Behinderung offenkundig – Kündigung


Hat ein Auftragnehmer, der sich auf eine bauseitige Behinderung berufen möchte, die hierfür eigentlich zwingend notwendige Behinderungsanzeige vergessen, wird gerne damit argumentiert, die Behinderung sei ja offenkundig gewesen,

weshalb es keiner Anzeige bedurft hätte. Hiermit begibt man sich jedoch auf sehr dünnes Eis.

Damit die Behinderung offenkundig ist und somit eine Behinderungsanzeige entbehrlich wird, reicht es nämlich keinesfalls aus, dass der Auftraggeber den eigentlich hindernden Umstand kannte oder – wie manche Landschaftsgärtner meinen – hätte kennen müssen. Auch wenn der erfahrene Bauunternehmer glaubt, die VOB/B in- und auswendig zu kennen, lohnt es sich immer wieder, deren Text genau zu studieren. § 6 Abs. 1 Satz 2 stellt nämlich hohe Anforderungen an die Offenkundigkeit: Der Auftragnehmer hat bei Unterlassen der Behinderungsanzeige nur dann Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände, wenn dem Auftraggeber offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt waren.

Dies alles muss der Auftragnehmer im Streitfall beweisen. Verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten.

Erste Voraussetzung ist also die positive Kenntnis des Auftraggebers von der hindernden Tatsache. Es reicht nicht aus, dass ein Auftraggeber, der seine Geschäfte und seine Bauvorhaben sorgsam betreibt, diese hindernde Tatsache hätte erkennen können und müssen. Als Beispielsfall benennen wir gerne den reichen Privatmann, welcher seinen Urlaub auf seiner Finca auf Mallorca verbringt, während seine neue Villa im Taunus errichtet wird. Aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist dieser Bauherr dazu verpflichtet, die laufenden Arbeiten in irgendeiner Form zu begleiten oder zu kontrollieren. Er darf sich vielmehr darauf verlassen, dass die beauftragten Unternehmen die Arbeiten auch ohne seine Anwesenheit ordnungsgemäß, vollständig und mangelfrei ausführen.

Damit diesem Bauherrn eine hindernde Tatsache bekannt wird, muss er hierüber also ausdrücklich informiert werden. Bedenkt man, dass dem Auftraggeber die Tatsache nicht nur bekannt, sondern „offenkundig“ bekannt sein muss, erkennt man, dass an einer schriftlichen Behinderungsanzeige, wie § 4 Abs. 3 VOB/B sie vorsieht, meistens einfach kein Weg vorbei führt (Gehen wir dafür mal davon aus, dass die Finca einen Fax-Anschluss besitzt.)

Eine weitere, große Klippe, welche der Auftragnehmer für die Offenkundigkeit der Behinderung umschiffen muss, ist die Anforderung, wonach dem Auftraggeber nicht nur die hindernde Tatsache, sondern auch deren hindernde Wirkung bekannt sein muss. Hierbei handelt es sich nicht nur um Wortklauberei, sondern um die Folge des Sinn und Zwecks der Behinderungsanzeige, welche auch deren notwendigen Inhalt definiert. Diese hatten wir in der vorangegangenen Ausgabe ausführlich dargestellt.

Als Beispiel mag insoweit der Fall dienen, dass bauherrenseits während der Ausführung beauftragte Zusatzleistungen die Einhaltung des vertraglich vereinbarten Gesamtfertigstellungstermins gefährden bzw. unmöglich machen. Natürlich ist die hindernde Tatsache als solche, nämlich das Erfordernis zusätzlicher Leistungen, dem Bauherrn, der entsprechende Nachtragsaufträge erteilt, bekannt. Häufig wird dem Auftraggeber aber nicht bekannt und bewusst sein, dass diese Zusatzleistungen eine behindernde Wirkung haben. Auch professionelle Bauherren werden vielfach kein Bewusstsein darüber entwickeln, dass die Zusatzleistungen insgesamt zu einer Bauzeitverzögerung führen. Vielmehr wird häufig die Erwartung bestehen, dass diese Zusatzleistungen parallel zu den ohnehin zu erbringenden Arbeiten ausgeführt werden.

Bedenkt man erneut, dass die hindernde Wirkung der verzögernden Umstände dem Auftraggeber „offenkundig“ bekannt sein muss, kann die Folge eigentlich immer nur sein, schriftlich auf die Probleme hinzuweisen.

Auch wenn wir nicht verhehlen wollen, dass es in der Praxis gelingen kann, dem Auftragnehmer, welcher die Behinderungsanzeige vergessen hat, über die Offenkundigkeit zu helfen, können wir jedem Landschaftsgärtner nur dringend dazu raten, sich hierauf nicht zu verlassen, sondern im Zweifelsfall immer eine ordnungsgemäße, schriftliche Behinderungsanzeige zu machen.

Pflichten des AN bei Behinderung

Liegt eine bauseitige Behinderung vor und ist diese formell korrekt angezeigt worden, verbleibt zunächst noch eine wesentliche Pflicht des Auftragnehmers.

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VOB/B muss der Auftragnehmer alles tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Bei einer echten Bauzeitunterbrechung, in welcher der Auftragnehmer keine weiteren Leistungen erbringen kann, wird dies vergleichsweise wenig sein. Bei lokal begrenzten Störungen oder Umständen, welche die Leistungserbringung lediglich erschweren und hemmen, wird von dem Auftragnehmer aber eine erhebliche Flexibilität verlangt.

