Das gespaltene Verhältnis zum Lieferanten – Teil 2


Der drohende Verlust aller Mängelrechte

In der letzten Ausgabe wurden die in Vertragsklauseln von (Baustoff-) Lieferanten häufig versteckten Risiken betrachtet. Aber auch nach erfolgreicher Bestellung und Auslieferung der Ware ist für den GalaBauer Vorsicht geboten!

Betrachten wir wieder einmal unser Beispielsunternehmen, die Grünes Glück GmbH. Dieses soll beim Neubau eines Parkplatzes Betonsteinpflaster verarbeiten. Um Kosten zu sparen wird das gesamte Material „in einem Schwung“ bestellt und am 03.03. auf die Baustelle geliefert. Dort ist die Firma Grünes Glück aber noch mit den Erdarbeiten befasst. Dies stellt jedoch kein Problem dar, existiert doch eine Lagerfläche am Rand des Baufeldes, wo die Betonsteine zwischengelagert werden.

Am 17.03. werden die Vorarbeiten beendet und es kann mit der Pflasterung begonnen werden. Am 22.03. fällt auf, dass zahlreiche Steine Farbabweichungen aufweisen. Außerdem hatte der Lieferant aus ihm nicht zuzurechnenden Gründen eine zu geringe Menge geliefert, obwohl der von ihm übergebene Lieferschein die bestellte Menge auswies. Die Firma Grünes Glück wendet sich deshalb am 24.03. an ihre Lieferantin. Diese weist die Beschwerden zurück, da seit der Anlieferung fast drei Wochen verstrichen sind. Noch ist die Firma Grünes Glück frohen Mutes. Allerdings macht vielleicht das eindeutige und kompromisslose Verhalten des Lieferanten stutzig.

Gefährlich: § 377 HGB

Wie bereits in der letzten Ausgabe festgestellt, handelt es sich bei der Lieferung von Waren um einen Kaufvertrag, für den andere Regeln gelten, als für den dem GaLaBauer vertrauteren Bau- bzw. Werkvertrag. Im Verhältnis zwischen Kaufleuten greifen sogar die Sonderregeln des Handelsgesetzbuches (HGB) für den Handelskauf ein. Dabei erfüllt zunächst jede GmbH, jede AG, jede OHG und jede KG (auch GmbH & Co. KG) den Kaufmannsbegriff. Aber auch sonstige gewerblich tätige Betriebe fallen im Zweifel unter den Geltungsbereich des HGB. Zwar existieren Ausnahmen. Zur eigenen Sicherheit sollte jedoch jeder gewerblich tätige Unternehmer die im HGB aufgeführten Regelungen beachten.

Die Vorschrift des § 377 HGB, der wir uns nunmehr umfänglich widmen wollen, führt zu einer extremen Verschärfung der Pflichten des Käufers, d.h. des Abnehmers einer Warenlieferung. Sie verlangt nämlich, dass der Käufer eine Ware nach Ablieferung unverzüglich untersuchen muss. Zeigt sich bei der Untersuchung ein Mangel, ist dieser dem Verkäufer wiederum unverzüglich anzuzeigen. Die Konsequenzen einer Missachtung dieser Prüf- und Anzeigepflichten sind immens. Nach § 377 Absatz 2 HGB gilt die Ware nämlich als genehmigt, wenn die unverzügliche Mängelanzeige unterbleibt. Was bedeutet das im Einzelnen?

Die von § 377 HGB geforderte unverzügliche Untersuchung muss äußerst zeitnah zur Anlieferung erfolgen. Zwar ist damit nicht gemeint, dass man alles stehen und liegen lassen und die Ware sofort untersuchen muss. Keinesfalls kann es sich ein Unternehmen aber leisten, die Ware zunächst abladen zu lassen, zu lagern und erst zu Beginn der Verwendung zu untersuchen. Aus Sicherheitsgründen sollte die Untersuchung vielmehr grundsätzlich bereits am Tag der Anlieferung erfolgen. Dies gilt selbst dann, wenn die Ware erst Tage oder Wochen später eingesetzt werden soll und kann.

