Müssen Mehrmengen angekündigt werden?


Bei Einheitspreisverträgen liegt es in der Natur der Sache, dass die Mengenangaben in dem regelmäßig auftraggeberseits vorgegebenen Leistungsverzeichnis nur mehr oder weniger überschlägig ermittelt worden sind.

Abhängig von der Qualität der Planung (bzw. des Planers!) kann es im Rahmen der Ausführung zu ganz erheblichen Abweichungen von diesen Mengen kommen. Bei Vereinbarung der VOB/B werden die Auswirkungen auf die Höhe des Einheitspreises ab einer Über- oder Unterschreitung von 10% des veranschlagten Mengenansatzes in § 2 Abs. 3 geregelt, wobei die dort vorgesehene Anpassung des Preises nur „auf Verlangen“ erfolgt.

Gerade im Bereich von umfangreichen Tiefbau- und Bodenarbeiten, beispielsweise bei einem Bodenaustausch, kommt es auch ohne Änderungen des Vertrags-Solls gegenüber den Angaben im Leistungsverzeichnis immer wieder zu erheblichen Massenmehrungen, denn die Verhältnisse im Untergrund lassen sich häufig nicht bzw. nur mit relativ hohem Aufwand vorab eindeutig ermitteln. Der Streit zwischen Auftraggeber und Bauunternehmer entzündet sich dann nicht (nur) an der Höhe des gegebenenfalls anzupassenden Einheitspreises, sondern an der folgenden Erhöhung des Gesamtpreises für diese Positionen bzw. dann auch den Gesamtauftrag.
Häufig vertreten Auftraggeber dann die Auffassung, der Auftragnehmer sei dazu verpflichtet (gewesen), auf eine derartige Massenmehrung schon bei Überschreitung der Grenze von 10 %, jedenfalls aber ab einem für die Gesamtvergütung relevanten Umfang hinzuweisen.
Grundsätzlich besteht eine derartige Pflicht bei solchen „zufälligen“ Massenmehrungen jedoch nicht (z.B. OLG München, Beschluss vom 27.03.2019 – 28 U 3906//18 Bau; OLG Naumburg, Urteil vom 09.04.2015 – 6 U 19/14; OLG Jena, Urteil vom 28.05.2003 – 7 U 1295/02).
Sie lässt sich insbesondere auch nicht aus § 2 Abs. 3 VOB/B ableiten. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass bei einem Einheitspreisvertrag die Mengenansätze (auch erheblich) über- oder unterschritten werden können. Regelmäßig liegt die Verantwortung für unzutreffende Vorgaben im Leistungsverzeichnis ja auch bei dem Auftraggeber selbst (bzw. bei dessen Planer).

Bei einer exorbitanten Massenmehrung, welche für beide Seiten nicht vorhersehbar war, hat das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 09.08.2012 – 16 U 197/11) jedoch ausnahmsweise angenommen, dass der Auftragnehmer dazu verpflichtet sei, vor Ausführung der betreffenden Leistungen eine Zustimmung seines Auftraggebers einzuholen, weil er nicht davon ausgehen dürfe, dass dieser mit der Erbringung derartiger Mehrleistungen bzw. der Zahlung einer entsprechend höheren Vergütung einverstanden sein würde.
Auch wenn dieses Urteil schon wegen seiner schlechten Begründung vielfach angegriffen worden ist, lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass ein Auftraggeber – unabhängig von seiner tatsächlichen bzw. vermeintlichen Fachkunde – über Umstände, die zu erheblichen Kostensteigerungen führen (können), gerne frühzeitig informiert werden möchte.
Schon aus eigenem Interesse und zur Vermeidung von späteren Streitigkeiten können wir daher nur empfehlen, dann, wenn einzelne Positionen und damit auch wesentliche Kostenanteile völlig aus dem Ruder zu laufen drohen, den Auftraggeber hierauf frühzeitig gesondert hinzuweisen, damit dieser nötigenfalls eingreifen kann. Häufig werden entsprechende Massenmehrungen auch zu einer Verzögerung der Bauausführung führen, auf die man bei dieser Gelegenheit ebenfalls hinweisen sollte.
Wenn die Massenmehrungen auf eine Veränderung der vertraglichen Vereinbarungen (beispielsweise durch die Anordnung, zusätzliche Bereiche außerhalb des ursprünglichen Baufeldes zu bearbeiten) zurückzuführen sind, gilt nach dem dann einschlägigen § 2 Abs. 5/6 VOB/B ohnehin eine Ankündigungspflicht gegenüber dem Auftraggeber.

Erschienen im Mäarz 2022 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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