Das gemeinsame Aufmaß – eine selten genutzte Chance


Wenn mir Fälle vorgelegt werden, stelle ich eines relativ häufig fest: Ein gemeinsames Aufmaß liegt nicht vor. Dabei wäre es doch so einfach, durch ein gemeinsames, frühzeitig genommenes Aufmaß dem Streit aus dem Wege zu gehen.

Die VOB/B sieht hierfür sogar einen entsprechenden Passus vor. Nach § 14 Abs. 2 VOB/B sind die für die Abrechnung notwendigen Feststellungen dem Fortgang der Leistung entsprechend möglichst gemeinsam vorzunehmen. Bei Leistungen, die bei Weiterführung der Arbeiten nur schwer feststellbar sind, hat der Auftragnehmer sogar rechtzeitig gemeinsame Feststellungen zu beantragen. Kaum ein Auftragnehmer tut dies jedoch. Anders lag es in einem vom Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 09.09.2013 – 6 U 187/12) entschiedenen Fall, bei dem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 10.09.2015 – VII ZR 312/13 die so genannte Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr zurückgewiesen hat. Dort hat der Auftragnehmer eigentlich alles richtig gemacht: Er hat nämlich mit dem öffentlichen Auftraggeber ein gemeinsames Aufmaß zum Umfang der ausgeführten Leistungen durchgeführt. Dennoch zahlte der öffentliche Auftraggeber nicht, so dass es zur Klage kam. Im Verfahren wehrte sich dieser dann damit, dass die Leistungen in dem gemeinsam festgestellten Umfang tatsächlich nicht erbracht worden seien. Das Oberlandesgericht machte vorliegend vergleichsweise kurzen Prozess und wies die Berufung des öffentlichen Auftraggebers, der bereits vor dem Landgericht zur Zahlung verurteilt wurde, zurück. Es betont dabei insbesondere die Bedeutung eines gemeinsamen Aufmaßes, welches entsprechende Bindungswirkungen beider Parteien herbeiführt. Es handle sich bei einem einverständlichen Aufmaß im Ergebnis um einen Vertrag des Inhalts, dass die Aufmaßfeststellungen als Rechtsgrundlage anerkannt würden. Zwar kann es im Ausnahmefall dennoch zu späteren Korrekturen kommen. Dann aber müsste nicht etwa stets der Auftragnehmer die tatsächlich verbauten Massen beweisen. Vielmehr trifft den Auftraggeber die Beweislast, wenn er sich später gegen ein gemeinsames Aufmaß wehren möchte, wobei er die Hürde überspringen müsste, dass er je eigentlich die Massen anerkannt hat. In jedem Fall also kommt dem gemeinsamen Aufmaß eine für den Auftragnehmer durchaus wertvolle Bedeutung zu. Nun versuchte der Auftraggeber in dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall aus seiner Position als öffentlicher Auftraggeber Honig zu saugen. Er argumentierte, aus dem Vergabehandbuch des Bundes würde aufgrund der dortigen Richtlinien 400, Abschnitt 12.3.2 dem gemeinsamem Aufmaß gerade keine Anerkenntniswirkung zukommen. Diese Rechtsansicht ist indessen fehlerhaft. Bei den Richtlinien im Vergabe- und Vertragshandbuch muss man berücksichtigen, dass diese regelmäßig nicht zum Vertragsinhalt werden. Sie sind vielmehr vom öffentlichen Auftraggeber zum internen Gebrauch formuliert worden und können somit auch nur eine innerdienstliche Wirkung entfalten. Somit betonte das OLG Frankfurt, dass auch der öffentliche Auftraggeber an ein gemeinsames Aufmaß gebunden ist.

