Behinderung – Teil 2


Nach der Behinderungsanzeige – Verhalten und Ansprüche

In der letzten Ausgabe haben wir uns mit dem Entwurf einer korrekten Behinderungsanzeige beschäftigt. Wer nun aber denkt, hiermit habe er alles getan, wird sich wundern. Es locken weiterhin mehr oder weniger große Fallen, die es zum umgehen gilt.

An anderer Stelle

Stellen wir uns einmal folgenden Fall vor: Unser Beispielsunternehmen Grünes Glück soll Leistungen zur Erstellung der Außenanlagen in verschiedenen Bauteilen eines Neubauprojektes erbringen. Beginnen soll sie eigentlich mit Erdaushubarbeiten am Bauteil A. Die Flächen werden aber noch vom Fassadenbauer belegt. Sofort zieht sie wieder ab und schreibt eine Behinderungsanzeige. Hätte sie mehr tun sollen?

Die ebenso einfache, wie einleuchtende Antwort ist: Ja! Selbst wenn Bauteil A derzeit noch nicht frei ist, mag bei Bauteil B bereits Baufreiheit herrschen. Vielleicht gibt es auch andere Arbeiten, die die Firma Grünes Glück vorziehen kann. Soweit ihr dies zumutbar ist, muss sie entsprechend flexibel reagieren. Sie ist nämlich gesetzlich verpflichtet, den durch die Bauzeitverzögerung entstehenden Schaden möglichst zu minimieren.

„Abmeldung“ der Behinderung

Eines wird fast immer vergessen: Eine Behinderung ist nicht nur anzumelden, auch ihr Wegfall ist dem Auftraggeber anzuzeigen. Dies ergibt sich aus § 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B. Hierbei handelt es sich auch nicht nur um eine lästige Pflicht, vielmehr liegt die Anzeige der Beendigung der Behinderung durchaus auch im Interesse des Auftragnehmers: Zunächst kann hierdurch das Baustellenklima verbessert werden, da der Auftraggeber plötzlich sieht, dass er auch über für ihn positive Dinge informiert wird. Des weiteren hat der Auftragnehmer hierdurch dokumentiert , wie lange genau die Behinderung angedauert hat. Für die spätere Durchsetzung eigener Rechte ist dies Gold wert.

Und noch etwas: Die Verletzung der Pflicht zur Abmeldung der Behinderung stellt eine vertragliche Pflicht dar. Wird sie verletzt und entsteht dem Auftraggeber hierdurch ein Schaden, kann er diesen gegenüber dem Auftragnehmer geltend machen. Es wird zwar nur eine Handvoll Fälle geben, in denen dies geltend gemacht werden kann. Diese Konstellationen sollte man jedoch durch eine Abmeldung der Behinderung ausschließen.

Wiederaufnahme der Arbeiten

Nach § 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B hat der Auftragnehmer dann, wenn die hindernden Umstände weggefallen sind, ohne weiteres und unverzüglich seine Arbeiten wieder aufzunehmen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass er Auftragnehmer sofort, also quasi in der nächsten Minute seine möglicherweise schon seit vielen Wochen unterbrochene Leistungserbringung fortsetzen muss. Er ist keineswegs gezwungen, Gewehr bei Fuß zu stehen. Gerade bei länger andauernden Behinderungen muss der Auftragnehmer schon aus Schadensminderungsgesichtspunkten seine Mitarbeiter, Maschinen, etc., anderweitig, unter Umständen sogar bei anderen Bauvorhaben einsetzten, Materialbestellungen zurückstellen, möglicherweise sogar Füllaufträge annehmen. Diese anderen Bauvorhaben darf der Auftragnehmer natürlich ordnungsgemäß weiter führen und muss nicht bei Ende der Behinderung sofort sämtliches Personal und Geräte von dort abziehen.

Vor Wiederaufnahme der unterbrochenen Arbeiten können auch noch besondere Maßnahmen und Vorkehrungen erforderlich sein, um den ordnungsgemäßen Fortgang der Arbeiten zu gewährleisten (Bsp.: Vorlauf für eine zu mietende Spezialmaschine, Vorlauf für zu beschaffendes Material, welches nicht am Ort der Baustelle gelagert werden konnte).

