Bedenkenanmeldungen: Nicht nachmachen – Ausnahmen sind eine Warnung für den Normalfall


Keinesfalls sollte man die Vorkommnisse in diesem aktuellen Fall des Oberlandesgerichts Koblemz nachahmen, da dem Unternehmer mehrere Zufälle halfen. Ohne diese hätte er das Nachsehen gehabt.

Unser Beispielsunternehmen „Firma Grünes Glück“ sollte ein neu zu eröffnendes Outletcenter begrünen. Unter anderem sollten zwölf Stieleichen in durch ein Drittunternehmen vorbereitete Pflanzkübel gepflanzt werden.
Die Stieleichen wurden vom Auftraggeber ausgewählt und in dessen Auftrag frei Baustelle geliefert; dennoch hatte die Firma Grünes Glück vertraglich eine vollständige Anwuchsgarantie übernommen. Zudem war das Ganze ausdrücklich als Sommerpflanzung ausgeschrieben. Die Stieleichen wiesen eine stattliche Größe auf, dazu sollten die aus Betonfertigteilen bestehenden und in die Pflanzgrube eingelassenen Pflanzkübel in einer Größe von 300 × 300 × 150 cm vorbereitet werden. Als die Firma Grünes Glück die Baustelle zum Lieferzeitpunkt betrat, stellte sie fest, dass die Pflanzstandorte lediglich Innenmaße von 1,80 m x 1,80 m x 1,0 m maßen und somit für die großen Stieleichen viel zu klein waren.

Ungenaue Bedenkenanmeldung
Sie meldete umgehend Bedenken an, tat dies aber denkbar knapp, indem sie darauf hinwies, die vorbereiteten Pflanzkübel seien „viel zu klein“. Dazu fragte sie, wie die Stieleichen in solchen Verhältnissen wachsen sollen. Dieses Schreiben versendete die Firma Grünes Glück per E-Mail an den bauleitenden Architekten und an den Projektsteuerer, nicht aber an den Auftraggeber. Der Architekt wies daraufhin die Einpflanzung in die Pflanzgruben an. Es bestehe höchste Eile, da die Eröffnung bevorstehe und eine Lagerung der Bäume bei den derzeit gegebenen Temperaturen von über 30° nicht möglich sei.
Die Firma Grünes Glück tat, wie ihr geheißen. Nun mussten aber noch sechs weitere Stieleichen eingepflanzt werden, bei denen die Pflanzbereiche noch nicht vorbereitet waren. Hier nun ließ der Auftraggeber Pflanzgruben mit einer Größe von 300 × 300 x 150 cm frei ausheben und verzichtete auf die Betonfertigteile. Zunächst freute sich die Firma Grünes Glück über die nun ausreichend dimensionierten Standorte und setzte die Stieleichen dort ein. Wenige Tage später musste sie jedoch feststellen, dass nunmehr die frei ausgehobenen Standorte mit Betonkantensteinen, einer beidseitigen Betonrückenstütze und einem Betonunterbau versehen worden waren, wobei der Betonunterbau den Wurzelballen umschloss und die Pflanzgrube somit auf Maße von 200 × 200 × 90 cm verkleinerte. Die Firma Grünes Glück fertigte Fotografien an und versandte diese erneut per E-Mail an den bauleitenden Architekten und den Projektsteuerer, wobei sie lediglich auf den Beton hinwies und die Gewährleistung ablehnte. Hier nun erhielt sie die Auskunft, der festgestellte Umstand sei unproblematisch.

Stileichen kaputt, GaLaBau-Firma war dran
Es kam wie es kommen musste: Sämtliche Stieleichen waren schlussendlich unrettbar verloren. Der Auftraggeber nahm nun die Firma Grünes Glück in Anspruch, die sich plötzlich mit einer Schadenssumme von über 200.000 € konfrontiert sah. Eigentlich sprach hier zunächst alles gegen die Firma Grünes Glück: Sie hatte nicht nur lediglich den Architekten und den Projektsteuerer, nicht aber den Auftraggeber von den festgestellten Umständen informiert. Sie hatte zudem nur mit kurzen Worten die zu kleinen Bereiche moniert und die zu erwartenden Konsequenzen nicht weiter dargestellt. Außerdem konnte man daran zweifeln, ob die Schreiben wirklich „schriftlich“ im Sinne des § 4 Abs. 3 VOB/B erstellt wurden, da sie lediglich per E-Mail versandt wurden.
Die Firma Grünes Glück heißt nicht umsonst „Grünes Glück“ (in Wirklichkeit heißt sie natürlich anders). Sie kam aus der Sache schadensfrei heraus. Das OLG Koblenz stellte nämlich mit Urteil vom 8. Oktobert 2020 (6 U 1945/19) fest, dass die Bedenkenanmeldungen ausreichten. Hierzu waren einige Klimmzüge notwendig. Tatsächlich beginnt alles damit, dass der richtige Adressat einer Bedenkenanmeldung der Auftraggeber ist. Eine Bedenkenanmeldung ausschließlich an den Architekten genügt im Regelfall nicht.