DEGA-Tipp: Machen Sie bitte häufiger davon Gebrauch: Bitten Sie Ihren Auftraggeber zu einem gemeinsamen Aufmaß und versuchen Sie, mit ihm zusammen von vornherein Klarheit über den Abrechnungsumfang zu erlangen. Dies gilt im Übrigen nicht nur im Rahmen der VOB/B. Auch in einem BGB-Vertrag macht es Sinn, mit dem Kunden gemeinsam aufzumessen. Hierbei sollte man keine falsche Scheu zeigen: Die Bitte nach einem gemeinsamen Aufmaß stellt sich für den Kunden nicht etwa als unverschämte Anforderung durch den Unternehmer dar. Auch für den Auftraggeber bietet das gemeinsame Aufmaß eine erhöhte Sicherheit, dass er nicht übervorteilt wird. Außerdem können Sie die Gelegenheit nutzen, beim Kunden Verständnis für Ihre Leistung und für die Abrechnung derselben herbeizuführen. Ein in diesem Sinne durchgeführter Termin ist eher dazu geeignet, die Bindung zwischen Ihnen und Ihrem Kunden zu vertiefen, als dass er Streit schürt. Dieser wird bei einem erfolgreichen Abschluss des Termins eher vermieden.

Das nicht unterzeichnete Abnahmeprotokoll

Ebenso wie bei Aufmaßen rede ich mir gerne in Bezug auf Abnahmen den Mund fusselig. Wenn überhaupt, führen Landschaftsgärtner mit ihren Kunden Abnahmen nur widerwillig durch. Allenfalls gegenüber öffentlichen Auftraggebern und Gewerbetreibenden wird am Ende einer Baumaßnahme ein Abnahmeprotokoll vorgelegt und unterzeichnet. Bei privaten Auftraggebern traut man sich häufig nicht so recht und vertraut darauf, es werde schon alles gut gehen. Dass dies nicht zwingend der Fall ist, haben wir bereits in mehreren Ausgaben der DEGA thematisiert. Nun folgt jedoch ein Fall, der eigentlich noch ganz gut anlief, dann aber eine seltsame Richtung nahm. Dort hatten ein Auftraggeber und ein Auftragnehmer unter Zugrundelegung der VOB/B eine förmliche Abnahme vereinbart. Der Abnahmetermin wurde sodann auch durchgeführt und vom Auftraggeber protokolliert. Während einzelne Mängel durchaus unstreitig waren, konnten sich die Parteien wegen anderer Mängel nicht einigen. Der Auftraggeber sah diese als relevant an, während sich der Auftragnehmer damit wehrte, seine Leistung läge innerhalb der Toleranzen. Der Auftraggeber ließ sich hiervon jedoch nicht beeinträchtigen und füllte das Abnahmeprotokoll aus. Hierbei behielt er sich sämtliche von ihm als berechtigt angesehenen Mängel vor und überreichte dem Auftragnehmer das Abnahmeprotokoll mit der Bitte um Gegenzeichnung. Der Auftragnehmer fühlte sich in seiner Ehre verletzt und hatte vielleicht auch noch Sorge, durch eine Gegenzeichnung einzelne Mängel anzuerkennen, die er gar nicht anerkennen wollte. Daher verweigerte er die Unterschrift. Im Nachgang prüfte der Auftraggeber sodann die Schlussrechnung und teilte das Ergebnis dieser Prüfung mit, wonach er keine Zahlung mehr leisten wollte. Nun riss dem Unternehmer der Geduldsfaden und er verklagte den Auftraggeber auf Restvergütung in Höhe von rund 85.000 €. Dieser wehrte sich damit, die vereinbarte förmliche Abnahme sei nicht wirksam erfolgt, da der Auftragnehmer das Abnahmeprotokoll nicht unterzeichnet habe; die Rechnung sei also nicht einmal fällig. Das OLG Dresden ließ den Auftraggeber mit diesem Argument jedoch nicht davon kommen (Urteil vom 26.06.2013 – 1 U 1080/11, rechtskräftig durch BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – VII ZR 184/13). Es teilte mit, dass zwar § 12 Abs. 4 VOB/B grundsätzlich die schriftliche Niederlegung eines Befundes in gemeinsamer Verhandlung verlange. Eine Voraussetzung für die Wirksamkeit sei die Unterschriftsleistung durch den Auftragnehmer hingegen nicht. Die Abnahme sei nämlich als einseitige Erklärung des Auftraggebers ausgestaltet, der durch die Abnahmeerklärung die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht anerkennt. Dass einzelne Mängel noch vorhanden sein mögen, ist dabei nicht weiter störend, sofern diese die Wesentlichkeitsgrenze nicht überschreiten. Hat der Auftraggeber jedoch durch seine Unterschrift unter das Abnahmeprotokoll zu verstehen gegeben, dass er die Leistung abnehmen wolle, also sie als im Wesentlichen vertragsgerecht anerkenne, schade es nicht, wenn der Auftragnehmer das Abnahmeprotokoll nicht gegenzeichne.