Übrigens: Auch eine Verpackung der Ware vermindert die Untersuchungsverpflichtung nicht. Der Käufer muss vielmehr auch dann die Verpackung zum Zweck der Untersuchung öffnen und hierdurch möglicherweise beschädigen, wenn diese einen gewünschten Schutz gegen die Witterung darstellt oder zum Transport auf der Baustelle benötigt wird. Es gilt: Angelieferte Ware ist zu untersuchen, bevor sie zur späteren Verwendung eingelagert wird.

Der Umfang der Untersuchung richtet sich danach, was „nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist“ (§ 377 Absatz 1 HGB). Was „tunlich“ ist, richtet sich sowohl nach der Art des Geschäfts und der Zumutbarkeit für den Käufer, als auch nach dem, was für das konkrete Handelsgeschäft als üblich gelten kann. Generell ist immer eine eingehende optische Kontrolle durchzuführen. Werden große Warenmengen geliefert, muss selbstverständlich nicht jedes einzelne Stück der Lieferung untersucht werden. Es genügen aussagekräftige Stichproben, wobei deren Menge einen Rückschluss auf die Gesamtlieferung zulassen muss.

Zeigen sich bei der Untersuchung Mängel, etwa Farbabweichungen, sind diese wiederum unverzüglich zu rügen. Auch hier gilt: Je früher desto besser. Der Unternehmer sollte sich darauf einrichten, möglichst umgehend mit der Untersuchung zu beginnen und sich zeigende Mängel ebenso umgehend, also noch am selben Tag, anzuzeigen. Es existiert kaum eine Gelegenheit, in der der folgende Spruch besser passt: Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!

Erfolgt keine unverzügliche Mängelanzeige – die aus Beweisgründen immer schriftlich abgefasst sein sollte – verliert der Unternehmer sämtliche Mängelansprüche. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt rigoros!

Übrigens: Als Mangel im Rechtssinne zählt ausdrücklich (§ 434 Absatz 3 BGB) auch die Lieferung einer zu geringen Menge. Daher ist es zwingend erforderlich, im Rahmen der Untersuchung der Ware auch die Menge zu überprüfen. Wird die Anzeige einer zu geringen Liefermenge unterlassen, kann auch dies erhebliche Konsequenzen haben: Insbesondere, wenn den Lieferanten kein Verschulden an der Mindermenge trifft, ist der gesamte Kaufpreis für die bestellte, aber nicht gelieferte Menge ohne Abzüge zu zahlen.

Der Unternehmer, der die gelieferte Ware nicht unverzüglich untersucht, ist also auf verlorenem Posten. Da er keine unverzügliche Mängelanzeige vornehmen kann, verliert er alle Mängelrechte hinsichtlich der Fehler der Ware, die bei einer ordnungsgemäßen und zeitgerechten Untersuchung aufgefallen wären.

Damit hat die Firma Grünes Glück in unserem Beispielsfall ein erhebliches Problem. Dadurch, dass sie die Mängel des Betonsteinpflasters bei einer eingehenden Sichtprüfung hätte erkennen können (und müssen), kann sie diese nun nicht mehr nachträglich geltend machen. Die erstmalige Anzeige eines Mangels drei Wochen nach Anlieferung ist regelmäßig verspätet. Gründe für eine Ausnahme liegen hier nicht vor. Dementsprechend hat die Firma Grünes Glück sämtliche Mängelrechte hinsichtlich der Farbabweichungen verloren. Dies gilt, obwohl die eigentliche Gewährleistungsfrist für die gelieferten Waren bei weitem noch nicht abgelaufen ist.

Damit aber nicht genug: Bei der Untersuchung hätte der Firma Grüns Glück auch die Mindermenge auffallen müssen. Da die Mindermenge ebenfalls als Mangel im Rechtssinne gilt und nicht unverzüglich gerügt wurde, kann auch diese nicht mehr eingewandt werden. Die Grünes Glück GmbH muss also den vollen Kaufpreis für die sich aus dem Lieferschein ergebende Menge zahlen.

Merke: Gelieferte Ware muss unabhängig von dem Zeitpunkt der beabsichtigten Verwendung umgehend nach Anlieferung sowohl hinsichtlich ihrer Qualität, als auch hinsichtlich der Menge untersuchen werden. Nötigenfalls ist hierzu die Verpackung zu öffnen bzw. zu entfernen. Zeigen sich Mängel oder Mengenabweichungen, sind diese ebenfalls umgehend und möglichst schriftlich gegenüber dem Lieferanten zu rügen.