Überwachungsverschulden des Architekten
Das Gericht argumentierte aber, es liege kein Planungsfehler des Architekten vor, da der Architekt selbst Baugruben von 300 × 300 × 150 cm ausgeschrieben hatte. Vielmehr gab es einen Ausführungsfehler des Vorunternehmers, und dem Architekten konnte insofern ein so genanntes Überwachungsverschulden vorgeworfen werden. In diesem Fall durfte die Bedenkenanmeldung ausnahmsweise an den Architekten gerichtet werden. Diese Ausnahme findet wiederum ihre Grenze dann, wenn der Architekt sich den Bedenken verstellt. Auch dann – so die Rechtsprechung – müsse die Bedenkenanmeldung vom Unternehmer direkt an den Auftraggeber gerichtet werden.
Glücklicherweise war es so, dass der Architekt einen nachvollziehbaren Grund angeben konnte, warum dennoch gepflanzt werden sollte, nämlich die anstehende Eröffnung und die Tatsache, dass die für eine Sommerpflanzung vorbereiteten Bäume aufgrund der damaligen Witterung nicht zwischengelagert werden konnten. Auch war unstreitig, dass der Architekt die Bedenkenanmeldung unmittelbar an den Auftraggeber weitergeleitet und er sie zur Kenntnis genommen hatte.
Nun war die Bedenkenanmeldung aber auch inhaltlich äußerst bedenklich: Die Rede war schließlich nur von viel zu kleinen Pflanzgruben, verbunden mit der Frage, wie die Bäume darin wachsen sollten. Das OLG Koblenz ließ eine solche Bedenkenanmeldung ausreichen, da auch für den Laien erkennbar gewesen sei, was die Firma Grünes Glück meinte. Bei komplizierteren Sachverhalten wäre diese Bedenkenanmeldung mit Sicherheit nicht als ausreichend angesehen worden. Damit aber nicht genug: Die Bedenkenanmeldung ist per E-Mail versandt worden, sodass die Frage aufkam, ob das Schriftlichkeitsgebot eingehalten wurde. Das OLG Frankfurt und das OLG Jena haben in der Vergangenheit die einfache Mail für die Erfüllung eines zwischen den Parteien vereinbarten Schriftlichkeitserfordernisses nicht ausreichen lassen.

E-Mail genügte in diesem Fall doch
Anders das OLG Koblenz: Es folgte hier der wohl überwiegenden Ansicht, nach der es sich bei einer einfachen Mail um eine so genannte telekommunikative Übermittlung im Sinne des § 127 BGB handele, was bei einer nicht gesetzlich angeordneten, sondern vereinbarten Schriftlichkeit im Zweifel genüge. Auch in Bezug auf die mit Beton zugeschütteten Stieleichen hatte die Firma Grünes Glück Glück. Auch dort wurde der Auftraggeber durch den Architekten von der Bedenkenanmeldung informiert, hatte sich der Architekt den Bedenken nicht verschlossen und sogar auf seine Kosten einen Landschaftsarchitekten befragt, der begründete, warum die Bedenken zurückzuweisen seien. Auch hier genügte die E-Mail dem Schriftlichkeitserfordernis.
Der Auftraggeber wandte dann aber ein, dass schließlich noch eine Anwuchsgarantie übernommen worden sei. Zumindest aus dieser müsse die Firma Grünes Glück haften, da die Garantie inhaltlich nicht beschränkt worden sei. Erneut stellte sich das OLG Koblenz auf die Seite der Firma Grünes Glück: Man dürfe nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Vielmehr müsse die übernommene Garantie ausgelegt werden. Da die Firma Grünes Glück weder in die Auswahl, noch in die Aussonderung und Vorbereitung zur Sommerpflanzung, noch in die Lieferung einbezogen war, konnte die Anwuchsgarantie nur so ausgelegt werden, dass sie nicht für solche Umstände abgegeben werden sollte, bei denen der Unternehmer keine Steuerungsmöglichkeit hatte.

Dega-Tipp: Achtung! Dieser Fall darf keine Entschuldigung für schlechte Bedenkenanmeldungen oder falsche Adressierungen sein! Er muss vielmehr in jedem Unternehmen Warnung sein, Bedenkenanmeldungen inhaltlich ordentlich so zu formulieren, dass die konkret festgestellten Tatsachen vollständig und verständlich dargelegt sind und die zu erwartenden Konsequenzen angegeben werden. Weiterhin müssen Bedenkenanmeldungen stets direkt an den Auftraggeber gesendet werden – Ausnahmen ergeben sich allenfalls im Nachhinein durch Zufall. Dass unsere Firma Grünes Glück hier mehr als nur Schwein gehabt hat, lag ausschließlich an den von ihr nicht steuerbaren Umständen. Bei komplizierteren Sachverhalten oder unter anderen Umständen wären die Bedenkenanmeldungen nicht ausreichend gewesen!

Erschienen im November 2020 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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