Selbstverständlichkeit beweisbar erklären: Wer pflegt die Pflasterfugen?


An dieser Stelle haben wir schon oft darüber geklagt, dass der Mensch seinen gesunden Verstand anscheinend immer mehr verliert und dass man ihm auch die größten Selbstverständlichkeiten beweisbar erklären muss, um nicht später zu haften („Achtung: Diese Topfpflanze vertrocknet und stirbt, wenn man sie nicht regelmäßig gießt!“).

Etwas kniffliger ist es bei der Pflasterfugenpflege. Während deren Notwendigkeit in Fachkreisen allgemein bekannt ist und die Regelwerke voll von entsprechenden Hinweisen und Erläuterungen sind, scheint sich dies bis heute nicht überall herumgesprochen zu haben. Tatsächlich dürfte es naheliegen, dass bautechnische Laien und Verbraucher nicht wissen können oder müssen, dass dann, wenn Fugen nicht oder nicht ordnungsgemäß gepflegt werden, eine Pflasterfläche erheblichen Schaden nehmen kann, was wir bei den an uns herangetragenen Fällen immer wieder feststellen müssen.

Muss man auch Profis an die Hand nehmen?
Wie sieht es aber mit professionellen Auftraggebern aus dem Baubereich aus? Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 18. August 2022 (24 U 51/20) zu befassen: Eine Stadt hatte die Erneuerung des Pflasters von zwei Straßen und einen Ingenieur mit der Planung und Bauüberwachung beauftragt. Eine Pflasterfugenpflege wurde nicht ausgeschrieben und gegenüber dem ausführenden Unternehmen somit nicht beauftragt. Rund vier Jahre nach der Abnahme zeigten sich die für eine fehlende Pflasterfugenpflege typischen Mängel (entleerte Fugen, Verschiebungen und Verformungen in der Oberfläche, Höhenversätze, Kantenabplatzungen).
Wegen der voraussichtlichen Kosten der Mängelbehebung durch eine Erneuerung des gesamten Oberbaus verklagte die Stadt den Auftragnehmer auf rund 335.000 €.

Sachverständiger bringt Klarheit
Dies im Ergebnis ohne Erfolg! Nach Überprüfung durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen war es möglich, die festgestellten Mangelsymptome auf die unzureichende Pflasterfugenpflege zurückzuführen, sodass die klagende Stadt nicht beweisen konnte, dass schon zum Zeitpunkt der Abnahme ein Mangel vorgelegen hatte.
Das Landgericht Paderborn war der Argumentation der Stadt noch gefolgt, das ausführende Unternehmen hätte auf die Notwendigkeit der Pflasterfugenpflege hinweisen und wegen der fehlenden Beauftragung derartiger Leistungen nach § 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken anmelden müssen. Das Oberlandesgericht Hamm sieht jedoch kein Versäumnis des Auftragnehmers. Das Gericht folgt hier dem Sachverständigen, der dargestellt hat, die Notwendigkeit der Wartungsarbeiten hätten sowohl der regelmäßig im Straßenbau tätige Bauingenieur, als auch eine mit einem Bauamt ausgestattete Kommune kennen müssen.
Deshalb durfte der Auftragnehmer davon ausgehen, dass entsprechende Kenntnisse vorhanden waren und die Pflasterfugenpflege durch die Stadt selbst oder durch andere Unternehmen ausgeführt würde.

DEGA Tipp: Fugenpflege: Hinweis zur Pflege geben
Gehen Sie bitte stets auf Nummer sicher und weisen Sie Ihren Auftraggeber unabhängig davon, ob es sich um einen (scheinbar) fachkundigen Profi oder einen wirklich ahnungslosen Laien handelt, immer auf die Notwendigkeit der Pflasterfugenpflege hin. Dies immer auch nachweisbar unter Erläuterung der erheblichen negativen Folgen, welche sich bei einer Unterlassung dieser Pflege ergeben können. Im Zweifelsfall können Sie dies in Form eines Nachtragsangebots über entsprechende Leistungen tun.
Der Begriff „Bedenkenanmeldung“ muss hierbei nicht verwendet werden. Im Verhältnis zu dem Umfang der möglichen Schäden und der Kosten für deren Behebung fällt der üblicherweise recht überschaubare Aufwand für die Pflasterfugenpflege kaum ins Gewicht.

Erschienen im März 2023 bei der DEGA Galabau, Das Magazin für den Garten- und Landschaftsbau. DEGA Galabau im Internet.

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