Die Bedenkenanmeldung – immer schriftlich?


Mit Urteil vom 16.10.2012 – 11 U 102/11 hat das Oberlandesgericht Brandenburg erneut mehrere Fragen zur Bedenkenanmeldung beantwortet. Tatsächlich ist die Bedenkenanmeldung ein häufiger (und unnötiger) Streitpunkt

zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eines Bauvertrages. Während der Auftragnehmer verpflichtet ist, bestehende Bedenken möglichst umfassend gegenüber seinem Auftraggeber mitzuteilen, fühlt dieser sich häufig durch die Bedenkenanmeldung in die Ecke gedrängt. Dieses Gefühl des Auftraggebers ist nur dann verständlich, wenn die Bedenkenanmeldung fehlerhaft interpretiert wird. Eigentlich soll sie nämlich den Auftraggeber schützen. Meldet der Auftragnehmer frühzeitig seine Bedenken an, kann der Auftraggeber sachgerecht reagieren und so einen etwaigen schlimmeren Schaden vermeiden. Leider denken viele Auftraggeber (und Auftragnehmer), die Bedenkenanmeldung würde dem einzigen Zweck dienen, den Auftragnehmer von der Mängelhaftung freizustellen. Würde man jedoch etwas neutraler und sachgerechter an die Mitteilung herangehen, wäre allen Parteien am Bau geholfen.

Zurück zum Fall: In dem Urteil des OLG Brandenburg ging es um Bauleistungen, die auf Grundlage eines VOB/B-Vertrages abgeschlossen wurden. Anders als unter der Geltung des BGB existieren hier besondere Vorschriften. Zunächst sind nach § 4 Abs. 3 VOB/B festgestellte Bedenken schriftlich anzuzeigen. Erst wenn dies geschehen ist und der Auftraggeber den Bedenken nicht sachgerecht folgt, wird der Auftragnehmer schlussendlich – wenngleich dies nicht die Zielrichtung der VOB/B, sondern nur deren Konsequenz ist – von der Haftung frei. Soweit die Theorie. Das OLG Brandenburg führt aus, dass die Bedenkenanmeldung nach § 4 Abs. 3 VOB/B um als solche wirksam zu sein, stets schriftlich erfolgen muss. Vor dem Hintergrund der in DEGA 07/2012 kommentierten Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 30.04.2012 – 4 U 269/11 sollte man sich davor hüten, Bedenkenanmeldungen per E-Mail zu versenden. Hier sollte mindestens eine Versendung per Telefax erfolgen, um das Schriftformerfordernis sicher einzuhalten.

Allerdings stellt das OLG Brandenburg ebenfalls korrekt heraus, dass eine lediglich mündliche Bedenkenanmeldung nicht gänzlich wirkungslos ist. Befolgt nämlich der Auftraggeber trotz ausreichender und zuverlässiger mündlicher Belehrung die Hinweise des Auftragnehmers nicht, so kann sich der Auftragnehmer hinsichtlich der hieraus ergebenden Mängel auf ein so genanntes „mitwirkendes Verschulden“ des Auftraggebers berufen. Dabei muss jedoch klar sein, dass zum einen – wie auch im Rahmen einer schriftlichen Bedenkenanmeldung – der Hinweis ausreichend detailliert ist, um dem Auftraggeber die Risiken der konkreten Bauausführung vor Augen zu führen. Zudem wird der Auftragnehmer nicht nach § 13 Abs. 3 VOB/B von der gesamten Last des entstandenen Mangels befreit. Bei einem Mitverschulden erfolgt vielmehr eine quotale Verteilung des Schadens aufgrund der Verschuldensanteile der Parteien. Es wird also geprüft, wie stark das Verhalten des Auftragnehmers und des Auftraggebers zu gewichten ist. Nur in Ausnahmefällen kann dies dazu führen, dass der Auftraggeber auch bei einer nur mündlichen Bedenkenanmeldung mit 100 % belastet wird. Ein besonderes Problem besteht jedoch zusätzlich: Bei rein mündlichen Hinweisen wird es für den Auftragnehmer schwierig, den genauen Inhalt, den Zeitpunkt und den Adressaten der Bedenkenanmeldung zu beweisen. Hier verblasst die Erinnerung von Zeugen nach unserer Erfahrung regelmäßig bereits nach wenigen Monaten.

Noch etwas ist – wie auch das OLG Brandenburg betont – sowohl im Falle einer schriftlichen als auch im Falle einer mündlichen Bedenkenanmeldung von eklatanter Wichtigkeit: Es muss der richtige Adressat angesprochen werden. Das ist grundsätzlich der Auftraggeber selbst. Nach unserer Erfahrung wird vielfach die Bedenkenanmeldung lediglich an den Architekten gesandt. Handelt es sich bei den Bedenken jedoch um Fehler, die der Architekt selbst zu verantworten hat oder verschließt sich der Architekt der Bedenkenanmeldung, genügt der erfolgte Hinweis an ihn regelmäßig nicht. Führt man sich vor Augen, dass viele Bedenkenanmeldungen auf Planungsfehlern basieren oder aber sonstige Architektenleistungen, so zum Beispiel Fehler in der Bauüberwachung, betreffen, wird schnell klar, dass man nur dann seine Bedenkenanmeldung korrekt vorgetragen hat, wenn der Auftraggeber selbst Empfänger des Hinweises ist. Nur so lässt sich anschließend verhindern, dass die Bedenkenanmeldung wirkungslos ist. Der Architekt mag dann zusätzlich eine Abschrift erhalten.