All diese Gesichtspunkte werden in dem Begriff „unverzüglich“ berücksichtigt. Er bedeutet nämlich „ohne schuldhaftes Zögern“ oder mit anderen Worten „so schnell wie möglich und zumutbar“. Damit wird einerseits klargestellt, dass es schnellstmöglich weitergehen soll, andererseits auf die Belange des Auftragnehmers hinreichend Rücksicht genommen wird.

Empfehlenswert ist es, den Auftraggeber im Rahmen der ohnehin erforderlichen Anzeige des Wegfalls der Behinderung detailliert unter Darstellung der Gründe über entsprechende Vorlaufzeiten zu informieren, bestenfalls sogar eine Einigung hierüber herbeizuführen.

Die Bauzeitverlängerung

Hat es tatsächlich eine in der Risikosphäre des Auftraggebers liegende Behinderung gegeben und ist diese ordnungsgemäß angezeigt worden, steht dem Auftragnehmer zunächst ein Anspruch auf eine Verlängerung der Ausführungsfristen zu (6 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B).

Dabei errechnet sich die Fristverlängerung nicht nur anhand der eigentlichen Zeit der Behinderung. Dann nämlich würden die oben bereits dargestellten Umstände unberücksichtigt bleiben, beispielsweise der notwendige Vorlaufs zur Wiederaufnahme der Arbeiten. Deshalb wird nach § 6 Nr. 4 VOB/B die Fristverlängerung nach der Dauer der Behinderung mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten und die etwaige Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit berechnet.

Ausgangspunkt ist zunächst die Dauer der Behinderung. Während diese bei einem vollständigen Stillstand noch recht leicht zu berechnen ist, wird es dann, wenn es nur zu Verlangsamungen gekommen ist, schon schwieriger. Eine ordentliche Dokumentation der tatsächlichen Geschehnisse und der eigenen Zeitplanung ist dabei unverzichtbar. Nur hieraus wird man die Auswirkungen der langsameren Arbeit ableiten können. Die Anforderungen an eine solche Dokumentation hatten wir in der vorigen Ausgabe näher dargestellt.

Hinzu kommt der zeitliche Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Wovon dieser Zeitraum abhängen kann und wie dieser gegebenenfalls zu ermitteln ist, hatten wir oben bereits näher dargestellt.

Schließlich ist eine etwaige Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit zu berücksichtigen. Von Verallgemeinerungen ist dabei dringend abzuraten. Man muss vielmehr auf den Einzelfall abstellen und erneut die geplante Zeit der Bauausführung mit der tatsächlichen Zeit der Leistungserbringung vergleichen. Es kann nur im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit die betreffenden Leistungen aufgrund der Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit wirklich nicht oder nur noch verlangsamt ausgeführt werden können. So kann eine Innenraumbegrünung auch im Winter möglich sein, wenn die klimatischen Verhältnisse durch Klimaanlagen geschaffen werden. Im Außenbereich wird eine Bepflanzung in den Wintermonaten undurchführbar sein. Während bei der ersten Maßnahme also gar kein Zuschlag nötig sein wird, kann er in dem zweiten Beispiel mehrere Monate betragen.

Konkretere Vorgaben lassen sich insoweit nicht machen. Generell ist dem Auftragnehmer zu empfehlen, nach Wegfall der Behinderung wirklich alles in seiner Macht Stehende zu tun, um eine möglichst schnelle Wiederaufnahme und Fortsetzung der Arbeiten zu ermöglichen. Es bietet sich an, den Auftraggeber schriftlich über die benötigte Verlängerung der Ausführungsfristen zu informieren und ihm die entsprechenden Berechnungen mitzuteilen. Auf dieser Basis kann dann eine Einigung über die neue Bauzeit herbeigeführt werden. Kommt eine solche Einigung nicht zu Stande, kann die neue Frist notfalls durch ein Gericht festgesetzt werden.

Da den Auftragnehmer sowohl die Beweislast für die der Bauzeitverlängerung zugrunde liegenden Tatsachen, als auch für die Angemessenheit der verlangten Fristverlängerung trifft, ist eine sorgfältige Dokumentation auch hier unabdingbar.

