Bauzeitverzögerungen und Folgekosten – Für das Wetter kann keiner was


Eine Vielzahl seiner Leistungen kann er nur dann erbringen, wenn es warm und trocken genug ist oder die Vegetationsperiode den richtigen Zeitpunkt erreicht hat. Insbesondere im Verkehrswegebau kommt es immer wieder zu Streitigkeiten darüber, wer wie für Witterungsbedingungen einzutreten hat, welche aus Sicht der einen oder anderen Vertragspartei so (nicht) vorhersehbar gewesen sein sollen.

So hatte das Landgericht Hannover (Urteil vom 16.02.2017 – 21 O 19/16; nicht rechtskräftig) kürzlich über eine in dieser Form sicherlich ungewöhnliche Konstellation zu entscheiden:
Der Auftragnehmer sollte Gleisbauarbeiten an der S-Bahn Hamburg durchführen, welche nach dem Vertrag nur während einer Sperrung des Zugverkehrs zwischen dem 16.05.2012, 23:30 Uhr, und dem 21.05.2012, 3:30 Uhr, durchgeführt werden konnten. Die betreffenden Arbeiten waren außerdem nur möglich, wenn die Schienen eine Temperatur von maximal 26 °C aufwiesen. Aufgrund einer vergleichsweise warmen Witterung hatten die Schienen jedoch teilweise Temperaturen von bis über 38 °C. Durch die Herstellung eines Provisoriums und Nacharbeiten in den Nachtruhezeiten von vier außerhalb der eigentlichen Bauzeit liegenden Nächten konnte der Auftragnehmer seine Leistungen dennoch durchführen. Die hierdurch entstandenen Mehrkosten forderte er vom Auftraggeber mit der Begründung, dieser hätte das Risiko der zu hohen Schienentemperaturen zu tragen, zumal er den Bauzeitenplan des Auftragnehmers akzeptiert hätte.

Klage des Auftragnehmers abgewiesen

Das Landgericht Hannover hat die Klage des Auftragnehmers unter Verweis auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B mit der Begründung abgewiesen, dass die Temperaturen unstreitig nicht so ungewöhnlich hoch gewesen sind, dass hiermit bei Abgabe des Angebotes normalerweise nicht hätte gerechnet werden müssen. Auch dadurch, dass vorliegend ein Bauzeitenplan akzeptiert wurde und die Arbeiten in einem engen Zeitfenster ausgeführt werden mussten (wodurch sich das Witterungsrisiko des Auftragnehmers sicherlich erhöht hatte), ergebe sich keine Abweichung von diesem Grundsatz, zumal der Auftragnehmer in gewissem Umfang dazu berechtigt war, den zeitlichen Ablauf der Arbeiten selbst zu planen.
In dem Sachverhalt, über welchen der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.04.2017 (VII ZR 194/13) entschieden hat, war es demgegenüber durchaus zu Witterungsbedingungen gekommen, mit denen normalerweise nicht gerechnet werden musste, nämlich einer Frostperiode im Januar/Februar 2010, die deutlich über den Durchschnittswerten der vergangenen 30 Jahren lag. Die Forderung des Auftragnehmers auf Erstattung der Kosten u.a. für den Vorhalt von Baustelleneinrichtung, Baustellengemeinkosten, Personal sowie Unterdeckung der Allgemeinen Geschäftskosten für den Zeitraum der hierdurch eingetretenen Bauunterbrechung hat der BGH aber dennoch abgelehnt.
Eine vertragliche Übernahme entsprechender Witterungsrisiken durch den Auftraggeber habe es nicht gegeben, ebenso wenig eine Anweisung zu einer zeitlich geänderten Leistungserbringung des Auftragnehmers, so dass § 2 Abs. 5/6 VOB/B ausscheide. Der Auftraggeber habe sich mit der Entgegennahme der Leistungen des Auftragnehmers auch nicht in Verzug befunden, denn die Verpflichtung zur Zurverfügungstellung eines freien Baugrundstücks umfasse keine Mitwirkungshandlungen zur Abwehr von Frost, Eis und Schnee, so dass auch ein Anspruch nach § 642 BGB nicht in Betracht komme.

Wer kommt für die Folgen des Wetters auf?

Generell gilt für die Beurteilung der Frage, wer wie für das Wetter und dessen Folgen einzutreten hat, Folgendes: Witterungsverhältnisse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden muss, gelten nicht als Behinderung. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B, gilt aber auch ohne Einbeziehung der VOB/B in das Vertragsverhältnis entsprechend. Als Referenzzeitraum können als Grundregel (mindestens) zehn Jahre herangezogen werden. Umstände, die seltener eintreten, als alle zehn Jahre, führen also grundsätzlich zu einer Behinderung des Auftragnehmers, so dass er einen Anspruch auf Verlängerung der Bauzeit hat und der Auftraggeber aufgrund der hierdurch eingetretenen Bauzeitverzögerung keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung gegen den Auftragnehmer geltend machen kann.
Umgekehrt kann aber auch der Auftragnehmer aufgrund einer derartigen Bauzeitverzögerung keine Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen, denn dies würde entweder ein nicht gegebenes Verschulden des Auftraggebers (für das Wetter) voraussetzen (§ 6 Abs. 6 VOB/B) oder eine sonstige Verantwortlichkeit dafür, Frost, Eis und Schnee abzuwehren, was nach der vorhergehenden Entscheidung Bundesgerichtshofes und insoweit wohl auch zutreffender Risikozuweisung jedoch nicht der Fall ist.
Dies alles gilt natürlich nur vorbehaltlich dessen, dass nicht anderweitige vertragliche Vereinbarungen getroffen worden sind.

Tipp:

Wenn Sie vertragliche Absprachen zur Bauzeit treffen (was auch neben einem formellen Bauvertrag und/oder erst im Laufe eines Bauvorhabens durch beiderseitige Zustimmung zu einem Bauzeitenplan erfolgen kann), sollten Sie negative Einflüsse durch das Wetter, mit denen bei Berücksichtigung eines Zehnjahreszeitraumes möglicherweise auch nur selten zu rechnen ist, unbedingt einkalkulieren.
Falls es zu extremen Witterungsbedingungen kommt, welche aus Ihrer Sicht außerhalb eines Referenzzeitraumes von zehn Jahren liegen, sollten Sie hierauf gestützt Ihre Behinderung anzeigen.
Sollte Ihr Auftraggeber Sie – beispielsweise als Reaktion auf das Wetter, aber auch im Übrigen – zu einer geänderten zeitlichen Ausführung Ihrer Leistungen auffordern und beispielsweise in den vertraglichen Vereinbarungen bisher nicht vorgesehene Maßnahmen zum Schutz vor der Witterung oder eine beschleunigte Leistungserbringung aufgrund von Verzögerungen durch das Wetter anordnen, empfehlen wir Ihnen, für derartige geänderte/zusätzliche Leistungen ein Nachtragsangebot über die hierdurch entstehenden zusätzlichen Aufwendungen und Kosten vorzulegen und soweit es sich irgend einrichten lässt, erst nach formeller Beauftragung entsprechenden Anweisungen nachzukommen.

Erschienen im Juli 2017 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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