DEGA-Tipp: Trotz dieses Urteils sollte man vorsichtig sein. So hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1973 (Urteil vom 29.11.1973 – VII ZR 205/71) angedeutet, dass die Unterschrift beider Parteien erforderlich sein kann, wenn die Parteien für die Wirksamkeit der Abnahme die gegenseitige Unterschriftsleistung ausdrücklich vereinbart hatten. Stehen im Abnahmeprotokoll aber Mängel, die man nicht anerkennen möchte, fragt sich, wie damit umzugehen ist. Entweder, was auch dem Inhalt eines Protokolls entspräche, könnte der Auftragnehmer seine Vorbehalte gegen behauptete Mängel ebenfalls niederlegen oder schlicht daneben schreiben, dass gewisse Mängel nicht anerkannt würden. Auf der anderen Seite wird man sich aber fragen müssen, was die Gegenzeichnung durch den Auftragnehmer überhaupt bewirkt. Erkennt er tatsächlich mit seiner Unterschrift die vorbehaltenen Mängel an? Gerade dies ist regelmäßig nicht der Fall. In das Abnahmeprotokoll sollen nämlich nur Mängelvorbehalte aufgenommen werden. Mit der Unterschrift bestätigt der Auftragnehmer also nichts anderes, als dass der aufgenommene Mangel tatsächlich gerügt wurde, nicht jedoch, dass er auch wirklich vorliegt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.1984 – 23 U 142/84). Vorsicht ist allenfalls dann geboten, wenn das Abnahmeprotokoll einen Passus enthält, dass der Auftragnehmer alle vorbehaltenen Mängel anerkenne. Dabei wird man sich aber fragen müssen, ob es sich bei dieser Formulierung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt und sie wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam ist.

Verstehe deinen Anwalt: Deliktsrecht

Wann waren Sie das letzte Mal so richtig schön in eine zünftige Prügelei verstrickt? Haben Sie gewonnen? Sah der andere nachher schlimmer aus als Sie? Oder war er eher so ’n Rambo-Typ, der Ihnen mal richtig gezeigt hat, wie schwarz ein Auge werden kann? Tja, und jetzt sitzen Sie im Wartezimmer des Arztes, sind natürlich privat versichert und haben ein Selbstbehalt von 1.200 €. Die Rechnung des Fachmediziners kommt auch schneller als die Faust Ihres Gegners. Und nun? Eigentlich ergeben sich Ansprüche gegen andere doch meist aus Vertrag. Bevor Sie Ihren ersten linken Haken in die Luft schleuderten, weil der andere mit 0,0 Promille sich einfach schneller drucken konnte, haben Sie aber dummerweise nicht daran gedacht, mit ihm vorher vertraglich zu vereinbaren, dass er Ihre Arztkosten trägt. Doch keine Sorge: Der Gesetzgeber hilft den Schwachen und Geknechteten. Es gibt ja noch das so genannte Deliktsrecht. Hier benötigen Sie keinen Vertrag. Das Deliktsrecht tritt immer dann ein, wenn Ihnen ein anderer in rechtswidriger Art und Weise einen Schaden zufügt. Aber Vorsicht: Wenn Sie das nächste Mal gewinnen, könnte am Ende Ihr Gegner der lachende Dritte sein.

Erschienen im Mai 2016 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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