Was Auftraggeber nicht dürfen und Auftragnehmer nicht müssen.
Im Baubereich gehört es für Auftraggeber mittlerweile zum „guten Ton“, von Auftragnehmern in jeder Situation Sicherheiten – sei es zur Vertragserfüllung, sei es für die Gewährleistung – zu fordern.
Dies führt bei den ausführenden Unternehmen dazu, dass diese häufig ein Vielfaches des in ihren Büchern stehenden Auftragsvolumens durch Bankbürgschaften absichern müssen. Abgesehen von den Avalgebühren wird hierdurch die Liquiditätslinie manchmal bis an die Grenzen belastet.
Oft ist der der Auftraggeber einer Bauleistung aber gar nicht dazu berechtigt, die entsprechenden Sicherheiten überhaupt oder in der von ihm geforderten Höhe zu verlangen.
Ausdrückliche Vereinbarung
Nicht überall bekannt ist beispielsweise, dass es für das Verlangen einer Sicherheit durch den Auftraggeber einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung bedarf. Dies gilt auch dann, wenn die VOB/B in den Vertrag einbezogen worden ist. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung führt die Vereinbarung der VOB/B nicht per se zur Vereinbarung einer Sicherheit. Diese muss isoliert vereinbart werden. Darauf weist § 17 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B auch ausdrücklich hin, wenn er formuliert: „Wenn Sicherheitsleistung vereinbart ist,…“.
Es gilt: Keine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung – kein Recht des Auftraggebers auf Sicherheit!
Höhe der Sicherheit
Auch bei der Höhe der Sicherheit schlagen Auftraggeber häufig über die Stränge. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegen die Obergrenzen bei Bauleistungen für die Vertragserfüllungssicherheit in der Regel bei 10% und für die Gewährleistungssicherheit bei 5%. Alles was darüber hinausgeht ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig unwirksam!
Dies gilt übrigens auch dann, wenn verschiedene Arten der Sicherheitsleistung kombiniert werden. Häufig verlangen Auftraggeber die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft und nehmen darüber hinaus auch noch Sicherheitseinbehalte durch Kürzung der Abschlagsforderungen vor. Dies ist nur eingeschränkt erlaubt.
Es gilt: Die Summe der Sicherheiten darf die oben dargestellten Grenzen nicht überschreiten.
Keine Bürgschaft auf erstes Anfordern
Weitgehend bekannt dürfte in Baukreisen mittlerweile sein, dass eine Sicherheit durch Einbehalt stets durch eine Bürgschaft ablösbar sein muss und dass der Auftraggeber insoweit auch nicht dazu berechtigt ist, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu verlangen. Derartige Klauseln sind nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unwirksam.
Bareinbehalt auf Sperrkonto
Weniger verbreitet ist das Bewusstsein, dass der Auftraggeber bei Einbeziehung der VOB/B dazu verpflichtet ist, einen Sicherheitseinbehalt innerhalb einer Frist von 18 Werktagen auf ein Sperrkonto getrennt von seinem Vermögen anzulegen, über das er und sein Auftragnehmer nur gemeinsam verfügen können („Und-Konto“). Außerdem muss der Auftraggeber seine Bank, bei der das Sperrkonto angelegt wurde, dazu veranlassen, den Auftragnehmer hierüber zu informieren (§ 17 Nr. 6 Absatz 1 Sätze 3 und 4 VOB/B).
Tatsächlich erfüllen aus unserer Erfahrung die wenigsten Auftraggeber diese Pflichten.
Die Auftragnehmer hat in diesen Fällen eine einfache Möglichkeiten, den Auftraggeber zu vertragsgerechtem Verhalten zu zwingen: Er kann ihn nämlich dazu auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist die Sicherheit ordnungsgemäß auf einem Sperrkonto einzuzahlen. Kommt der Auftraggeber dieser Aufforderung nicht nach, schuldet der Auftragnehmer nach § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B keine Sicherheit mehr!
Er kann also den gesamte Sicherheitseinbehalt herausfordern und muss auch zukünftig keine weiteren Sicherheiten mehr leisten. Diese gravierende Folge ist weitgehend unbekannt.
Anzumerken ist insoweit lediglich noch, dass § 17 Nr. 6 VOB/B und die hierin statuierte Pflicht zur Einzahlung des Bareinbehalts auf ein Sperrkonto nach der nicht unumstrittenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertraglich ausgeschlossen werden können, solange dem Auftragnehmer die Alternative verbleibt, die Sicherheit durch eine Bürgschaft (nicht auf erstes Anfordern!) auszutauschen.
Sicherheiten beim reinen Liefergeschäft
Gerade in der Glasbranche, in der viele Unternehmen sowohl Bauleistungen erbringen, d.h. beispielsweise selbst die Verglasung von Gebäuden durchführen, als auch ein reines Liefergeschäft betreiben, werden die oben dargestellten Arten der Sicherheitsleistungen für beide Geschäftsarten verwendet.
Insoweit ist vielen nicht bewusst, dass für das reine Liefergeschäft, welches rechtlich als Kaufvertragverhältnis zu qualifizieren ist, ganz andere gesetzliche Regelungen und rechtliche Vorgaben gelten, als für die Erbringung von Bauleistungen, die unter die gesetzlichen Regelungen des Werkvertragsrechts fallen. Man kann demnach nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die obigen Darstellungen, die zunächst (nur) für Werkverträge gelten, auf das reine Liefergeschäft übertragen werden dürfen.
Dennoch können die im Bereich des Bauvertragsrechts durch eine umfangreiche und äußerst ausdifferenzierten Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sicherlich auch in mancherlei Hinsicht auf Kaufverträge und somit das Liefergeschäft angewendet werden.
Man wird dementsprechend wohl annehmen können, dass bei der Bezahlung von Teillieferungen aus einem Gesamtlieferauftrag in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Käufers maximal Sicherheitseinbehalte von 10% vertraglich vereinbart werden dürfen. Auch die im Baubereich geltenden rechtlichen Vorgaben zum Austausch derartiger Sicherheiten durch eine Bürgschaft dürften im Kaufvertragsbereich ebenfalls gelten, da kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Beurteilung dessen, was für den jeweiligen Lieferanten noch zumutbar oder rechtlich nicht mehr zumutbar ist, anders sein sollte, als im Werkvertragsbereich. Auch im Bereich der Mängelgewährleistungssicherheiten können nach unserer Bewertung die oben dargestellten Erwägungen für das Baurecht ohne weiteres auf das Kaufrecht übertragen werden, denn die Interessenlage zwischen Lieferant und Besteller von Glasprodukten; die ja regelmäßig zur Herstellung von Bauwerken verwendet werden, ist insoweit nahezu identisch mit dem Verhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber im Bauvertrag.
Erschienen im Juni 2008 in der Zeitschrift GFF.