Schadensersatz

Hat der Auftraggeber die Behinderung verschuldet, kann der Auftragnehmer nach § 6 Nr. 6 VOB/B Schadensersatz verlangen. So leicht dieser Satz von den Lippen geht, so schwierig ist die Durchsetzung.

Häufig fehlt es schon am Verschulden des Auftraggebers. Dieser muss die Bauzeitverzögerung mindestens fahrlässig verursacht haben. Dass dies bei Witterungseinflüssen, Vandalismus oder sonstigen unvorhersehbaren Ereignissen nicht der Fall ist, dürfte auf der Hand liegen. Was aber ist, wenn der von Ihrem Auftraggeber ebenfalls beauftragte Vorunternehmer, auf dessen Leistungen Sie aufbauen sollen, nicht in die Puschen kommt? Der Bundesgerichtshof meint, dass den Auftraggeber dann kein Verschulden trifft, wenn er diesen Vorunternehmer ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht hat, was regelmäßig der Fall sein wird.

In anderen Fällen jedoch wird man jedoch zumindest Fahrlässigkeit bejahen können, z.B. wenn der Auftraggeber die von ihm geschuldeten Pläne nicht übergibt oder wenn er den Bauablauf so eng plant, dass keine Reserven vorgesehen sind und jede noch so kleine Störung den gesamten Zeitplan durcheinanderbringen muss.

Die nächste Hürde wartet bereits bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs. Ersetzt wird im Rahmen des § 6 Nr. 6 VOB/B der nachweislich entstandene Schaden. Hierbei ist genau festzuhalten und vorzutragen, welche konkrete Behinderung zu welchem konkreten Schaden geführt hat. Man vergleicht hierbei die finanzielle Situation, in der sich der Auftragnehmer befände, wenn der verzögernde Umstand nicht eingetreten wäre, mit der Situation, die infolge der Behinderung eingetreten ist. Die möglichen Schäden können in zahlreichen Gestaltungen auftreten:

Bei einer längeren Verschiebung/Unterbrechung der Bauzeit können beispielsweise Mehrkosten durch Materialpreiserhöhungen, Spritpreiserhöhungen, Lohnerhöhungen, etc., entstehen, die ersatzfähig sind. Diese Schäden müssen dabei konkret, z.B. durch Preislisten eines Lieferanten vor und nach der Behinderung, nachgewiesen werden.

Schäden können zudem durch eine Verlängerung der (nicht vollständig unterbrochenen) Bauzeit entstehen. Hier sind die konkreten Mehraufwendungen für Geräte, Personal, Vorhalte- und Unterhaltungskosten zu ermitteln und in Ansatz zu bringen. Gleiches gilt selbstverständlich für die kalkulatorischen Kostenbestandteile der Baustellengemeinkosten und Allgemeinen Geschäftskosten.

Die Liste der möglichen Schäden ist nahezu endlos. Die betragsmäßige Schadensermittlung bedarf bereits aus Strukturierungsgründen einer baubetrieblichen Kostenermittlung. Denn ohne einen Vergleich der Kosten ohne die Verzögerung mit denen einer störungsfreien Bauausführung lässt sich der Anspruch nicht begründen. Ab einem gewissen Umfang und insbesondere bei Großbaustellen kann nur empfohlen werden, die Ermittlung schon während der Bauzeit durch ein hierauf spezialisiertes Ingenieurbüro durchführen zu lassen. Die Erfahrung lehrt, dass eine hausinterne Ermittlung kaum erfolgreich durchgeführt werden kann.

Entschädigung

Häufig kommt man mit dem Schadensersatzanspruch nicht weiter. Der klassische Fall im Garten- und Landschaftsbau ist der, dass ein Vorunternehmer seine Leistungen nicht rechtzeitig fertig stellt bzw. das Baufeld nicht zeitgerecht räumt. Wie oben bereits dargestellt, scheidet nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dieser Situation ein Schadensersatzanspruch aus. Der Bundesgerichtshof meint hierzu, der Auftraggeber könne nichts dafür, dass der andere Unternehmer nicht pünktlich fertig wird. Er hafte nicht für das Verschulden des Vorunternehmers an der Verzögerung.