Noch ein kurzer Hinweis:
Das Schriftlichkeitserfordernis existiert im BGB-Vertrag nicht. Dennoch ist es bereits aus Beweisgründen von enormer Wichtigkeit, auch dort Bedenkenanmeldungen schriftlich zu formulieren.

Der Vorschusskostenanspruch im VOB-Vertrag

Hat ein Besteller mit einem Unternehmer einen Werkvertrag geschlossen, werden Mängel nach §§ 633 ff. BGB abgehandelt. Zunächst ist dem Unternehmer das Recht zur Nachbesserung zu gewähren. Führt er diese innerhalb einer vom Besteller gesetzten, angemessenen Frist nicht aus, kann der Besteller auf die so genannten Sekundärrechte ausweichen. Er kann also zur Selbstvornahme schreiten und den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, vom Vertrag zurücktreten, die Vergütung mindern oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Im Rahmen der Selbstvornahme bestimmt § 637 Abs. 3 BGB, dass der Besteller von dem Unternehmer einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen verlangen kann.

Genau um diesen Vorschuss ging es im Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 07.12.2010 – 5 U 95/09, zu dem der Bundesgerichtshof nunmehr mit Beschluss vom 26.08.2012 – VII ZR 220/10 die so genannte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hat. Das Urteil ist damit rechtskräftig geworden. Dort hatte ein Auftragnehmer Mängel produziert, woraufhin er mehrfach unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert wurde, diese jedoch nicht leistete. Sodann entschied sich der Auftraggeber, den Mangel nunmehr durch ein Drittunternehmen beseitigen zu lassen und verlangte vom Auftragnehmer die Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung in Höhe der voraussichtlichen Beseitigungskosten. Nun bestimmt § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B lediglich, dass der Auftraggeber für den Fall, dass der Auftragnehmer seiner Mängelbeseitigungspflicht innerhalb einer gesetzten angemessenen Frist nicht nachkomme, den Mangel auf Kosten des Auftragnehmers beseitigen könne. Von Vorschüssen ist dort nicht die Rede. Dennoch hat das Gericht dem Auftraggeber unproblematisch und ohne dies zu vertiefen, den Vorschusskostenanspruch richtigerweise gewährt. Obwohl besagter Anspruch dort wörtlich nicht erwähnt ist, wird dieser aus § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B herausgelesen.

Wird ein Vorschusskostenanspruch geltend gemacht, ist jedoch Folgendes zu beachten: Dieser kann nur dann verlangt werden, wenn der Auftraggeber tatsächlich die Mängelbeseitigung später selbst oder durch Dritte durchführen lässt. Nach Durchführung der Mängelbeseitigungsleistungen muss der Auftraggeber dann endgültig abrechnen. Hat er geringere Aufwendungen als ursprünglich geschätzt aufbringen müssen, hat er einen Teil des empfangenen Geldes zurückzuzahlen, reicht der Vorschuss nicht aus, kann er vom Auftragnehmer sogar eine weitere Zahlung verlangen. Mit dem Obsiegen einer auf Vorschuss gerichteten Klage ist die Sache folglich noch nicht beendet. Gerade die spätere Abrechnung kann ein Quell umfangreicher weiterer Streitigkeiten sein. Für den Auftragnehmer gilt, dass er nicht aus dem Auge lassen sollte, dass er im Rahmen einer Vorschussklage eben auch nur zu diesem Vorschuss verurteilt wurde. Er sollte sodann überprüfen, ob die Mängelbeseitigung erfolgt ist und sich die entsprechenden Nachweise vorlegen lassen. Ergibt sich dann, dass der Auftraggeber weniger gezahlt hat, als er im Rahmen der Vorschussklage prognostiziert hat, ist eine Rückforderung des nicht verbrauchten Teilbetrages angezeigt.

Verstehe Deinen Anwalt – Buchersitzung

Man sollte es viel öfter tun: Den neuesten Ken Follett (oder alternativ einen anderen Schinken mit mindestens 600 Seiten) im örtlichen Buchhandel kaufen und sich gepflegt draufsetzen. Stundenlang! Tagelang! Dann hat man es erlegt, so platt gedrückt, dass es aufgeben wird! Man hat es nach hartem Kampf ersessen! Dies könnte man selbstverständlich auch mit Grundbüchern machen, käme man nur an sie heran. Die zunehmende Digitalisierung ist dabei jedoch nicht gerade förderlich. Dennoch ist der Begriff der „Buchersitzung“ gerade auf Grundbücher ausgerichtet. Dort kann es nämlich sein, dass jemand fälschlicherweise als Eigentümer eines Grundstückes eingetragen ist, ohne dass ihm zu irgendeinem Zeitpunkt das Eigentum übertragen wurde. Ist das der Fall, erwirbt er das Eigentum, wenn seit der Eintragung 30 Jahre vergangen sind und er während dieser Zeit das Grundstück im Eigenbesitz hatte. Er wird dann auch tatsächlich Eigentümer des Grundstücks und hat es „ersessen“. Das Ganze funktioniert übrigens auch mit beweglichen Sachen, also dem oben genannten dicken Schinken: Dort ist es jedoch so, dass es genügt, wenn man die bewegliche Sache (also das Buch) zehn Jahre selbst besessen hat und davon ausgegangen ist, ihr Eigentümer zu sein. Die Buchersitzung mit ihren längeren Fristen bezieht sich jedoch nur auf Grundbucheintragungen.

Erschienen im Dezember 2012 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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