherung seiner Ansprüche den Drittunternehmer wenn möglich auf der Basis des gleichen Leistungsverzeichnisses zu beauftragen, welches auch für den gekündigten Auftragnehmer galt. Hierdurch ist eine Vergleichbarkeit der Leistungen und der Preise gewährleistet. Außerdem ist es hilfreich, wenn der Auftraggeber belegen kann, dass er nicht das erstbeste (teuerste) Drittunternehmen beauftragt, sondern zuvor Preise verglichen hat. Zur Durchführung einer neuen Ausschreibung ist der Auftraggeber regelmäßig jedoch nicht verpflichtet. Letztlich ist zu Gunsten des Auftraggebers immer zu berücksichtigen, dass er sich aufgrund des Leistungsverzuges des Auftragnehmers bereits unter erheblichem Zeitdruck befand.

Diesem Zeitdruck ist auch die Regelung unter § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B geschuldet, wonach der Auftraggeber für die Weiterführung der Arbeiten Geräte, Gerüste sowie auf der Baustelle vorhandene andere Einrichtungen und angelieferte Stoffe und Bauteile des Auftragnehmers gegen angemessene Vergütung in Anspruch nehmen darf.

BGB-Vertrag

Auch wenn die VOB/B nicht rechtswirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen ist, kann man sich gut an den vorhergehend dargestellten Grundsätzen orientieren. Zwar gibt es im BGB keine der VOB/B entsprechenden detaillierten Regelungen; die Einhaltung der dortigen Formalien ist aber stets empfehlenswert. Da es im Einzelfall Abweichungen geben kann, sollte ab einem gewissen Vertragsvolumen erneut spezialisierter Rechtsrat eingeholt werden.

Schadensersatz

Neben den Kosten der Ersatzvornahme kann der Auftraggeber im Falle einer begründeten fristlosen Kündigung wegen Leistungsverzugs weitere Schadensersatzansprüche und beispielsweise auch eine Vertragsstrafe geltend machen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). Die Einzelheiten werden wir in der kommenden Ausgabe darstellen.

Erschienen im Juni 2011 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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