Als Rettungsanker in dieser Situation hat der Bundesgerichtshof auf einen Anspruch des Auftragnehmers auf eine so genannte Entschädigung nach § 642 BGB verwiesen, der jetzt auch in § 6 Nr. 6 VOB/B genannt wird. Bei dieser Vorschrift bedarf es keines Verschuldens des Auftraggebers.

Der Auftraggeber schuldet dem Auftragnehmer als „Mitwirkungshandlung“ die Übergabe eines bearbeitungsfähigen Baufeldes. Unterlässt der Auftraggeber eine von ihm geschuldete Mitwirkungshandlung, hat er hierfür eine Entschädigung zu leisten, wenn er durch dieses Unterlassen in einen so genannten Verzug der Annahme geraten ist (§ 642 BGB). Wann dieser Annahmeverzug vorliegt, regelt § 293 BGB relativ kurz und knapp: „Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.“

Hier stolpert man direkt über die Formulierung: „die ihm angebotene Leistung“. Eine Leistung kann nach den Vorschriften des BGB verschiedentlich angeboten werden. Entscheidend ist zumeist das so genannte „wörtlich Angebot“ nach § 295 BGB. Hiernach genügt es, wenn der Auftragnehmer seine Leistungen gegenüber dem Auftraggeber schriftlich oder mündlich anbietet. Ausreichend ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber auch, wenn der Auftragnehmer seine Mitarbeiter auf die Baustelle entsendet und dort den Auftraggeber um Arbeitseinteilung bittet. Dies ist ohnehin empfehlenswert, da dadurch auch die eigene Leistungsfähigkeit gezeigt wird.

Daneben muss die Behinderung – wie im letzten Artikel beschrieben – zwingend schriftlich angezeigt werden. Achtung! Die Anzeige der Behinderung ist mit dem Angebot der Leistung nicht gleich zu setzen. Zwar kann dies grundsätzlich in einem Schreiben erfolgen. Dennoch sollten diese Punkte sachlich getrennt werden. Es gilt: Erst die Behinderung anzeigen und sodann das Angebot der Leistung nachfolgen lassen.

Die Ermittlung der Höhe der Entschädigung, die nach § 642 BGB verlangt werden kann, stellt selbst gestandene Baulöwen vor nahezu unüberwindbare Probleme. Kurz gesagt bewertet man die Behinderung in zeitlicher Hinsicht. Es wird die geplante Bauzeit ermittelt und mit der tatsächlichen Bauzeit verglichen. Die Urkalkulation der geschuldeten Bauleistungen wird dabei in die zeitabhängigen Kostenbestandteile zerlegt. Diese werden sodann auf die längere Bauzeit umgelegt. Es wird also so getan, als hätte der Auftragnehmer von vornherein mit der längeren Bauzeit kalkuliert und seine Preise entsprechend ausgeworfen.

Die Komplexität dieses Berechnung ist hoch. Man muss so ehrlich sein und sagen, dass kaum ein Betrieb hierzu in der Lage ist. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist daher nicht ehrenrührig, sondern fast immer unverzichtbar. Der Bundesgerichtshof hat sogar anerkannt, dass die Kosten dieses Sachverständigen meistens erstattungsfähig sind.

Fazit:

Will man aus einer Bauzeitverzögerung Ansprüche herleiten, muss man ganze Arbeit leisten: Jede Behinderung muss ordnungsgemäß angezeigt und in ihren Grundlagen sowie in ihren Auswirkungen auf den geplanten Bauablauf – bis hin zur Abmeldung der Behinderung – lückenlos dokumentiert sein. Bei Verletzung der Mitwirkungspflicht des Auftraggebers darf man nicht vergessen, diesen in Annahmeverzug zu setzen, indem man seine Leistung anbietet. Dazu gesellt sich die große Hürde der Berechnung des Schadensersatzanspruchs oder der Entschädigung. All das ist nicht unmöglich. Es kostet aber einigen Aufwand und Überwindung, eine Maßnahme tatsächlich derart eng zu dokumentieren. Doch wer weiß, vielleicht ergeben sich dadurch auch Erkenntnisse, die für zukünftige Baumaßnahmen hilfreich sein können.

Erschienen im August 2008 bei Campos – Zeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau. Campos im Internet.

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