Verdeckte Mängel

Nicht jeder Mangel ist bei der ersten Untersuchung erkennbar, wie folgender Beispielsfall zeigt:

Die Grünes Glück GmbH untersucht die ihr gelieferte Ware jetzt stets akribisch. So geschieht es auch mit einer weiteren Charge Betonsteinpflaster. Mängel fallen hierbei nicht auf. Nachdem das Pflaster jedoch bereits ein Jahr liegt, zeigen sich Risse. Ursache hierfür ist ein Produktionsfehler, der die Frostsicherheit des Pflasters beeinträchtigt hat, bei der gebotenen Untersuchung aber nicht auffallen konnte. Die Firma Grünes Glück erfährt am 04.02. von dem Schaden und meldet ihn noch am gleichen Tag ihrem Lieferanten. Dieser meint, nicht haften zu müssen, da das Pflaster im März des Vorjahres geliefert worden war und der Mangel damals nicht angezeigt wurde.

In einem entscheidenden Punkt unterscheidet sich dieser Fall von der oben dargestellten Konstellation: Während oben die Mängel bei einer Untersuchung aufgefallen wären, war der Mangel hier nicht erkennbar. Deshalb konnte er im Rahmen der notwendigen Untersuchung nicht auffallen und gerügt werden. Damit greift die Genehmigungsfiktion des § 377 Absatz 2 HGB hier nicht, denn diese gilt nur für Mängel, die bei der unverzüglichen Untersuchung tatsächlich erkennbar sind. Die Ansicht des Lieferanten ist also falsch.

Allerdings muss die Firma Grünes Glück auch hier einiges beachten. Zeigt sich nämlich ein bei der (ersten) Untersuchung nicht erkennbarer Mangel zu einem späteren Zeitpunkt, muss auch dieser Mangel unverzüglich nach der Entdeckung gerügt werden (§ 377 Absatz 3 HGB). Unterlässt der Unternehmer die Anzeige oder versendet er sie verspätet, verliert er erneut sämtliche Mängelrechte. Auch hier gilt, dass zu einem späteren Zeitpunkt erstmals entdeckte Mängel möglichst noch am Tag der Entdeckung gegenüber dem Lieferanten gerügt werden sollten, um Nachteile zu vermeiden.

Die Firma Grünes Glück hat in unserem Fall also alles richtig gemacht. Damit behält sie ihre Mängelrechte gegen den Lieferanten.

Merke: Auch wenn sich ein Mangel an der gelieferten Ware erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigt, ist er dem Lieferanten umgehend, d.h. am besten noch am selben Tag, möglichst schriftlich zu melden.

Die Zwickmühle

Für seine Beziehung zum Lieferanten muss sich der GaLaBauer folgendes vor Augen führen: Während zwischen ihm und seinem Lieferanten Kaufvertragsrecht und somit § 377 HGB regelmäßig Anwendung findet, kann er sich auf diese Vorschrift im Verhältnis zu seinem Auftraggeber meistens nicht berufen, denn für diese Beziehung gilt nicht Kauf- sondern Werkvertragsrecht. Die Erbringung einer Bauleistung unterfällt grundsätzlich dem Werkvertragsrecht, in dem § 377 HGB auch keine entsprechende Anwendung findet.

Damit kann der GaLaBauer gegenüber seinem Auftraggeber eine verspätete Mängelrüge regelmäßig nicht einwenden. Dies führt möglicherweise zu der ärgerlichen Konsequenz, dass zwar ein Mangel an einer vom Lieferanten gelieferten Ware existiert, der Bauunternehmer aber wegen Missachtung der Prüf- und Anzeigepflicht des § 377 HGB seinen Lieferanten nicht in die Haftung nehmen kann. Auf der anderen Seite bleibt er jedoch mit Mängelansprüchen seines Auftraggebers belastet, die nicht dem § 377 HGB unterliegen.

Daher gilt: Jeder Werkunternehmer muss die Untersuchungs- und Rügepflichten des § 377 HGB äußerst ernst nehmen und befolgen. Ansonsten läuft er Gefahr, einen hohen finanziellen Verlust zu erleiden, der nachträglich nur in absoluten Ausnahmefällen korrigierbar ist.

Erschienen im Februar 2008 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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