Soweit möglich, muss er Personal und Material so umdisponieren, dass er die vertraglich geschuldeten Leistungen so gut und so schnell wie möglich trotz der Behinderung erbringen kann. Liegt im Baufeld 1 eine Behinderung vor, kann im Baufeld 2 aber ungehindert gearbeitet werden, so muss der Auftragnehmer selbstverständlich auch dann, wenn er eigentlich anders geplant hatte, zuerst die Arbeiten im Baufeld 2 ausführen.

Wenn die Behinderung nicht von ihm selbst zu verantworten ist, muss der Auftragnehmer aber nicht irgendwelche kostenauslösenden Beschleunigungs- oder sonstige Maßnahmen ergreifen. Der von Auftraggebern gern erhobenen Forderung nach Wochenend- oder Nachtarbeit ist also grundsätzlich eine Absage zu erteilen. Der Auftragnehmer ist grundsätzlich auch nicht dazu verpflichtet, das von ihm eingeplante Personal, Material oder Maschinen zu verstärken, um die Verzögerung aufzuholen. Allerdings kann in Ausnahmefällen eine entsprechende Kooperationspflicht bestehen.

Natürlich ist es möglich, dass Auftragnehmer und Auftraggeber sich darauf einigen, dass der Auftragnehmer Beschleunigungsmaßnahmen gegen eine entsprechende Zusatzvergütung erbringt. Allerdings ist insoweit dringend anzuraten, derartige Maßnahmen erst dann zu ergreifen, wenn hierüber auch tatsächlich eine schriftliche Vergütungsvereinbarung getroffen worden ist. Anderenfalls droht nämlich die Gefahr, dass selbst ausdrücklich vom Auftraggeber angeordnete Zusatzleistungen unter Umständen nicht vergütet werden. Zumindest wird man häufig über die Höhe der hieraus resultierenden Ansprüche streiten müssen.

Kündigungsrecht bei Unterbrechung

Wie wir bereits in einer der vergangenen Ausgaben dargestellt hatten, stellt auch eine Unterbrechung der Bauausführung eine Form der Behinderung dar. Als eine solche Unterbrechung kann auch die von Anfang an fehlende Möglichkeit der vertraglich vorgesehenen Arbeitsaufnahme angesehen werden.

Eine in der Praxis in diesem Zusammenhang eher selten in Anspruch genommene Möglichkeit für den Auftragnehmer, hierauf zu reagieren, ist das Kündigungsrecht nach § 6 Abs. 7 VOB/B. Dauert eine Unterbrechung der Ausführung nämlich länger als drei Monate, so kann jeder Teil (d.h. auch der Auftragnehmer) nach Ablauf dieser Zeit den Vertrag schriftlich kündigen.

Nach unserer Erfahrung kommt es durchaus häufiger vor, dass der geplante Beginn der Ausführung der Leistungen des Landschaftsgärtners über mehr als drei Monate nach hinten verschoben wird. Vielfach ist dies auch zwingende Folge der Tatsache, dass für die Leistungen des GaLaBauers die Vegetationsperioden zu berücksichtigen sind.

Natürlich möchte man nicht immer mit der ultima ratio einer Vertragskündigung agieren und einen möglicherweise lukrativen oder prestigeträchtigen Auftrag auf diese Art und Weise verlieren. Manchmal ist dies jedoch eine elegante Möglichkeit, sich ohne negative Folgen von einem ohnehin ungeliebten Vertragsverhältnis zu lösen. Im übrigen kann eine derartige Kündigung oder auch nur die Androhung des Ausspruchs einer solchen Kündigung auch zu einer deutlich verbesserten Verhandlungsposition führen.

Wie wir in den folgenden Ausgaben darstellen werden, ist es für den Auftragnehmer von Bauleistungen vergleichsweise schwierig und aufwändig, die Mehrkosten, welche ihm durch eine Bauzeitverzögerung entstehen, nachvollziehbar und richtig darzulegen und zu berechnen. In der Praxis wird regelmäßig wesentlich mehr über die Höhe entsprechender Forderungen gestritten, als über deren grundsätzliches Bestehen. Erfahrene Auftraggeber nutzen die strengen Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die entsprechenden Darlegungen des Auftragnehmers stellt, dazu, diesen gänzlich leer ausgehen zu lassen bzw. mit kleinstmöglichen Pauschalzahlungen abzuspeisen.

Steht aber eine Vertragskündigung im Raum, lassen sich die Mehrkosten einer Bauzeitverzögerung häufig im Verhandlungsweg und vielleicht sogar ohne detaillierte Nachweise durchsetzen. Natürlich sollten die Ergebnisse derartiger Absprachen schriftlich fixiert werden.

Im Übrigen ist die Folge der Kündigung nach § 6 Abs. 7 VOB/B, dass der Auftragnehmer die von ihm bereits erbrachten Leistungen nach den Vertragspreisen abrechnen kann und die Kosten vergütet erhält, die ihm bereits entstanden und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind. Darüber hinausgehende Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche bleiben hiervon unberührt. Deren Voraussetzungen werden wir in einer der folgenden Ausgaben näher erläutern.

Erschienen im Oktober 2011 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

Bußmann & Feckler PartmbB · Rechtsanwälte und Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht
Pierstraße 1 · 50997 Köln · Tel.: 02236-92987-0 · Fax: 02236-92987-20 · rechtsanwaelte@bussmann-feckler.de